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Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen, oder: Was ist bei Insolvenz?

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Da erreicht mich gerade die Nachricht des BMJV „Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen“. In der heißt es:

„Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht

Die Bundesregierung hat heute die von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht beschlossen. Die Koalitionsfraktionen haben nunmehr die Möglichkeit, den Gesetzentwurf aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringen. Die Formulierungshilfe wurde auf Wunsch der für Veranstaltungen zuständigen Ressorts BKM, BMI und BMBF vom BMJV erstellt.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, erklärt:

„Derzeit muss ein Großteil der geplanten Veranstaltungen wie Konzerte oder Sportereignisse abgesagt werden und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Veranstalter und Betreiber sind mit einer Vielzahl von Rückforderungen konfrontiert und geraten zunehmend in Liquiditätsengpässe. Hierdurch gerät eine ganze Branche mit vielen tausend Arbeitsplätzen in Existenznot und droht nicht wiedergutzumachenden Schaden zu nehmen. Die Vielfalt der Kultur- und Freizeitangebote in unserem Land ist dadurch ernsthaft bedroht. Für Verbraucherinnen und Verbraucher steigt gleichzeitig die Gefahr, dass sie bei einer Pleitewelle mit leeren Händen dastehen. Beides müssen wir verhindern. Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren. Für Menschen, die jetzt dringend die Erstattungen benötigen, weil sie sonst ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, wird es eine Härtefalllösung geben. Durch diese Regelung erreichen wir in der derzeitigen Ausnahmesituation einen fairen Interessenausgleich ohne unnötige Härten.“

Die heute vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe enthält einen Gesetzentwurf, der Regelungen zum Schutz von Veranstaltern von Musik-, Kultur-, Sport-, oder sonstigen Freizeitveranstaltungen und von Betreibern von Freizeiteirichtungen wie Museen, Schwimmbäder oder Sportstudios vor dem wirtschaftlichen Aus vorsieht. Gleichzeitig werden Verbraucherinnen und Verbraucher davor geschützt, dass ihre Erstattungsansprüche durch Insolvenzen wirtschaftlich wertlos würden.

Nach geltendem Recht können die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Saison- und Jahreskarten eine Erstattung ihrer bereits gezahlten Eintrittsgelder von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber einer Freizeiteinrichtung verlangen, wenn aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Veranstaltung wie ein Konzert oder eine Sportveranstaltung nicht stattfinden konnte oder eine Freizeiteinrichtung geschlossen werden musste. Veranstalter und Freizeiteinrichtungen haben infolge der Krise kaum neue Einnahmen. Müssten sie nun kurzfristig die Eintrittspreise für sämtliche abgesagten Veranstaltungen erstatten, wären viele von ihnen in ihrer Existenz bedroht.

Eine Insolvenzwelle hätte zur Folge, dass die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden. Diese Folgen sollen mit dem vorliegenden Entwurf möglichst verhindert werden.

Veranstalter sollen berechtigt sein, der Inhaberin oder dem Inhaber einer Eintrittskarte statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen. Dieser Wertgutschein kann dann entweder für die Nachholveranstaltung oder alternativ für eine andere Veranstaltung des Veranstalters eingelöst werden. Entsprechend wird dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht gegeben, der oder dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht genutzten Teils der Berechtigung wie einer Jahreskarte entspricht.

Die Inhaberin oder der Inhaber eines solchen Gutscheins soll jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen können, wenn die Annahme eines Gutscheins für sie oder ihn aufgrund der persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird. In letzterem Fall entspricht der Gutschein einer bloßen Stundung des Erstattungsanspruchs.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe geht auf einen Beschluss des sogenannten Corona-Kabinetts vom 2. April 2020 zurück. Die Bundesregierung hatte in dieser Sitzung zusätzlich beschlossen, an die EU-Kommission heranzutreten, um vergleichbare Gutscheinlösungen bei Pauschalreisen und Flugtickets zu ermöglichen. Die Ressorts BMJV, BMWi und BMF haben ein gemeinsames Schreiben zu Pauschalreisen an den zuständigen Kommissar Reynders (DG Just) auf den Weg gebracht. Ein gemeinsames Schreiben der Ressorts BMJV, BMWi und BMVI zu Flugreisen wird über die zuständige Kommissarin Valean (DG Move) an die Kommission gerichtet.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht ist hier abrufbar.“

