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Schläge ins Gesicht, oder: Das Cutter-Messer als gefährliches Werkzeug?

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Author: Hedwig Storch

Im BGH, Beschl. v. 28.06.2018 – 1 StR 171/18 – nimmt der BGH u.a. zur Frage der gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB Stellung und verneint deren Vorliegen, denn:

„a) Die zugehörigen Feststellungen belegen nicht die Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; BGH aaO Rn. 17 mwN). Eine solche Eignung des vom Angeklagten in der Hand gehaltenen Cutter-Messers nach dessen konkreter Verwendung lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte der geschädigten Zeugin D. zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines einheitlichen Geschehens in einem Kraftfahrzeug zahlreiche Schläge mit der flachen Hand oder dem Handrücken in das Gesicht. Bei einem dieser Schläge hat er ein ansonsten als Drohmittel verwendetes Cutter-Messer in der Hand gehalten, so dass es zu einer Verletzung am Augenlid der Zeugin gekommen ist (UA S. 15).

Dem kann ein Einsatz des Messers als Stich- oder Schnittwerkzeug nicht entnommen werden, was regelmäßig die erforderliche Eignung begründen würde. Auch lassen weder die Feststellungen noch die sonstigen Urteilsgründe erkennen, dass der Angeklagte das Cutter-Messer bei Ausführung des Schlages in der Hand gehalten hat, um die Schlagwirkung lediglich eines einzelnen von insgesamt wenigstens 20 Schlägen (UA S. 15) zu verstärken. Die Verletzungsfolge wird als Kratzer am rechten Augenlid beschrieben. Daraus kann daher nicht auf die erforderliche Eignung der konkreten Verletzungshandlung, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, geschlossen werden. Den Darlegungen des Landgerichts zur „Beweisaufnahme“ und zur Beweiswürdigung zu dieser Tat lassen sich ebenfalls keine weitergehenden Umstände entnehmen, die die Eignung des fraglichen konkreten Schlages zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen begründen könnten.“

Tavor im Kaffee, oder: Schwere Vergewaltigung?

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Fotograf: Christian „VisualBeo“ Horvat

Und zum Tagesschluss dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 07.03.2018 – 5 StR 652/17. Das LG hatte den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der BGH ändert den Schludspruch, da es sich nicht um eine „schwere“ Vergewaltigung gehandelt hat, und hebt den Strafausspruch auf:

1. Der Schuldspruch wegen „schwerer“ Vergewaltigung hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts betäubte der Angeklagte die Nebenklägerin am 25. Dezember 2016 während eines gemeinsamen Kaffeetrinkens durch Beimischung einer beträchtlichen Menge des Medikaments Tavor (Wirkstoff Lorazepam) in ihren Kaffee, um ungestört ihr Smartphone daraufhin kontrollieren zu können, wo sie Silvester verbringe. Die Nebenklägerin verfiel in einen schwer bewusstseinsgetrübten Zustand bis hin zur Bewusstlosigkeit, der bis zum Folgetag andauerte. Der Angeklagte entschloss sich nun, unter Ausnutzung der geschaffenen Situation auch sexuelle Handlungen an der widerstandsunfähigen Nebenklägerin durchzuführen. Er fertigte eine Reihe von Bildaufnahmen unter anderem von ihrem unbekleideten Geschlechtsteil und vollzog den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.

b) In Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts ergeben diese Feststellungen weder den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand nach § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB noch einen anderen Qualifikationstatbestand gemäß § 177 Abs. 7 oder 8 StGB. Dabei kann offenbleiben, ob das insoweit allein in Betracht kommende narkotisierende Medikament als „Werkzeug oder Mittel“ im Sinne von § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB oder als „gefährliches Werkzeug“ nach § 177 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB gelten könnte (vgl. zum „gefährlichen Werkzeug“ BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 473/08, NStZ 2009, 505; krit. LK StGB/Hörnle, 12. Aufl., § 177 Rn. 271). Denn der Angeklagte fasste den Vergewaltigungsvorsatz erst, nachdem er die Nebenklägerin bereits betäubt hatte. Damit fehlt es sowohl an der in § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB bezeichneten Absicht als auch am Merkmal des Verwendens bei der Tat im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB. Aus demselben Grund scheidet § 177 Abs. 7 Nr. 3 StGB aus. Den Urteilsgründen kann ferner nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Medikament als Täter einer Vergewaltigung, mithin bei der Tat, bei sich führte (§ 177 Abs. 7 Nr. 1, 2 StGB).“

 

