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Gesetzesvorhaben I: Die AfD und „ihr“ Gesetz zur Verbesserung der Inneren Sicherheit, oder: Kahlschlag in der StPO?

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Diese Woche eröffne ich mit Hinweisen auf Gesetzesvorhaben der GroKo bzw. von Bundesfraktionen, auf die ich u.a. durch Hinweise an anderen Stellen gestoßen bin.

Frage war nur: Womit fange ich an? Nun, ich habe mich entschlossen, als erstes über den „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Inneren Sicherheit –  Verfahrensbeschleunigungsgesetz und verbesserte Eingriffsgrundlagen der Justiz – (BT-Drucks. 19/5040), den die AFD-Fraktion eingebracht hat und der am vergangenen Freitag im Bundestag erstmals beraten worden ist (hier das Protokoll der BT-Sitzung), zu berichten. Nicht weil ich ihn gut finde – mit Sicherheit nicht -, sondern weil es der erste Änderungsentwurf ist, auf den ich gestoßen bin.

Wenn man sich den Entwurf ansieht, kann man nur sagen: Da steckt Brisanz drin – was ja auch zu erwarten – und auch beabsichtigt – war. Die Zielrichtung ist auch klar: Ausländer, Terrorismus, Gewalttäter usw.  Es handelt sich – so die Überschrift – (daher) um ein „Gesetz zur Verbesserung der Inneren Sicherheit“. Und dieses Ziel soll – so die Entwurfsbegründung – u.a. erreicht werden mit

Änderungen im StGB

  • Heraufsetzen der Anforderungen an die verminderte Schuldfähigkeit, in dem in § 21 StGB angefügt werden soll, dass von der Annahme des § 21 StGB „abzusehen [ist], wenn sich der Täter vorsätzlich oder fahrlässig in diesen Zustand versetzt“ hat.
  • Heraufsetzen der Anforderungen an die Strafaussetzung zur Bewährung bei Verurteilungen von mehr als einem Jahr in § 56 Abs. 2 StGB
  • Ermöglichung der Anordnung der Sicherungsverwahrung, wenn ein Täter nicht durch die Maßregeln der §§ 63, 64 StGB therapierbar und weiterhin gefährlich ist.
  • Ermöglichung der Entziehung der Aufent­haltserlaubnis und der Ausweisung durch Anordnung im Strafurteil, und zwar dann, wenn der Täter als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzusehen ist.
  • Gewaltdelikte sollen im Strafmaß deutlich verschärft werden, so z.B. druch Einführung einer neuen Nr. 3 bei § 250 Abs. 1 StGB – „Schwerer Raub“, wenn die Tat auf einem öffentlichem Weg, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platz, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird.

Und auch an die StPO legt man Hand, aber – in meinen Augen so richtig. Geplant/Vorgesehen ist einiges, was m.E. an einigen Stellen einem „Kahlschalg“ gleich kommt, nämlich u.a.:

  • Die Absprache  – § 257 c StPO – soll abgeschafft werden
  • Die Re­vision als Rechtsmittel soll abgeschafft werden.
  • Urteile sollen grundsätzlich nur noch im Wege der Annahmeberufung anfechtbar sein.
  • Es soll Änderungen im Bereich der Untersuchungshaft geben, und zwar eine Erweiterung des Katalogs des § 112a StPO – Wiederholungsgefahr – um die §§ 224 Absatz 1 Satz 2, 249, 250, 251, 252, 255, 306a, 316a“ StGB eingefügt. Außerdem soll U-Haft länger als sechs Monate dauern dürfen (§ 121 Abs. 1 StPO), wenn Wiederholungsgefahr besteht.
  • Eingeführt werden soll ein ausdrücklich vorgeschriebenes Analogieverbot für verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO n.F.
  • Umgestaltung des Beweisantragsrechts in den §§ 244, 246 StPO, indemdie Möglichkeit geschaffen wird, eine beantragte Beweiser­hebung dann als verspätet abzulehnen, wenn sie fristgerecht hätte beantragt werden können. Das soll auch dann gelten, wenn der Antrag ansonsten nicht unverzüglich gestellt wurde. Also: Verspätung (?) als Ablehungsgrund.
  • Erweiterung des Strafbefehlsverfahren nach § 408a StPO auf alle Gerichtszuständigkeiten und alle gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen, wenn der Angeschuldigte einen gewählten oder mit seiner Zustimmung bestellten Verteidiger hat.

Und dann noch Jugendstrafrecht:

  • Der Heranwachsende wird „abgeschafft“.
  • Ab einer Freiheitsstrafe über einem Jahr soll Bewährung nur noch ausnahmsweise erteilt werden und zwar nur, wenn besondere Umstände i.S. d. § 56 Abs. 2 StGB dies rechtfertigen.

Zu dem Ganzen könnte man eine Menge schreiben, aber dafür ist hier sicherlich nicht der richtige Ort. Hier nur so viel, und zwar zwei folgenden Punkten aus dem „Änderungspool StPO“:

Der Gesetzesentwurf ist auch ein „Verfahrensbeschleunigungsgesetz“. Wie man das allerdings erreichen will, indem man die 2009 mit viel Mühe gefundene Abspracheregelung wieder abschafft, erschließt sich mir nicht. Folge ist doch, dass nicht alle, aber ggf. doch recht viele, vor allem umfangreiche und schwierige Verfahren wieder (noch) länger dauern. Und: Sie gehen ggf. ein zweites Mal in die Tatsacheninstanz, da man ja die Revision abgeschafft hat.

Und: Abschaffung des Rechtsmittels der Revision? Ja, das war und ist immer wieder im Gespräch. Aber, wenn ich mich richtig erinnere, doch nicht so, sondern in der Form eines Wahlrechtsmittels, wie wir es bereits in § 55 JGG kennen. Im Übrigen: Der BGH als Berufungsgericht? Man wird sich bei den fünf (!) Strafsenaten sicherlich freuen, wenn man dort dann demnächst „Berufungen“ durchführen kann/muss. Auch das wird ungemein zur Beschleunigung beitragen.

Der Gesetzesentwurf ist zur Beratung an die Ausschüsse verwiesen worden. Was dort passieren wird, liegt m.E. auf der Hand und hat sich am vergangenen Freitag auch bereits abgezeichnet: Der Antrag wird abgelehnt werden. Gut so, finde ich. Oder, um mit Rainer Barzel zu sprechen: „So nicht“.

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