So weit, so gut. oder doch nicht gut? M.E. nicht – und das gilt auch für die geplante „Gutscheinlösung“ bei Reisen. Lassen wir die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Geltung mal außen vor – ich habe da so meine Bedenken – bin da aber nicht näher eingestiegen. Eins ist aber Frau BMJV nicht richtig: „Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren.“ Das gilt doch nur, wenn es die Veranstalter am Ende des nächsten Jahres noch gibt und die dann zahlungsfähig sind. Was aber, wenn sie insolvent geworden sind. Dann hat der Kunde einen Gutschein, mit dem er sich die Wand tapezieren kann.

Oder sehe ich da etwas falsch?

 

 

Rechteabbau durch das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“, oder: Sie haben es getan/vor

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Ich hatte im Juni 2019 über die sog. “Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens” berichtet (Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens, oder: Ab in die Tonne).

Die Geschichte geht inzwischen weiter. Denn Anfang August 2019 hat das BMJV einen Referentenentwurf zu einem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens  vorgelegt. Und wie nicht anders zu erwarten, werden die Eckpunkte des o.a. Papiers natürlich umgesetzt. Also: Rechteabbau für Beschuldigte, was sich m.E. schon bei der Namensgebung für das neue Gesetzesvorhaben angekündigt hat. Denn m.E. geht es immer, wenn das BMJV das Wort „Modernisierung“ in Zusammenhang mit Strafverfahren in den Mund nimmt, um „Vereinfachung und Beschleunigung“. Und auf dem Altar der Beschleunigung werden dann Beschuldigtenrechte geopfert. Man kann m.E. sagen: „Vereinfachung und Beschleunigung“ = Rechteabbau. Was aber wirklich mal eine Modernisierung des Strafverfahrens wäre, nämlich eine Dokumentartion der Hauptverhandlung, das packt man nicht an. Warum auch? Ist doch so viel besser, wenn später nur noch das gilt, was die Richter mitgeschrieben und dann ins Urteil geschrieben haben.

Wenn man sich die geplanten Änderungen ansieht und die für die Änderungen angeführten Begründungen, dann hat man den Eindruck, das BMJV geht davon aus, dass alle Anträge, die im Laufe des Verfahrens gestellt werden, nur der Verfahrensverzögerung dienen. Dass sie z.B. aber auch oft das Ziel haben, schlampige Ermittlungen zu reparieren bzw. für den Beschuldigten gümnstige Umstände in das Verfahren einzuführen, übersieht man.

Wer Interesse an den Einzelheiten des Gesetzesvorhaben hat, der mag sich die in Aussicht genommenen Änderungen im Einzelnen ansehen. Hier will und kann ich nur einige Punkte aufgreifen:

  • Die Möglichkeit der DNA-Analyse wird erweitert auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie Alter, was man als „verhältnismäßig“ ansieht. Ist es das wirklich noch?
  • Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung auf Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 4 StGB), was m.E. unverhältnismäßig ist, wenn zugleich in der Begründung aufführt, dass diese Straftaten um 16.3 % zurück gegangen sind. Warum dann denn die Erweiterung? Nun, „bei einer in der Öffentlichekti intensiv wahrgenommenen Straftat…“ erschließt sich das, oder?
  • Beschränkung des Rechts der Befangenheitsablehnung, u.a. mit der Begründung, dass Befangenheitsantrag oft keinen Erfolg haben. Wenn man das liest, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Denn woran diese „magere Ausbeute“ wohl liegt?
  • Weitere Beschränkungen des Beweisantragsrechts, die m.E. in die Rechte des Beschuldigten noch weiter eingreifen, den gewünschten Beschleunigungseffekt aber nicht haben werden.
  • Völlige Änderung des Rechts der Besetzungsrügen, und damit „gesetzlicher Richter ade?“ Der BGH ist bei diesen Fragen dann in Zukunft im Zweifel außen vor.
  • Die Unterbrechungsfristen des § 229 StPO werden ausgeweitet, indem man neue Hemmungsfristen und neue Hemmungstatbestände einführt. Zukünftig sind ggf. Pausen bis zu zwei Monaten zulässig, wenn Mutterschutz und Elternzeit das erfordern. Ohne Worte.
  • Bild-Ton-Aufzeichnungen von Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren und deren Transfer in die Hauptverhandlung wird erweitert; die Dokumentation der Hauptverhandlung kommt aber immer noch nicht (siehe oben).