Der Seitenschneider in der Hosentasche, oder: Ist er ein „gefährliches Werkzeug“

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© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Heute werde ich dann drei landgerichtliche Entscheidungen vorstellen, und zwar „quer Beet“. Ich eröffne mit dem LG Nürnberg, Beschl. v. 11.12.2107 – 16 KLs 412 Js 64048/17, der in einem Verfahren mit dem Vorwurf u.a. der schweren räuberischen Erpressung ergangen ist. Das übliche Muster: Diebstahl(sversuch) in einem Drogeriemarkt. Der Angeschuldigte flüchtet und soll von Angestellten festgehatlten werden. Dagegen dann sein Widerstand. Und weil der Angeschuldigtein seiner Hosentasche „zugriffsbereit einen Seitenschneider mit sich“ führte, soll es dann ein Fall des § 250 Abs. 1 Nr. 1a, 252, StGB sein. Das LG macht daraus aber nur einen Fall gemäß §§ 249 Abs. 1, 252 StGB. Der Seitenschneider sei nicht in jedem Fall Fall ein gefährliches Werkzeug i. S. des § 250 Abs.1 Nr.1a StGB.

„…… Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „anderes gefährliches Werkzeug” i.S. der §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 2 Nr. 1a StGB muss somit allein auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden (BGH, NJW 2008, 2861).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei dem von dem Angeklagten mitgeführten  – und möglicherweise zur Entfernung der Sicherungs- und Preisetiketten benutzten – Seitenschneider nicht um einen, nach seiner Beschaffenheit objektiv gefährlichen Gegenstand.

a) Der vom Angeklagten mitgeführte Seitenschneider ist als Gebrauchsgegenstand nicht von vornherein zur Verwendung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel bestimmt und daher keine Waffe im Sinne der genannten Vorschrift. Auch aus seiner bloßen Werkzeugeigenschaft ergibt sich nicht, dass er zur Herbeiführung erheblicher Körperverletzungen objektiv geeignet wäre. Denn Seitenschneider werden bestimmungsgemäß – anders als etwa ein (Taschen-)Messer – nicht zum Stechen eingesetzt und auch nicht als Schlagwerkzeug (wie etwa ein Hammer oder Fäustel) gebraucht. Vielmehr dienen sie regelmäßig zum Durchtrennen von (zwischen die Kneifflächen gelegten) Metalldrähten oder Werkstücken geringerer Dicke sowie auch oftmals von Warensicherungen. Ob der Seitenschneider darüber hinaus geeignet ist, als Stich-, Schneid- oder Schlagwerkzeug gegen eine Person eingesetzt zu werden und dabei erhebliche Verletzungen herbeizuführen, ist Frage seiner konkreten Beschaffenheit.

b) Der vorliegend beim Angeklagten sichergestellte Seitenschneider (Bl. 48, 135-137) wurde von der Kammer sowohl anhand der Lichtbilder als auch durch Beiziehung des Assverats in Augenschein genommen. Er besitzt eine Gesamtlänge von 13 cm und wiegt ca. 180 Gramm. Er ist in der Bauform des aufgelegten Gewerbes ausgestaltet, d.h. die Zangenschenkel sind übereinandergelegt und – hier recht locker – mit einem Gelenkbolzen verbunden. Er verfügt über zwei, im geschlossenen Zustand elipsenartig zulaufende, 2,5 cm lange Zangenenden, die an den Innenseiten jeweils ca. 1,7 cm lange Schneidkanten aufweisen, die jedoch zahlreiche Einkerbungen besitzen. In geöffnetem Zustand bildet jedes der beiden Enden eine gerade Spitze und die Spannweite beträgt am weitesten Punkt ca. 2 cm, welche sich zum Gelenkbolzen hin auf knapp 1 cm verkleinert. Aufgrund einer zwischen beiden Zangenschenkeln locker angebrachten Feder befindet sich der Seitenschneider grundsätzlich im geöffneten Zustand und bedarf zur Schneidbewegung eines Zusammendrückens der beiden Zangenschenkel.

Dass dieser Seitenschneider dadurch objektiv geeignet wäre erhebliche Verletzungen eines Menschen herbeizuführen, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Eignung des Seitenschneiders bei einem Einsatz als Schlagwerkzeug, etwa durch Beeinträchtigung auch innerer Organe durch die Einwirkung stumpfer Gewalt, kann schon aufgrund seiner Größe und seines Gewichts sowie seiner Unhandlichkeit ausgeschlossen werden. Auch ist er bei Verwendung als Schneidwerkzeug aufgrund der kleinen, stumpfen Schneidkanten hierzu nicht geeignet. Ebensowenig kann objektiv eine entsprechende Eignung des Seitenschneiders als Stichwerkzeug angenommen werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zangenenden durchaus spitz sind, allerdings nur soweit sich die Zange in geöffnetem Zustand befindet. In diesem Zustand erscheint jedoch aufgrund der lockeren Verbindung der beiden Zangenschenkel und dem damit verbundenen Schlingern ein Zustechen nur schwer möglich.

