Schlagwort-Archive: Fahrtkosten

Wenn der Verteidiger den Mandanten in den Zug setzt, oder: Fahrtkosten?

© Alex White _Fotolia.com

© Alex White _Fotolia.com

Der Kollege Breu hat mir gestern den LG Dresden, Beschl. v. 25.07.2016 – 6 II StVK 609/15 – übersandt mit dem Bemerken, dass sein Thematik wohl besser in mein Blog passe als in das Blog des Kollegen. Nun ja, der Beschluss behandelt eine kostenrechtliche Frage und die ist hier vielleicht wirklich ganz gut – ich sage nicht „besser“ – aufgehoben. Es geht um die Erstattung von Fahrtkosten. Der Kollege hat einen ausländischen Mandanten im Strafvollstreckungsverfahren vertreten, dort war er als Pflichtverteidiger beigeordnet (das OLG hat eine Pauschgebühr nach § 51 RVG) gewährt. Nun ging es noch um Fahrtkosten, und zwar für 1.004 nach Verfahrensabschluss gefahrene Kilometer. Das LG hat die Fahrtkosten als notwendige Auslagen i.S. des § 46 RVG, Nr. 7003 VV RVG angesehen und erstattet:

Der Verteidiger berechnet Fahrtkosten für 1004 gefahrene Kilometer (301,20 EUR) sowie ein Abwesenheitsgeld von 70,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer, wobei die Hinreise über Berlin, die Rückreise über Leipzig/Braunschweig erfolgte. Nach Darlegung des Verteidigers wäre diese Route so auch ohne den „Zusatzdienst“, den Mandanten in den richtigen Zug zu setzen, gewählt worden.

Die Staatskasse tritt der Kostenerstattung entgegen, es hätte keinerlei Veranlassung (mehr) bestanden, den Mandanten nach der verfahrensabschließenden OLG-Entscheidung vom 21.08.2015 persönlich aufzusuchen. Die Entlassung selbst wäre vom OLG und der JVA in die Wege geleitet worden.

Die Anwaltsreisekosten waren als notwendige Aufwendungen im Rahmen des Pflichtverteidigermandats zu erstatten. Es handelte sich um den einzigen abgerechneten Mandantenbesuch während des gesamten, nicht ganz einfachen Verfahrens. Zugegeben könnte argumentiert werden: wenn die Verteidigung die ganze Zeit schriftlich/fernmündlich zu bewältigen war, warum dann nach gutem Ausgang der persönliche Kontakt? Dies ist jedoch nicht der Punkt. Jedem Betroffenen ist mindestens ein persönlicher Kontakt mit dem Anwalt zuzugestehen. Dies ist im Zivilrecht anerkannt und gilt im Strafrecht umso mehr. Wenn die Ausreisebegleitung im engeren Sinne tatsächlich nicht zu den Verteidigeraufgaben gehört, so doch die Verfahrensnachbereitung, Belehrung und Besprechung der Rechtsfolgen – und im vorliegenden Fall – der Risiken des weiteren Verfahrensverlaufs. Wie dies erfolgt, muss im Ermessen des Anwalts bleiben, ob schriftlich, fernmündlich oder wie hier persönlich. Auch weil es nicht der 10. kostenintensive, sondern augenscheinlich der einzige persönliche Kontakt war, verbietet sich jede kleinliche Betrachtung und Frage nach der zwingenden Notwendigkeit der Reise. Es handelte sich um eine mögliche und nicht gänzlich sinnfreie Form des Verfahrensabschlusses, mit der der Verteidiger sein Ermessen zur Mandatsausübung nicht überschritten hat.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Haben Fahrtzeiten Auswirkungen bei der Pauschgebühr?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

Hier dann die Lösung zu der Frage, die keine Frage war, nämlich zu Ich habe da mal eine Frage: Haben Fahrtzeiten Auswirkungen bei der Pauschgebühr? Zur Lösung verweise ich auf den BGH, Beschl. v. 01.06.2015 – 4 StR 267/11. Ergangen ist er in einem beim BGH anhängigen Revisionsverfahren. Da war der aus Dortmund stammende Verteidiger durch Verfügung des Vorsitzenden des 4. Strafsenats des BGH als Verteidiger für die Hauptverhandlung vor dem BGH bestellt worden. Gegenstand des Verfahrens war eine Revision der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hat an der Revisionshauptverhandlung vom 11.08.2011 teilgenommen. Diese dauerte von 9.15 Uhr bis 10.10 Uhr. In der Zeit von 9.40 Uhr bis 10.00 Uhr war die Sitzung unterbrochen. Der Rechtsanwalt hat dann später beantragt, ihm für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins gem. § 51 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen, weil für ihn ein zweitägiger Aufwand erforderlich gewesen sei, um den Termin wahrnehmen zu können. Das gesetzliche Abwesenheitsgeld reiche für eine Abgeltung nicht aus. Der Antrag hatte keinen Erfolg. Dazu der BGH:

„…..Entscheidend ist, ob die konkrete Straf-sache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwändige-re, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hin-gegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen/persönlichen Umständen hat (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August 2010 – 1 AR 2/09, Rn. 18 zitiert nach juris; OLG Hamm, NStZ 2007, 343).

b) Gemessen daran erscheinen dem Senat die gesetzlichen Gebühren als angemessen und ausreichend. Die rechtlich nicht schwierige Strafsache hatte keinen besonderen Umfang. Dass die Wahrnehmung des Hauptverhand-lungstermins für den Verteidiger mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war, ändert daran nichts. Sie beruht auf in seiner Person liegenden Umständen und wird durch den Anspruch auf Erstattung der entstandenen Fahrt- und Übernachtungskosten sowie auf Zahlung eines Tages- und Abwesenheitsgel-des ausgeglichen (Nr. 7003 ff. VV zu § 2 Abs. 2 RVG), der von dem Verteidiger offensichtlich auch geltend gemacht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2002 – 4 StR 225/00 zu § 99 BRAGO; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. Dezember 2014 – 2 AR 36/14, Rn. 42 zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August 2010 – 1 AR 2/09, Rn. 18 zitiert nach juris; OLG Hamm, NStZ 2007, 343; Kroiß in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 51 Rn. 23 Stichwort Reisekosten; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 51 Rn. 99). Dass die Nichtberücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Anreise zum Gerichtsort bei der Bemessung des Umfangs der Sache nach § 51 RVG zu einer Überschreitung der von Verfassungs wegen zu beachtenden Zumutbarkeitsgrenze führt, ist weder dargetan noch ersichtlich (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1264, 1265).“

Dazu: Nach dem ersten Überfliegen des BGH-Beschlusses war ich erstaunt. Allerdings nicht über den BGH und dass er erneut/schon wieder, was m.E. unzutreffend ist, verlangt, dass für die Bewilligung einer Pauschgebühr die anwaltliche Mühewaltung „sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben“ müsse (vgl. dazu und zur Kritik an dieser Auffassung BGH StRR 2014, 198 = RVGreport 2014, 269). Nein, eher über den Verteidiger, der in einem Verfahren, in dem die Revisionshauptverhandlung netto 35 Minuten gedauert hat, eine Pauschgebühr beantragt hat. Dass das keinen Erfolg haben würde, dürfte m.E. auf der Hand gelegen haben. Der Antrag lässt sich, wenn überhaupt, nur mit den vom Verteidiger angeführten erheblichen Fahrt-/Abwesenheitszeiten rechtfertigen. Aber auch insoweit ist offenbar die h.M. in der Frage übersehen worden. Die geht nämlich dahin, dass Fahrtzeiten, wenn überhaupt, im Pauschgebührenverfahren erst dann Berücksichtigung finden, wenn aus anderen Gründen eine Pauschgebühr zu bewilligen war (vgl. zum Meinungsstand Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2015, § 51 Rn. 134 f.; der BGH zitiert leider nur die 3. Aufl. 2012). Das war hier aber mit Sicherheit nicht der Fall, so dass der BGH die weitere Frage, ob die Fahrzeiten ggf. aber bei der Bemessung einer an sich zu gewährenden Pauschgebühr herangezogen werden können (vgl. dazu u.a. OLG, a.a.O.; weitere Nachw. bei Burhoff/Burhoff, RVG, 4. Aufl. § 51 Rn. 135).

Alles in allem mein Rat/Hinweis: Vielleicht sollte man doch vor einem Pauschgebührenantrag einen Blick in die einschlägige Rechtsprechung werden. Denn schnell gilt bei solchen Verfahren wie diesen der Satz: Bad case makes bad law. Das ist in meinen Augen hier gerade noch einmal gut gegangen.