Noch Fragen? Ja, ich habe zwei:

1.Wie verträgt sich dieses Gesetzesvorhaben eigentlich mit der – in meinen Augen albernen – Kampagne des BMJV „Wir sind Rechtsstaat“ (vgl. dazu hier die PM des BMJV). Da trommelt man – (wahrscheinlich) unter Einsatz von viel Geld  – für den Rechtsstaat – die „Kämpfer“ sind natürlich weitgehend jung und weiblich -, und hier baut man im Strafverfahren weiter Rechte der Beschuldigten ab. Das versteht man wahrscheinlich nur im BMJV, hoffentlich, oder in der Politik, hoffentlich. Ansonsten wohl eher nicht, ich verstehe es jedenfalls nicht. Für das Geld, das diese Kampagne gekostet hat, hätte man besser Richter eingestellt und hätte damit vermutlich zur Beschleunigung von Verfahren und zu „mehr Rechtsstaat“ beigetragen.

2. Und dann: Was macht eigentlich die neue Hausherrin im BMJV (sonst noch)? Nachdem sich die alte mit satten 15,8 % für die SPD nach Brüssel verabschiedet hat, hat man von der Neuen bisher nicht viel Gutes gehört. Dieses Gesetzesvorhaben zähle ich nun nicht zum „Guten“.

Gesetzesvorhaben II: U.a. Änderungen im Recht der Pflichtverteidigung, Verbot der Gesichtsverhüllung im Gericht, oder: Schafft die GroKo das (noch)?

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Auch das zweite Posting heute befasst sich mit Gesetzesvorhaben, auf die ich in den letzten Tagen gestoßen bin. Zwei stammen aus dem Bundestag, eins ist eine Gesetzesinitiative aus dem Bundesrat. Im Einzelnen:

1. Zunächst: Es existiert jetzt ein Referentenentwurf des BMJV zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung„, also Änderung der § 140 ff. StPO. Hintergrund dieses Entwurfs ist die so.g PKH-Richtlinie der EU, die bis zum 29.05.2019 in nationales Recht umgesetzt sein muss und die weitgehende Vorgaben für das Recht der Pflichtverteidigung macht, die zu Gesetzesänderungen zwingen.

Vorgesehen ist auf der Grundlage u.a. Folgendes:

  • Ein Fall notwendiger Verteidigung liegt nicht mehr erst mit der Vollstreckung von Untersuchungshaft oder vorläufiger Unterbrin­gung vor, sondern bereits mit der Vorführung vor einen Richter.
  • Ein Fall notwendiger Verteidigung soll in Zukunft auch beim Schöffengericht und allgemein ab einer Straferwartung von mindestens einem Jahr  Freiheitsstrafe gegeben sein.
  • Der Beschuldigte erhält ein eigenes Antragsrecht schon im Ermittlungsverfahren. Darüber ist er zu belehren.
  • Insgesamt sollen Entscheidungen über die Pflichtverteidigerbestellung mit der sofortigen Beschwerde überprüfbar sein.
  • Hinsichtlich der Personen, die zu Pflichtverteidigern bestellt werden können, soll u.a. geregelt werden, dass bei einer gerichtlichen Auswahlentscheidung grundsätzlich nur Fachanwältinnen oder Fachanwälte für Strafrecht oder aber solche Rechtsanwältin­nen oder Rechtsanwälte bestellt werden sollen, die gegenüber der Rechtsanwaltskammer ihr Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen bekundet haben.
  • Das Recht des Beschuldigten auf Verteidigerwechsel soll erstmals umfassend geregelt werden. Dabei wird die Rechtsprechung zum Verteidigerwechsel aufgegriffen. Vorgesehen ist auch ein Recht auf Verteidigerwechsel in den Fällen, in denen dem Beschuldigten bei der Bestellung eines „Pflichtverteidigers der ersten Stunde“ aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit nur eine kurze Bedenkzeit eingeräumt werden konnte, um einen Verteidiger seiner Wahl zu be­zeichnen.