Infolgedessen ist der im konkreten Fall mitgeführte Seitenschneider nicht gefährlich im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB.“

Klassiker III: Schwerer Raub, oder: Von dem Kuhfuß hätte man besser die Finger gelassen

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Und der Klassiker III betrifft noch einmal den (schweren) Raub (vgl. auch Klassiker II: Die Bande, aber: Nicht bei zwei Raubüberfällen in sches Jahren). Im BGH, Beschl. v. 05.10.2016 – 3 StR 328/16 – ging es um eine Verurteilung nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB – Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs. Die Problematik lag beim Beisichführen. Der BGH meint dazu:

„Das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB erfordert nicht, dass der Tatbeteiligte es nach Eintritt in das Versuchsstadium in der Hand hält oder am Körper trägt. Ausreichend kann sein, wenn das Werkzeug sich in Griffweite des Beteiligten befindet oder er sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1989 – 1 StR 564/89, BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 Beisichführen 2; Beschluss vom 26. November 2013 – 3 StR 261/13, NStZ-RR 2014, 110; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 244 Rn. 27 mwN). Dies allein genügt allerdings nicht: Findet der Beteiligte den Gegenstand lediglich am Tatort vor und lässt ihn unangetastet, liegt kein Beisichführen vor (vgl. SK-StGB/Hoyer, 47. Lfg., § 244 Rn. 20; NK-StGB-Kindhäuser, 4. Aufl., § 244 – 3 –  Rn. 18; BeckOK StGB/Wittig, § 244 Rn. 10). Anderenfalls würde die tatbestandsmäßige Handlung zu einer bloßen Wahrnehmung, einem Internum ohne hierauf bezogenes äußeres Verhalten (vgl. Walter, NStZ 2004, 623, 624). Wenn sich das gefährliche Werkzeug nur in räumlicher Nähe des Beteiligten befindet, ist für eine Strafbarkeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB daher – neben dem Bewusstsein, das Werkzeug funktionsbereit zur Verfügung zu haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. September 2002 – 5 StR 117/02, NStZ-RR 2003, 12, 13; vom 12. Juli 2005 – 4 StR 170/05, NStZ-RR 2005, 340; vom 26. November 2013 – 3 StR 261/13, aaO) – zusätzlich erforderlich, dass der Beteiligte es zum Tatort mitgebracht hat oder es zu irgendeinem Zeitpunkt bis zur Tatbeendigung noch ergreift.

So verhält es sich hier. Der mittäterschaftlich handelnde Mitangeklagte O. hatte den Kuhfuß mit Kenntnis des Angeklagten in den Eingangsbereich der Kelleretage, zum Ort des späteren Raubgeschehens, verbracht.“

Von dem Kuhfuß hätte man besser die Finger gelassen.

Der Elektroschocker ist ein gefährliches Werkzeug, aber „funkionsfähig“ muss er sein

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Das LG verurteilt den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung, Dagegen die Revision, die – zumindest – zu einer Änderung des Schuldspruchs führt. Der BGH beanstandet im BGH, Beschl. v. 18.06.2015 – 4 StR 122/15 – die Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Die hatte das LG darauf gestützt, dass eine Mitangeklagte während der Tatausführung ein Elektroschockgerät in der Hand gehalten hatte. Das allein reicht dem BGH nicht:

„Zwar kommt das Elektroschockgerät, das die Mitangeklagte M. mit Billigung des Angeklagten und des Mitangeklagten E. während der Tat- ausführung in der Hand hielt, grundsätzlich als anderes gefährliches Werkzeug im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 – 3 StR 345/03, NStZ-RR 2004, 169 für die entsprechende Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Ungeachtet möglicher Unterschiede bei den Anforderungen an die Gefährlichkeit des jeweiligen Werkzeuges in § 250 Abs. 1 StGB einerseits und § 250 Abs. 2 StGB andererseits (Nachw. bei SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 250 Rn. 20 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 250 Rn. 6a) setzt die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB jedenfalls die Funktionsfähigkeit des Elektroschockgerätes voraus. Dazu hat die Strafkammer indes keine Feststellungen getroffen.“

Da weitere Feststellungen zur Funktionsfähigkeit nach Auffassung des BGH nicht zu erwarten waren, hat der BGH selbst entschieden. Er hat aber nur den Schuldspruch geändert. Er konnte (mal wieder) ausschließen, dass die gegen die Angeklagten verhängten Strafen bei zutreffender tateinheitlicher Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung niedriger ausgefallen wären.

Anmerkung: Verlinkt ist hier heute mal nach open.jur. Auf der Homepage des BGH steht der Beschluss nicht mehr bzw. führt dort der Link ins Nirwana .