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Wann kann der Insolvenzverwalter von der Schweigepflicht des Steuerberaters entbinden?

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Schon etwas älter ist der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.12.2016 – 1 Ws 334/16. Er ist mir immer wieder „durchgegangen“, was an sich schade ist, das der Beschluss eine in Praxis häufigere Frage behandelt. Es geht um die Entbindungsbefugnis des Insolvenzverwalters von der Schweigepflicht des Berufsgeheimnisträgers, im entschiedenen Fall ein Steuerberater. Bei den Angeklagten des Verfahresn wegen Vorwürfen der Umsatzsteuerhinterziehung als Verantwortliche der K. GmbH verantworten handelt es einmal um die alleinige Gesellschafterin und eingetragene Geschäftsführerin der K. GmbH, der Angeklagte soll deren faktischer Geschäftsführer gewesen sein. Vernommen werden sollte der Steuerberater der K.GmbH und der beiden Angeklagten. Die beiden Angeklagten haben den nicht von seiner Schweigepflicht entbunden, wohl aber der Insolvenzverwalter. Die Vorsitzende der Strafkammer war der die Auffassung, die Entbindung durch den Insolvenzverwalter sei ausreichend und hat dem Steuerberater, der sich weigerte, eine Aussage zu machen, ein Ordnungsgeld von 500 € auferlegt. Dagegen die Beschwerde des Steuerberaters, die Erfolg hatte:

„Im vorliegenden Fall war die Schweigepflichtentbindung (nur) durch den Insolvenzverwalter der K.  GmbH nicht ausreichend. Denn die dem Beschwerdeführer als Geheimnisträger anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen über die juristische Person wurden durch das Verhalten ihrer – formellen und/oder faktischen – Organe bestimmt und betreffen, jedenfalls für das Strafverfahren, deren persönliche Verantwortlichkeit. Hinzu kommt, dass es sich bei der Angeklagten um die alleinige Gesellschafterin der juristischen Person handelt und beide Angeklagten deren formelle bzw. faktische Organe waren (offen gelassen von OLG Köln, Beschluss vom 1. September 2015 – 2 Ws 544/15, juris, Rn. 14). Selbst wenn nicht per se von einer Erstreckung des Vertrauensverhältnisses auf die Organe einer juristischen Person ausgegangen werden könnte, so waren jedenfalls vorliegend auch die persönlichen und privaten Interessen der Angeklagten – nicht nur als alleiniger Gesellschaftergeschäftsführerin bzw. als faktischem Geschäftsführer, sondern auch als mandatierende natürliche Personen – von dem Mandatsverhältnis und der damit verbundenen Verschwiegen­heitspflicht miterfasst. Von dieser kann aber nur derjenige entbinden, zu dessen Gunsten das Vertrauensverhältnis mit dem Schweigepflichtigen im Sinne des § 53 StPO begründet wurde. Dieses Vertrauensverhältnis wäre vorliegend gestört, wenn die Entbindungserklärung der juristischen Person als ausreichend angesehen werden würde. Dies gilt im Besonderen für im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zu einer juristischen Person möglicherweise anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen Straftaten eines (auch faktischen) Vertreters; dann muss dieser persönlich, als Träger des Geheimnisses, von der Schweigepflicht entbinden (KK-Senge, § 53, Rn. 47; Gercke in Heidelberger Kommentar zur StPO, § 53, Rn. 38; MüKoStGB/Cierniak/Pohlit, § 203, Rn. 80). Gleiches gilt für die Insolvenz: Geht es um die Offenlegung von Straftaten des Insolvenzschuldners bzw. früherer oder jetziger (auch faktischer) Organe einer in Insolvenz geratenen juristischen Person, so kann es nicht bei der alleinigen Entbindungsbefugnis des Insolvenzverwalters verbleiben; denn für die Straftat ist der Täter persönlich verantwortlich, so dass es sich nicht um ein nur vom Insolvenzbeschlag erfasstes vermögenswertes Geheimnis, sondern zugleich auch um ein persönliches Geheimnis des Täters handelt (LR-Ignor/Bertheau, § 53, Rn. 78; MüKoStGB/Cierniak/Pohlit, a.a.O., Rn. 81 m.w.N.; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 23a; Lackner/Kühl, § 203, Rn. 23a; KK-Senge a.a.O.; Gercke a.a.O.; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 3. März 1978 – 5 Qs 42/78, AnwBl 79, 119; differenzierend Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 46b, 46c, der bei sog. „Doppelmandaten“ jedenfalls eine Entbindung allein durch den Insolvenzverwalter nicht für ausreichend erachtet).“

Durchsuchung beim Insolvenzverwalter – nun mal nicht so schnell!!!

