Die zweite Entscheidung, die sich mit Fragen in Zusammenhang mit dem beA-Versand – besser: einem missglückten beA-Versand – befasst, ist der BGH, Beschl. v. 05.09.2023 – 3 StR 256/23.
Das LG hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Urteil wurde am Mittwoch, den 15.02.2023, in Anwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin verkündet worden. Die Frist zur Einlegung der Revision endete damit am 22.02.2023 um 24 Uhr (§ 341 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StPO). Am Donnerstag, den 23.02.2023, hat der Angeklagte durch Schriftsatz seiner Verteidigerin Revision eingelegt. Zugleich hat die Rechtsanwältin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine Übermittlung über das elektronische Anwaltspostfach (beA) „gestern wegen technischer Probleme nicht möglich“ gewesen sei. Sie hat die Aufnahme eines Bildschirms beigefügt, auf dem die Eingabemaske eines beA-Postfachs abgebildet ist. Dort finden sich folgende Angaben: Absender (es folgt der Name der Verteidigerin), Empfänger: Landgericht Duisburg, Aktenzeichen Empfänger (es folgt das Aktenzeichen des Landgerichts Duisburg in dieser Sache), Betreff: Revision. Außerdem ist der Hinweis „Fehler beim Aufbau der Verbindung“ zu sehen. Datum und Uhrzeit des Screenshots sind ebenso wenig zu erkennen wie ein etwa zu übermittelndes Schriftstück.
Der BGh hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen:
„Dieses Vorbringen genügt nicht den rechtlichen Darlegungsanforderungen des § 45 StPO. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 S. 1 StPO). In dem Antrag ist ein Lebenssachverhalt darzulegen und glaubhaft zu machen, der das fehlende Verschulden des Angeklagten an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung entgegenstehen. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 S. 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO).
Die Glaubhaftmachung der hier geltend gemachten vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH – 4 StR 104/22, BeckRS 2022, 25316, BGH – 5 StR 328/22, BeckRS 2022, 28366, BGH – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; Siegmund: Anforderungen bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs, NJW 2023, 1681 Rn. 23 mwN, beck-online).
Zwar genügt insoweit eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen, doch auch diesen Anforderungen genügt das aus einem Satz bestehende Antragsvorbringen nicht. Insbesondere wird aus dem beigefügten Screenshot, der weder Datum noch Uhrzeit enthält und nur einen einzigen Sendungsversuch eines nicht mitgeteilten Textes dokumentiert, nicht erkennbar, wie lange am 22.02.2023 das vorübergehende technische Zustellungshindernis bestand und wann der Sendungsversuch erfolgte. Insoweit wäre ein glaubhaft gemachter Vortrag veranlasst gewesen, wann und wie oft Rechtsanwältin H. , die offensichtlich eine für einen solchen Fall gesetzlich vorgesehene Ersatzzustellung gem. § 32d Satz 3 StPO nicht vorgenommen oder auch nur in Erwägung gezogen hat (vgl. BGH – II ZB 22/16, NJW-RR 2017, 1084, beck-online), versuchte, die schriftliche Revisionseinlegung am 22.02.2023 per beA zu übersenden. Ferner ist nichts dazu vorgetragen, ob und wie Rechtsanwältin H. versuchte, etwa über Kontakt mit dem Landgericht, Abhilfe zu schaffen und das technische Problem zu beheben (BGH 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115, beck-online). An einem Werktag (der 22.02.2023 war ein Mittwoch) erscheint dies nicht offensichtlich unzumutbar.
Aufgrund der Unzulässigkeit des gestellten Wiedereinsetzungsantrags ist auch die verspätet eingelegte Revision des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen.“
Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass die Verteidigerin von der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Gebrauch gemacht hat.