2. Als zweiten Referentenentwurf des BMJV weise ich hin auf den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung„. Der will/soll auch EU-Recht umsetzen. U.A. sieht der Entwurf eine Änderung des § 350 StPO vor, wo auch für den inhaftierten Ange­klagten ein Recht auf Anwesenheit in der Revisionshauptverhandlung geschaffen werden soll.

3. Und als dritter Entwurf dann das Gesetzesvorhaben aus dem Bundesrat. Der fordert ein grundsätzliches Verhüllungsverbot im Gericht. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll beim Bundestag eingebracht werden. Danach muss die Mimik bei an der Verhandlung beteiligten Personen erkennbar sein. So der „Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung“ (BR-Drucks. 408/18). Begründung: Gesichtsverhüllungen seien mit der Wahrheitsfindung nicht vereinbar, begründet der Bundesrat seinen Vorschlag. Das Gericht müsse sämtliche Erkenntnismittel einschließlich der Mimik einer Person ausschöpfen können, um den Sachverhalt und die Glaubwürdigkeit von Aussagen bestmöglich aufzuklären.

Wie geht es nun weiter: Bei Nr. 1 und 2 handelt es sich um Referentenentwürfe, die Vorhaben werden nun also noch mit den Ländern, Verbänden usw. abgestimmt.  Das kann (wird?) dauern, obwohl die Sache an sich ja eilig ist, da die PKH-Richtlinie bis 29.05.2019 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Und das Ganze steht natürlich unter der Prämisse, dass die GroKo noch so lange durch hält, um diese Gesetzesvorhaben umzusetzen. Und da kann man ja gewisse Zweifel haben.

Gesetzesvorhaben I: Die AfD und „ihr“ Gesetz zur Verbesserung der Inneren Sicherheit, oder: Kahlschlag in der StPO?

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Diese Woche eröffne ich mit Hinweisen auf Gesetzesvorhaben der GroKo bzw. von Bundesfraktionen, auf die ich u.a. durch Hinweise an anderen Stellen gestoßen bin.

Frage war nur: Womit fange ich an? Nun, ich habe mich entschlossen, als erstes über den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Inneren Sicherheit –  Verfahrensbeschleunigungsgesetz und verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz – (BT-Drucks. 19/5040), den die AFD-Fraktion eingebracht hat und der am vergangenen Freitag im Bundestag erstmals beraten worden ist (hier das Protokoll der BT-Sitzung), zu berichten. Nicht weil ich ihn gut finde – mit Sicherheit nicht -, sondern weil es der erste Änderungsentwurf ist, auf den ich gestoßen bin.

Wenn man sich den Entwurf ansieht, kann man nur sagen: Da steckt Brisanz drin – was ja auch zu erwarten – und auch beabsichtigt – war. Die Zielrichtung ist auch klar: Ausländer, Terrorismus, Gewalttäter usw.  Es handelt sich – so die Überschrift – (daher) um ein „Gesetz zur Verbesserung der Inneren Sicherheit“. Und dieses Ziel soll – so die Entwurfsbegründung – u.a. erreicht werden mit