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Entscheidungen zu Durchsuchung und Beschlagnahme haben vor einige Jahren die Rechtsprechung zum Ermittlungsverfahren beherrscht, inzwischen ist die Flut aber deutlich zurück gegangen. Das bedeutet allerdings nicht, dass – wie das Verfahren Edathy beweist – Durchsuchungen nicht immer noch von erheblicher Brisanz sind bzw. sein oder haben können. Das gilt sicherlich vor allem auch dann, wenn es um die Durchsuchung von Rechtsanwaltskanzleien und oder um Durchsuchungen bei unbeteiligten Dritten, wie z.B. einem Insolvenzverwalter, geht. Da spielen die mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung zusammenhängenden Fragen eine erhebliche Rolle. Beim Insolvenzverwalter geht die landgerichtliche Rechtsprechung im Grunde davon aus, dass die Durchsuchung quasi „ultima ratio“ ist und ein Herausgabeverlangen vorgeht. Darauf weist jetzt der LG Dresden, Beschl. v. 27. 11. 2013 – 5 Qs 113/13 – noch einmal hin:

„..c) Allerdings verletzt der angegriffene Beschluss den bei Durchsuchungen stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beschwerdeführer zu 1 hätte nach § 95 StPO zur Herausgabe der gesuchten Unterlagen aufgefordert werden können.

Die Durchsuchung muss im Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck nicht nur erfolgversprechend, sondern zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat auch erforderlich sein; das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2011, 2 BvR 1011/10, zitiert nach juris). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet in jedem Verfahrensstadium das jeweils mildeste Mittel anzuwenden. Kann ein Ermittlungserfolg auf unterschiedliche Art und Weise erreicht werden, so muss dasjenige Mittel gewählt werden, welches den Betroffenen unter den Umständen des Einzelfalles bestmöglich schont.

Vorliegend wäre ein auf § 95 StPO gestütztes Herausgabeverlangen ausreichend und gleich erfolgversprechend gewesen. Ein Vorgehen der Ermittlungsbehörden nach § 95 StPO bietet sich immer dann als strafprozessuales Instrument an, wenn anzunehmen ist, dass der Herausgabepflichtige die gesuchten Beweisgegenstände freiwillig herausgibt und weder das Gebot der Verfahrensbeschleunigung entgegensteht noch ein das Ermittlungsverfahren bedrohender Verlust der begehrten Sache oder gar Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (LG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2010, 2 Qs 1/10, zitiert nach juris, m. w. N.).

Ein Insolvenzverwalter – wie der Beschwerdeführer zu 1 – als geschäftskundige, unabhängige Rechtsperson (§ 56 Abs. 1 InsO), die Amtspflichten trifft, ist verpflichtet, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Es waren vorliegend weder ein Verlust der gesuchten Unterlagen noch Verdunkelungsmaßnahmen von Seiten des Beschwerdeführers zu 1 zu befürchten. Allein der Wunsch nach einem zeitgleichen Vorgehen gegen alle (vermeintlichen) Gewahrsamsinhaber von Beweismitteln rechtfertigt es wegen des bei einer Durchsuchung betroffenen Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht, ohne vorheriges Herausgabeverlangen nach § 95 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume des betroffenen Insolvenzverwalters anzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer zu 1 im Fall eines Herausgabeverlangens den Insolvenzschuldner hierüber – ggfs. entgegen einer ausdrücklichen Aufforderung der Ermittlungsbehörde – informiert hätte oder gar Unterlagen zurückgehalten hätte, liegen nicht vor. Ersterem hätte zudem mit einem Zuwarten bis nach Durchführung der sonstigen Maßnahmen begegnet werden können. Dass eine zeitgleiche Beschaffung aller Unterlagen relevante ermittlungstaktische Vorteile versprach, ist in Bezug auf den Beschwerdeführer zu 1 nicht dargetan. Angesichts der Dauer des Ermittlungsverfahrens hätte selbst ein erfolgloses Herausgabeverlangen zu keiner Verzögerung des Verfahrens geführt.“

Also: So schnell schießen die Sachsen nun doch nicht.