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Verkehrsrecht I: Noch einmal gefährlicher Eingriff, oder: Noch einmal Steinewerferfall

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Heute stelle ich dann mal wieder verkehrsrechtliche Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 30.08.2022 – 4 StR 215/22, der noch einmal zu den erforderlichen Feststellungen in einem sog. Steinewerferfall Stellung nimmt. Was das LG Berlin da in einem Sicherungsverfahren festgestellt hatte, hat dem BGH nicht genügt:

„Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die rechtliche Würdigung der Anlasstaten durch das Landgericht ist teilweise rechtsfehlerhaft. Nach den Urteilsfeststellungen warf die Beschuldigte in fünf Fällen jeweils einen Stein gezielt auf fahrende Kraftfahrzeuge, um diese zu beschädigen. In vier dieser Fälle trafen die Steine die Fahrzeuge und beschädigten sie teils erheblich. In einem der Fälle gelangte der Stein durch ein geöffnetes Fahrzeugfenster in das Wageninnere und verfehlte nur knapp den Kopf des Fahrers. Das Landgericht hat diese Fälle rechtlich jeweils als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§ 303 StGB) – wobei es in einem Fall jeweils beim Versuch blieb – gewertet. Die Annahme gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr wird von den Feststellungen indes nicht getragen.

Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt den Eintritt einer verkehrsspezifischen Gefahr und – bei vorsätzlicher Begehung – einen hierauf gerichteten (natürlichen) Tatvorsatz voraus. Erforderlich ist daher in objektiver Hinsicht, dass die eingetretene konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn eine der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21, NStZ 2022, 298, 299; Beschluss vom 15. März 2017 – 4 StR 53/17 Rn. 5 mwN). Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB kann aber auch erfüllt sein, wenn die Tathandlung – wie jedenfalls in den Vollendungsfällen hier – unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. In diesem Fall ist eine verkehrsspezifische Gefahr aber nur zu bejahen, wenn der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht (grundlegend BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124; vgl. ferner BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21, NStZ 2022, 298, 299; Beschluss vom 14. September 2021 – 4 StR 21/21 Rn. 6, je mwN). Die vom Landgericht festgestellten Steinwürfe der Beschuldigten erfüllen diese Anforderungen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, nicht. Denn den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass der (beabsichtigte) Schadenseintritt auf die für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen war.“

Darauf muss man erst mal kommen: Der (Zug)Anhalter

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Heute ist „Vatertag“ bzw. – je nachdem, wie man es sehen will „Christi Himmelfahrt“, jedenfalls bundesweiter Feiertag, der sicherlich in vielen Büros zu einer „kurzen Woche“ geführt hat. Heute und morgen ist also nicht „so viel los“ wie sonst. Daher will ich heute auch aus dem „Kessel Buntes“ schöpfen mit einigen Meldungen, die mir in der letzten Woche untergekommen sind und die in die Abteilung kurios gehören.

Zunächst: Der Anhalter, der sich in Wilhelmshaven auf die Gleise gestellt hat und in einem Zug der Nordwest-Bahn mitgenommen werden wollte. Über den ist ja auch an verschiedenen Stellen in der Tagespresse berichtet worden (vgl. z.B. hier bei Focus.de).

Der „Anhalter“ hatte auf freier Strecke einen Zug der Nordwest-Bahn zum Halten gezwungen, indem er sich auf die Gleise gestellt hat, um als Anhalter mitgenommen zu werden. Weiter heißt es dann bei Focus.de: Der Lokführer hielt von der Idee nichts – daraufhin wurde das Verhalten des „Trampers“ noch seltsamer…….

Als dieser das verweigerte und den blonden, mit weißem Hemd und schwarzer Hose bekleideten Mann aufforderte, sofort die Gleise zu verlassen, nahm dieser einen Stein und schleuderte ihn gegen den Zug. Dann flüchtete er. Fahrgäste seien nicht verletzt worden, teilte der Polizeisprecher mit.“

Spontan fällt mir dazu dann der § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein, ohne das jetzt allerdings näher geprüft zu haben

Endlich mal wieder was zum Verkehrsstrafrecht: Der „Rammer“ im Straßenverkehr bzw. die „Rambofahrt“