Änderungen im StGB

  • Heraufsetzen der Anforderungen an die verminderte Schuldfähigkeit, in dem in § 21 StGB angefügt werden soll, dass von der Annahme des § 21 StGB „abzusehen [ist], wenn sich der Täter vorsätzlich oder fahrlässig in diesen Zustand versetzt“ hat.
  • Heraufsetzen der Anforderungen an die Strafaussetzung zur Bewährung bei Verurteilungen von mehr als einem Jahr in § 56 Abs. 2 StGB
  • Ermöglichung der Anordnung der Sicherungsverwahrung, wenn ein Täter nicht durch die Maßregeln der §§ 63, 64 StGB therapierbar und weiterhin gefährlich ist.
  • Ermöglichung der Entziehung der Aufent­haltserlaubnis und der Ausweisung durch Anordnung im Strafurteil, und zwar dann, wenn der Täter als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzusehen ist.
  • Gewaltdelikte sollen im Strafmaß deutlich verschärft werden, so z.B. druch Einführung einer neuen Nr. 3 bei § 250 Abs. 1 StGB – „Schwerer Raub“, wenn die Tat auf einem öffentlichem Weg, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platz, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird.

Und auch an die StPO legt man Hand, aber – in meinen Augen so richtig. Geplant/Vorgesehen ist einiges, was m.E. an einigen Stellen einem „Kahlschalg“ gleich kommt, nämlich u.a.:

  • Die Absprache  – § 257 c StPO – soll abgeschafft werden
  • Die Re­vision als Rechtsmittel soll abgeschafft werden.
  • Urteile sollen grundsätzlich nur noch im Wege der Annahmeberufung anfechtbar sein.
  • Es soll Änderungen im Bereich der Untersuchungshaft geben, und zwar eine Erweiterung des Katalogs des § 112a StPO – Wiederholungsgefahr – um die §§ 224 Absatz 1 Satz 2, 249, 250, 251, 252, 255, 306a, 316a“ StGB eingefügt. Außerdem soll U-Haft länger als sechs Monate dauern dürfen (§ 121 Abs. 1 StPO), wenn Wiederholungsgefahr besteht.
  • Eingeführt werden soll ein ausdrücklich vorgeschriebenes Analogieverbot für verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO n.F.
  • Umgestaltung des Beweisantragsrechts in den §§ 244, 246 StPO, indemdie Möglichkeit geschaffen wird, eine beantragte Beweiser­hebung dann als verspätet abzulehnen, wenn sie fristgerecht hätte beantragt werden können. Das soll auch dann gelten, wenn der Antrag ansonsten nicht unverzüglich gestellt wurde. Also: Verspätung (?) als Ablehungsgrund.
  • Erweiterung des Strafbefehlsverfahren nach § 408a StPO auf alle Gerichtszuständigkeiten und alle gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen, wenn der Angeschuldigte einen gewählten oder mit seiner Zustimmung bestellten Verteidiger hat.

Und dann noch Jugendstrafrecht:

  • Der Heranwachsende wird „abgeschafft“.
  • Ab einer Freiheitsstrafe über einem Jahr soll Bewährung nur noch ausnahmsweise erteilt werden und zwar nur, wenn besondere Umstände i.S. d. § 56 Abs. 2 StGB dies rechtfertigen.

Zu dem Ganzen könnte man eine Menge schreiben, aber dafür ist hier sicherlich nicht der richtige Ort. Hier nur so viel, und zwar zwei folgenden Punkten aus dem „Änderungspool StPO“:

Der Gesetzesentwurf ist auch ein „Verfahrensbeschleunigungsgesetz“. Wie man das allerdings erreichen will, indem man die 2009 mit viel Mühe gefundene Abspracheregelung wieder abschafft, erschließt sich mir nicht. Folge ist doch, dass nicht alle, aber ggf. doch recht viele, vor allem umfangreiche und schwierige Verfahren wieder (noch) länger dauern. Und: Sie gehen ggf. ein zweites Mal in die Tatsacheninstanz, da man ja die Revision abgeschafft hat.

