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Die Frage: minder schwerer Fall, ja oder nein? hat bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) für die Strafzumessung erhebliche Bedeutung. Zwar ist das Tatgericht in der Beurteilung der Strafzumessungserwägungen verhältnismäßig frei – „ureigene Aufgabe des Tatrichters“ – bei Rechtsfehlern kann und darf das Revisionsgericht aber eingreifen. Das musste sich jetzt eine Strafkammer des LG Detmold vom OLG Hamm sagen lassen. Das LG hatte einen minder schweren Fall angenommen, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bestanden zwischen dem Angeklagten und dem späteren Geschädigten T schon seit einiger Zeit Streitigkeiten und Spannungen, weil T ein (Liebes-)Verhältnis mit der Freundin des Bruders des Angeklagten unterhielt. Am 17. April 2012 trafen der Angeklagte und T vor dessen Wohnung, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb, in dem der Angeklagte als Lager- und Versandarbeiter tätig ist, befindet, zusammen. Der Angeklagte sprach T, der gerade aus seinem Pkw ausgestiegen war, an, und es entwickelte sich eine heftige Diskussion, in deren Verlauf der Angeklagte T aufforderte, er solle innerhalb von vier Wochen aus seiner Wohnung ausziehen, anderenfalls werde er, der Angeklagte, ihn „totschlagen“. Nachdem es in der Folge dieser verbalen Auseinandersetzung noch zu einer „Rangelei“ zwischen dem Angeklagten und T gekommen war, begab sich T zunächst in das Haus, in dem sich seine Wohnung befindet. Er ärgerte sich jedoch über das Verhalten des Angeklagten und begab sich wieder nach draußen. Dort erklärte er dem Angeklagten, dieser habe ihm, T, nichts zu sagen und könne ihn „am Arsch lecken“. Der Angeklagte nahm daraufhin einen Holzbalken (Kantholz) von einer in der Nähe stehenden Palette und schlug mit diesem Holzstück mindestens zweimal gegen das Gesicht des T. T gelang es, den ersten Schlag abzuwehren. Der zweite Schlag traf ihn indes im Bereich des linken Ohres. T konnte den Angeklagten danach packen, woraufhin beide Kontrahenten zu Boden gingen. Als Folge des – zweiten – Schlages blutete das linke Ohr des T, er erlitt zudem eine Schädelprellung mit einer hämatösen Prellmarke.
Das OLG Hamm hat das – wohl zu Recht – anders gesehen und kommt im OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2013 – 3 RVs 27/13 – zur Aufhebung, denn:
Gemessen an diesem Maßstab, begegnet die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung durch das Landgericht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bereits nach dem Gesamtbild der Tat liegt die Annahme, dass der vorliegende Fall sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so zu Gunsten des Angeklagten abhebt, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint, eher fern. Die Ausführungen des Landgerichts lassen überdies besorgen, dass die Strafkammer bei der Abwägung einseitig nur (vermeintlich) zugunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte berücksichtigt hat. In mehrfacher Hinsicht fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit gegen den Angeklagten sprechenden Aspekten. Die Erwägung der Strafkammer, die Tat habe sich aus der Situation heraus ergeben und sei darauf zurückzuführen, dass der Geschädigte T nach der ursprünglichen Auseinandersetzung noch einmal zu dem Angeklagten gegangen sei und diesen angesprochen habe, lässt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen Ausgangspunkt des gesamten Tatgeschehens ein provozierendes Verhalten des Angeklagten war und die der gefährlichen Körperverletzung unmittelbar vorausgehende Ansprache des Angeklagten durch den Geschädigten eine nachvollziehbare – wenn auch in der Wortwahl sicher teilweise unsachliche – Reaktion auf die vorangegangenen Aggressionen des Angeklagten darstellte. Von einer Tatprovokation durch den Geschädigten – hierauf will das Landgericht vermutlich hinaus – kann vor diesem Hintergrund kaum die Rede sein. Warum der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der gefährlichen Körperverletzung keinen Nötigungsvorsatz (mehr) hatte, die Körperverletzungstat also nicht zugleich – tateinheitlich – noch einen weiteren Straftatbestand erfüllte, zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles geeignet sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einer blutenden Wunde und einer Schädelprellung handelt es sich auch keineswegs nur um geringfügige Verletzungen. Die Strafkammer setzt sich auch nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass es letztlich nur den Abwehrbewegungen des Geschädigten zu verdanken sein dürfte, dass es trotz der erheblichen konkreten Gefährlichkeit der von dem Angeklagten ausgeführten Schläge nicht zu noch schlimmeren Verletzungen gekommen ist. Es ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar – wenn nicht sogar widersprüchlich -, dass das Landgericht einerseits zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles auf die nach seiner Ansicht geringfügigen Verletzungsfolgen hinweist, andererseits aber insbesondere im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB der konkreten Gefährlichkeit der Schläge ein ganz besonderes Gewicht beimisst.