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Verfahrensverzögerung im Ausland – keine Beachtung im Inland

Sachverhalt wie folgt: Das Ermittlungsverfahren wird zunächst in Österreich geführt. Dort kommt es zu Verfahrensverzögerungen. Das Verfahren wird dann an die Bundesrepublik Deutschland abgegeben. Hier wird rechtsstaatswidriuge Verfahrensverzögerung geltend gemacht, die von der entscheidenden Jugendkammer auch kompensiert wird. Dem BGH hat das wohl nicht gefallen und er macht dazu Ausführungen, obwohl es auf die Frage nicht ankam, da es ein Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten war (nun ja, das macht der 1. Strafsenat ja gerne). Im BGH, Beschl. v. 23.08.2011 – 1 StR 153/11 heißt es im Leitsatz dazu:

„Nach Übernahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Bundesrepublik Deutsch-land ist eine in dem abgebenden Vertragsstaat der MRK bereits einge-tretene rechts- staatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu kompensieren.“

Und „natürlich“ vorgesehen für BGHSt

Kleiner Grundkurs Verfahrensverzögerung, oder: Doppelt geht nicht

Der BGH, Beschl. v. 21.04.2011 – 3 StR 50/11 gibt einen kleinen Grundkurs im Umgehen mit der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Strafverfahren. Der BGH führt dazu aus:

„Für den Fall, dass die festgestellte überlange Verfahrensdauer – ganz oder teilweise – auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, ist – von der Strafzumessung im engeren Sinne gesondert und hieran anschließend – zu prüfen, ob zur Entschädigung für diese Verfahrensverzögerung die – in den Urteilsgründen zum Ausdruck zu bringende – Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt. Reicht diese zur Entschädigung des Angeklagten nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt und dies in der Urteilsformel auszusprechen. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht.

b) Danach erweist sich die durch das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne vorgenommene zusätzliche Berücksichtigung der rechtsstaats- und konventionswidrigen Verfahrensverzögerung als rechtsfehlerhaft; denn das Landgerichts hat damit im Ergebnis das früher geltende Strafabschlagsmodell und die nunmehr gültige Vollstreckungslösung nebeneinander angewandt und damit der Sache nach die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zweifach kompensiert. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Vorgehensweise auf eine höhere Strafe erkannt hätte. …“

BVerfG (ein wenig) gegen BGH?

Jetzt hat sich auch das BVerfG (noch einmal) mit der Verfahrensverzögerung auseinandergesetzt. In seiner Entscheidung vom 10.03.2009 – 2 BvR 49/09 – hat es der 2. Senat nicht beanstandet, dass das LG Mannheim trotz der inzwischen vom BGH vertretenen Vollstreckungslösung in einem „Übergangsfall“ noch die frühere Kompensationslösung angewendet hatte. Allerdings war das Urteil des LG vor der Entscheidung des Großen Senats in Strafsachen und der darin vollzogenen Wende in der Rechtsprechung ergangen. Insbesondere in diesen Fällen müsse das tatrichterliche Urteil nicht allein deshalb aufgehoben werden, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen. Anders hatte der 3. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 13.02.2008 – 3 StR 563/07 – entschieden. Er hatte in einem „Übergangsfall“ den landgerichtlichen Strafausspruch aufgehoben und statt der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet.