An sich will ich zu gebührenrechtlichen Fragen ja nur noch im Rahmen des freitäglichen RVG-Rätsels posten, aber: Keine Regel ohne Ausnahme. Und eine Ausnahme mache ich immer dann, wenn ich eine entweder „sehr schöne“ oder eine „weniger schöne“ gebührenrechtliche Entscheidung gefunden habe bzw. mit einem gebührenrechtlichen Problem befasst bin, das aus der „Reihe fällt“. Und ein solches hat ein Kollege gleich an Neujahr 2015 an mich herangetragen.
Ich zitiere dann aus der Mail, die ich leicht anonymisiert habe:
„Sehr geehrter Herr Burhoff,
ich habe dieses Jahr beim Schwurgericht in K. verteidigt. Am ersten Sitzungstag habe ich vor Beginn der Sitzung einen Ablehnungsantrag gegen die Berufsrichter der Kammer auf der Geschäftsstelle abgegeben. Um 09.00 Uhr erschien sodann die Kammer im Sitzungsaal. Alle setzten sich hin und der Vorsitzende teilte mit, dass ein Befangenheitsantrag auf der Geschäftsstelle abgegeben wurde und heute nicht verhandelt werden könne. Die Sitzung wurde unterbrochen.
Das Verfahren ist mittlerweile in erster Instanz jedenfalls abgeschlossen. Man kann sagen, dass ich sehr „aktiv“ verteidigt habe, was manche Gerichte als Konfliktverteidigung bezeichnen. Die Quittung habe ich jetzt im Kostenfestsetzungsverfahren bekommen. Die Rechtspflegerin verweigert mir sowohl die Fahrtkosten (B. – K.) als auch die Terminsgebühr. Denn es habe ja gar kein Termin stattgefunden wegen meines Antrags und ich hätte diesen „geplatzten Termin“ zu vertreten. Die Verteidiger der Mitangeklagten und der Vertreter der Nebenklage erhalten übrigens die Terminsgebühr! So werde ich quasi für meine „Konfliktverteidigung“ abgestraft! Das heißt eigentlich, dass ich das nächste Mal,wenn ein Mandant mich beauftragt, ein Ablehnungsgesuch vor Beginn des 1. Sitzungstages anzubringen, ablehnen muss, um nicht die Terminsgebühr aufs Spiel zu setzen. Ich würde gerne Ihre Meinung dazu einholen.“
Als ich das gelesen hatte, war ich gleich am ersten Tag des neuen Jahres nicht mehr friedvoll gestimmt. Ich frage mich bei solchen oder ähnlichen Mails/Fragen immer, ob es eigentlich Fortbildungen unter dem Titel gibt: „Kreatives Gebührenrecht – wie kürze ich erfolgreich Verteidigergebühren“. Denn um nichts anderes geht es hier. Und der Kollege hat Recht, wenn er meint, dass er von der Rechtspflegerin (!!!) abgestraft wird für seinen Ablehnungsantrag.
Dass die Entscheidung nicht richtig ist, liegt m.E. auf der Hand. In Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG heißt es: „…. die er nicht zu vertreten hat …“. Und da stellt sich dann die ganz einfache Frage: Hat der Kollege den „geplatzten Termin“ wirklich zu vertreten = verschuldet? Oder: Will man bzw. kann man ihm den Ablehnungsantrag i.S. eines Verschulden „vorwerfen“? Wohl kaum, oder?
Zudem stellt sich die Frage, ob für die Terminsgebühr überhaupt Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG bemüht werden muss. Denn ist ein Termin „geplatzt“? Nein, denn es hat ja der Hauptverhandlungstermin stattgefunden, die Hauptverhandlung ist dann aber nach kurzer Zeit unterbrochen worden. Das reicht für das Entstehen der „normalen“ Terminsgebühr aus.
Mich machen solche Nachrichten ärgerlich. Und ich habe dem Kollegen geraten, auf jeden Fall Erinnerung einzulegen. Mal sehen, was die Kammer macht. Ob sie es genauso sieht, wie die Rechtspflegerin. Ich hoffe mal nicht.