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Im Moment ist m.E. verkehrsstrafrechtliche Flaute, d.h. es werden kaum verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen veröffentlicht. Da ist dann der BGH, Beschl. v. 18.06.2013 – 4 StR 145/13 – ein Lichtblick, auch wenn er nichts wesentlich Neues bringt. Es geht um die alt bekannte und vom BGH schon vielfach behandelte Problematik des Umfangs der Feststellungen, die das Tatgericht bei einer Verurteilung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 StGB) treffen muss. Entschieden worden ist ein „Rammerfall“: Auf einer Verfolgungsfahrt wird der Pkw des Geschädigten zweimal vom Pkw des Angeklagten von hinten gerammt. Einmal war der Anstoß immerhin so stark, dass sich der Beifahrer im Pkw des Geschädigten, der sich nicht angeschnallt hatte, mit den Händen am Armaturenbrett abstützen musste, um nicht gegen die Windschutzscheibe geschleudert zu werden. Bei dem anderen Anstoß wurde der Pkw des Geschädigten im Bereich der Fahrertür beschädigt. Schließlich hat sich der Angeklagte mit seinem Pkw so vor den des Geschädigten gesetzt, dass der aufgefahren ist.

Der BGH hat die Verurteilung wegen der „Rambofahrt“ aufgehoben, weil

  1. weil über die abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausgehende konkrete Gefährdung nicht hinreichend belegt sei. Die Strafkammer habe zwar festgestellt, dass der nicht angeschnallte Beifahrer sich infolge des Anstoßes von hinten mit den Händen am Armaturenbrett abstützen musste, um nicht gegen die Windschutzscheibe geschleudert zu werden. Diese Feststellung würdemjedoch in einem nicht ohne weiteres auflösbaren Widerspruch zu der Wertung des LG im Rahmen der rechtlichen Würdigung stehen, wonach der Angeklagte das Fahrzeug des Geschädigten „zumindest einmal leicht von hinten“ gerammt habe. Nähere Feststellungen zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der verschiedenen Kollisionen und der jeweiligen Intensität der Anstöße zwischen den beteiligten Fahrzeugen habe die Strafkammer nicht getroffen. Auch das Schadensbildi erlaube keinen sicheren Schluss auf eine konkrete Leibesgefahr. Schließlich sei den Urteilsausführungen ein drohender, die Wertgrenze von 750 € erreichender Sachschaden ebenfalls nicht zu entnehmen.
  2. sich aus den Feststellungen nicht der zumindest bedingte Schädigungsvorsatz des Angeklagten erheben habe, also nicht erkennbar sei, dass das Fahrzeug etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht worden sei.

Wie gesagt: Alles schon mal, und zwar mehrfach, gelesen. Das „Verkehrsgeschehen“ (?) ist aber schon beachtlich.

Scheppermannfälle – gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

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Man mag schon bald gar nicht mehr darauf hinweisen, auf die Rechtsprechung bzw. die Entscheidungen des BGH zu § 315b StGB. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht auf der HP des BGH eine Entscheidung des i.d.R. zuständigen 4. Strafsenats veröffentlicht wird. Und meist mit einem (Teil)Erfolg, weil der BGH irgendwo das „berühmte Haar in der Suppe“ gefunden hat, dass dann zur Aufhebung bzw. Einstellung oder zur Verurteilung wegen Versuches führt. Meist hapert es nämlich an einer der vom BGH immer wieder entschiedenen Fragen: Entweder ist kein Beinaheunfall festgestellt (vgl. dazu u.a. BGH VRR 2011, 309 = DAR 2011, 398 = StRR 2011, 422; VRR 2011, 388 = StV 2012, 217; VA 2012, 100 = VRR 2012, 226; Beschl. v. 16.04.2012 – 4 StR 45/12) oder es reichen die Ausführungen zur konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen nicht (vgl. dazu u.a. BGH NStZ-RR 2012, 186) oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert (vgl. BGH StraFo 2008, 343 = VRR 2008, 312 = StRR 2008, 353 = DAR 2008, 487 = VA 2008, 143; VRR 2011, 309 = DAR 2011, 398 = StRR 2011, 422). Im Grunde kann sich manchmal der Verteidiger aussuchen, welchen Fehler er mit der Sachrüge geltend machen will.

So jetzt auch wieder im BGH, Beschl. v. 25.04.2012 – 4 StR 667/11. Da waren es die Feststellungen zur konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen bzw. für eine Sache von bedeutendem Wert. Ergebnis für den Scheppemannfall: Nur Versuch des § 315b StGB.