Ich habe länger nicht mehr über Strafzumessungsentscheidungen berichtet. Das will/kann ich dann heute mal wieder tun mit dem Hinweis auf den OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.06.2016 – 1 Ss 381/15, in dem das OLG aber nur in einer „Segelanweisung“ Hinweise zur Strafzumessung gibt; der Entscheidungsschwerpunkt liegt an anderer Stelle, nämlich bei einer Wiedereinsetzungsproblematik.
Es geht in dem Beschluss um die Berufung eines Angeklagten, der vom LG „wegen Führens einer halbautomatisierten Schusswaffe in Tateinheit mit Besitz von 7 Schuss Munition und des Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit Besitz von 5 Schuss Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt [wurde], deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.“ Der Angeklagte ist Vorsitzender eines (Rocker)Chapters, was die Strafkammer in der Strafzumessung verwertet hat. Dazu das OLG:
„Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgende Gesichtspunkte hin:
(1) Das Berufungsgericht hat zwar – insoweit zutreffend – zu Gunsten des Angeklagten die Tatsache gewertet, dass er Morddrohungen einer rivalisierenden Rockergruppe erhalten hat. Die Beweggründe des Täters stellen einen zulässigen Strafzumessungsgesichtspunkt gemäß § 46 Abs. 2 StGB dar. Rechtlich bedenklich ist hingegen, dass das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt mit dem Argument relativiert hat, der Angeklagte habe sich bewusst einer allgemein bekannten „gefahrgeneigten Freizeitbeschäftigung“ angeschlossen.
Diese Erwägung erweist sich bereits deshalb als bedenklich, da eine konkrete Bezeichnung der drohenden Gefahren der Freizeitbeschäftigung fehlt, insbesondere die Darlegung, ob der Angeklagte beim Beitritt zu den oder jedenfalls Übernahme des Vorsitzes des Chapters der … Morddrohungen rivalisierender Rockergruppen hätte vorhersehen müssen. Letztlich ist bedenklich, ob das Berufungsgericht hierdurch in unzulässiger Weise die Art der Lebensführung des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt hat. Dies wäre nur dann möglich gewesen, wenn die Art der Lebensführung in Beziehung zur Tat stünde und Rückschlüsse auf die Tatschuld zuließe (Fischer, 63. Aufl., StGB, § 46 Rn. 37a m.w.N.).
(2) Auch die Erwägung des Berufungsgerichts, dass der Angeklagte sich in einem Problemviertel aufgehalten habe, wo das Ausbrechen eines entsprechenden Konfliktes und damit die Gefahr der Notwendigkeit der Verwendung der Waffe besonders akut war, stößt auf Bedenken. Damit hat das Berufungsgericht die Möglichkeit jeglichen Schusswaffengebrauchs durch den Angeklagten gewertet, ohne zu berücksichtigen, dass ein solcher gegebenenfalls gerechtfertigt gewesen wäre.“
Sicherlich so nicht alltäglich, aber die Art der Lebensführung kann ja immer mal eine Rolle spielen.