Und: Abschaffung des Rechtsmittels der Revision? Ja, das war und ist immer wieder im Gespräch. Aber, wenn ich mich richtig erinnere, doch nicht so, sondern in der Form eines Wahlrechtsmittels, wie wir es bereits in § 55 JGG kennen. Im Übrigen: Der BGH als Berufungsgericht? Man wird sich bei den fünf (!) Strafsenaten sicherlich freuen, wenn man dort dann demnächst „Berufungen“ durchführen kann/muss. Auch das wird ungemein zur Beschleunigung beitragen.

Der Gesetzesentwurf ist zur Beratung an die Ausschüsse verwiesen worden. Was dort passieren wird, liegt m.E. auf der Hand und hat sich am vergangenen Freitag auch bereits abgezeichnet: Der Antrag wird abgelehnt werden. Gut so, finde ich. Oder, um mit Rainer Barzel zu sprechen: „So nicht“.

Abschließend folgender Hinweis: Ich lasse die Kommentarfunktion zu diesem Beitrag zunächst mal geöffnet. „Zunächst“, weil ich mir vorbehalte, sie ggf. zu schließen, wenn die Kommentare nicht mehr sachbezogen sind, sondern in Hetze ausarten.

Was bringt ein 3. KostRMoG ggf. Neues im Straf-/Bußgeldverfahren, und vor allem: Wann?

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Heute am Gebührenfreitag eröffne ich dann mal nicht mit einer Entscheidung, sondern mit ein paar Anmerkungen zu „Vorschläge zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung und Ergänzung und Klarstellung des RVG – Gemeinsamer Katalog von DAV und BRAK –
März 2018″, die ja vor einiger Zeit dem BMJV überreicht worden sind. Ich greife aber nur die das Strafrecht betreffenden konkreten Vorschläge auf. Das sind:

  • Gebühr für die Tätigkeit im strafrechtlichen Zwischenverfahren
  • Wegfall der Begrenzung der Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG
  • Ergänzung der Nr. 4141 VV RVG bei Ablehnung eines Antrags auf Erlass eines Strafbefehls
  • Grundgebühr in der Strafvollstreckung

Und dann:

  • Verzinsung für verspätet ausgezahlte/festgesetzte PKH- und VKHAnwaltsvergütung durch entsprechende Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO
  • Anhebung der Auslagentatbestände
  • Klarstellung bei der Vergütung für Zeugenbeistandsleistung durch einen neuen § 48 Abs. 7 RVG-E
  • Klarstellung bei der Auslagentatbestand nach Nr. 7000 VV Nr. 1 VV RVG dahingehend, dass auch das Einscannen von in Papierform vorliegenden Akten zur weiteren Bearbeitung als elektronische Akte von der Pauschale erfasst wird.

Ich hoffe, dass ich nichts vergessen habe.

Vorläufig bewertet: Sicherlich sehr wichtige Vorschläge und Änderungen, wenn sie denn kommen. Allerdings gehen sie mir an einigen Stellen nicht weit genug.

  • Die Nr. 4102 VV RVG müsste man m.E. von Grund auf „reformieren“/ändern und den Streit, welche sonstigen Termine denn ggf. auch unter die Nr. 4102 VV RVG fallen, damit beenden/eindämmen.
  • Und auch die Frage der Vergütung des Zeugenbeistandes wird m.E. nicht unbedingt endgültig die Diskussion in dieser Frage beenden. Offen bleibt der Wahlzeugenbeistand. Und: Es soll zwar wohl nach Teil 4 Abschnitt 1 Vv RVG vergütet werden, eindeutig ist das aber nicht. Da gefiel mir der Änderungsvorschlag zum 2. KostRMoG, der dann nicht Gesetz geworden ist, besser.
  • Nicht geklärt ist auch die Frage der Vergütung des Terminsvertreters.
  • Auch die Frage des Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger – Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer – könnte man mal überdenken.

Und dann bleibt die Frage: Wann kommt denn nun ein 3. KostRMoG? Ich wage, wenn man mal alle Vorgaben usw. berücksichtigt, auf das Ende der Legislaturperiode. Aber zumindest ist ja schon mal die Diskussion eröffnet.