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OVG Münster: Ende des EU-Führerscheintourismus durch die 3. Führerscheinrichtlinie

Das OVG Münster teilt in einer PM gerade mit:

„Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 20. Januar 2010 über einen neuen Aspekt des Dauerthemas „EU?Führerscheintourismus“ entschie­den. In dem Verfahren um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes griff ein Antrag­steller aus Paderborn die Feststellung des Landrats des Kreises Paderborn (An­tragsgegner) an, dass seine in Polen erteilte Fahrerlaubnis der Klasse B nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige. Auf der Grundlage der neuen 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäi­schen Parlaments und des Rates) vom 20. Dezember 2006 hat der 16. Senat die Auffassung des Antragsgegners bestätigt.

Dem 1964 geborenen Antragsteller hatte das Amtsgericht Paderborn im Jahr 2004 die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Im Jahr darauf wurde er erneut auffällig, diesmal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Ohne jemals versucht zu haben, in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben, was eine erfolgreiche medizinisch-psychologische Untersuchung vorausgesetzt hätte, erwarb der Antragsteller Ende Januar 2009 unter Vermittlung einer sich als „Marktführer für Polen“ bezeichnenden Agentur in S?ubice/Polen eine EU?Fahrerlaubnis. Nachdem dies dem Antragsgegner im Februar 2009 bekannt ge­worden war, richtete er über das Kraftfahrt?Bundesamt eine Anfrage an die polnische Ausstellungsbehörde. Darin wies er darauf hin, dass der Antragsteller durchgängig in Paderborn gemeldet gewesen sei und dass es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Sache des Ausstellerstaates sei, bei einem erkennbaren Verstoß gegen das im europäischen Führerscheinrecht verankerte Wohnsitzerfordernis die geeig­neten Maßnahmen zu ergreifen. Die Anfrage blieb ohne Reaktion aus Polen. Darauf­hin erließ der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 30. März 2009 die vom Antragsteller angegriffene Feststellung über dessen fehlende Berechtigung, im Bun­desgebiet von seiner polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Den zusam­men mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschie­benden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Minden ab. Die dagegen vom An­tragsteller erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die unter der Geltung der 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) vom EuGH aufgestellten einengenden Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung aus­ländischer Fahrerlaubnisse in der Bundesrepublik Deutschland in Fällen einer vor­maligen Entziehung einer Fahrerlaubnis im Heimatstaat und des Fortbestehens der seinerzeit zutage getretenen Eignungsbedenken seien nach dem Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie am 19. Januar 2009 nicht mehr einschlä­gig. Insbesondere komme es jetzt nicht mehr auf einen aus Verlautbarungen des Ausstellerstaates hervorgehenden Nachweis eines Verstoßes gegen das europa­rechtliche Wohnsitzerfordernis beim Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis an. Das folge zum einen aus den nunmehr zwingenden Verboten der 3. Führerschein­richtlinie, nach vorheriger Entziehung einer Fahrerlaubnis in einem anderen EU?Staat eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen bzw. eine gleichwohl erteilte Fahrerlaubnis an­zuerkennen. Zum anderen hätten die an der 3. Führerscheinrichtlinie beteiligten eu­ropäischen Gremien während des Normsetzungsverfahrens deutlich gemacht, dass es ihnen um eine wirkungsvolle Unterbindung des die Sicherheit des Straßenver­kehrs gefährdenden Führerscheintourismus gehe.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren steht allerdings noch aus.“

Mal sehen, wie es weitergeht. Die Fragen werden uns sicherlich noch eine Zeit lang beschäftigen.

Beschl. v. 22.01.2010, 16 B 814/09

Führerscheintourismus, ade

Ab dem 19.01.2009 ausgestellte ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnisse werden künftig in Deutschland nicht mehr anerkannt, wenn ihren Inhabern zuvor in Deutschland die Fahrerlaubnis wegen schwerer Verkehrsdelikte entzogen wurde. Denn heute ist die Neuregelung der Fahrerlaubnis-Verordnung in Kraft getreten, die den bisher bestehenden Grundsatz der ausnahmslosen gegenseitigen Anerkennung der von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheine zu Gunsten einer besseren Bekämpfung des Führerscheintourismus einschränkt. Ein Scheinwohnsitz hilft also nicht mehr.

Nächste Runde im Marathon „ausländische Fahrerlaubnis“/Führerscheintourismus

Das Netz für die Erwerber ausländischer Fahrerlaubnisse wird dichter. Jetzt hat das OVG Münster in einem Beschluss vom 14.01.2009 (16 B 1610/08) einer in Polen erworbenen Fahrerlaubnis die Anerkennung versagt, weil der eingetragene Wohnsitz in Polen nur ein Scheinwohnsitz gewesen sei. Der EuGH hatte bisher nur die Fälle entschieden, in denen ein deutscher Wohnsitz eingetragen war (vgl. z.B. die Urteile vom 26.06.2008 in Wiedemann und Funk; s. dazu VRR 2008, 295). Aber die Tendenz war schon in der Rechtsprechung des EuGH erkennbar – siehe die neueren Entscheidungen Mögginger und Weber. Und auch beim BVerwG fährt der Zug in eine andere Richtung (vgl. die Urt. v. 11.12.2008, BVerwG 3 C.07 und 3 C 38.07). Also wird man sich m.E. darauf einzustellen haben, dass uns einerseits die Fragen sicherlich noch länger beschäftigen werden, aber es andererseits auch immer schwerer werden wird, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis zu erlangen bzw. diese zu behalten.