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Keine Akteneinsicht, kein Fahrtenbuch, oder: Spätfolgen einer verweigerten Akteneinsicht

© Spencer - Fotolia.com

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Aus welchen Gründen das Landratsamt Sigmaringen in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung keine Akteneinsicht gewährt hat, lässt sich dem VG Sigmaringen, Beschl. v. 01.09.2015 – 5 K 2765/15 – nicht entnehmen. Aber: Die nicht gewährte Akteneinsicht hat dann „Spätfolgen“ beim VG, als es um die Frage der Zulässigkeit einer Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) – für 32 Fahrzuege des Halters – geht, das das Landratsamt dann angeordnet hat. Nach dem Verkehrsverstoß hatte in dem Bußgeldverfahren der verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt werden können. Der (spätere) Prozessbevollmächtigte hatte aber um Akteneinsicht gebeten, um das Messfoto in Augenschein nehmen zu können. Akteneinsicht wurde jedoch nicht gewährt. Und das hat dann dem Landratsamt „auf die Butterseite geschlagen“. Das VG sagt: Ermittlungsdefizit beim Landratsamt.

„Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze kann das Gericht eine mangelnde Mitwirkung der Antragstellerin nicht erkennen; vielmehr liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit vor. Nachdem der Antragstellerin mit Schreiben vom 05.12.2014 (Behördenakte S. 8) der Zeugenfragebogen zugesandt wurde, legitimierte sich am 17.12.2014 der Prozessbevollmächtigte für die Antragstellerin und beantragte Akteneinsicht (Behördenakte S. 6) – ersichtlich, um insbesondere das erwähnte Messfoto in Augenschein zu nehmen. Im Zeugenfragebogen ist als Beweismittel ein Foto genannt. In dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 17.12.2014 heißt es ausdrücklich: „Mit den jetzt vorgelegten Unterlagen ist eine Zuordnung nicht möglich. Das Fahrzeug wird von verschiedenen Personen geführt.“ Allein aus dieser Aussage konnte nicht auf einen fehlenden Willen zur Mitwirkung seitens der Antragstellerin geschlossen werden. Unabhängig von einem Recht auf Akteneinsicht oblag es dem Landratsamt, das Foto zu übermitteln. Das Gericht sieht hier einen wesentlichen Verfahrensmangel, der dazu führt, dass die Unaufklärbarkeit des Verkehrsverstoßes maßgeblich in die Sphäre des Landratsamtes Reutlingen fällt. Es hätte zumindest das Messfoto übersandt werden können. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Antragstellerin oder deren Prozessbevollmächtigten das Foto nicht hätte übermittelt werden können. Die weiteren Ermittlungen wären dann vom weiteren Verhalten der Antragstellerin abhängig gewesen.

Auf eine fehlende Mitwirkung kann auch nicht aus dem Vermerk des PHM X vom 24.01.2015 geschlossen werden. Die Antragstellerin hat im Telefonat mit diesem darauf verwiesen, dass sie bereits einen Rechtsbeistand in dieser Sache beauftragt hatte. Sie durfte daher auch die Kommunikation mit der Polizei über den Rechtsbeistand führen. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte auch PHM X gegenüber wiederholt, dass noch Beweismittel eingesehen werden wollten.

An keiner Stelle der Behördenakte findet sich ein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin eine Kooperation ausdrücklich verweigert hat. Die Bitte um Akteneinsicht lässt eher auf das Gegenteil schließen.

Vorliegend kann daher aus dem Verhalten der Antragstellerin nicht geschlossen werden, dass sie zu einer Mitwirkung an der Täterfeststellung unter keinen Umständen bereit war. Statt entweder die Akteneinsicht zu gewähren oder das Messfoto zu übermitteln, reagierte das Landratsamt Reutlingen in der Folge gar nicht. Es findet sich nur ein interner Aktenvermerk, wonach eine Akteneinsicht nicht zu gewähren sei. Es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin bei Kenntnis des Fotos Einfluss auf ihre Aussagebereitschaft gehabt hätte und sie sachdienliche Angaben zur Täterfeststellung gemacht hätte (vgl. Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 03.08.1993 – 1 BA 17/93 -).

Es oblag auch nicht dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mehrmals nachzufragen, ob und wann Akteneinsicht gewährt werden würde. Insbesondere durfte der Prozessbevollmächtigte nach seinem Schreiben vom 17.12.2014 und dem Anruf bei PHM X am 14.01.2015, währenddessen er nochmals um das Foto bat, auf eine Reaktion seitens der Behörde warten und musste nicht von sich aus noch ein weiteres Mal auf das Landratsamt zugehen.“

Ungeliebtes Fahrtenbuch, ja, aber nicht auch Internetrecherche

laptop-2Das Fahrtenbuch bzw. die Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) ist unbeliebt. Das gilt vor allem auch bei Firmen, wenn das Führen eines Fahrtenbuchs für ein von der Firma gehaltenes Fahrzeug angeordnet wird. Das zeigt sich mal wieder deutlich in dem dem VGH Bayern, Beschl. v. 16.04.2015 – 11 ZB 15.171 – zugrunde liegenden Verfahren. Da hatte sich die klagende GmbH gegen eine Fahrtenbuchauflage für ein Firmenfahrzeug gewendet und geltend gemacht, die Verwaltungsbehörde hätte zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrers Internetrecherchen anstellen müssen. Das sei bei juristischen Personen zumutbar und auch Erfolg versprechend und hätte deshalb schon zu einem Zeitpunkt hätten erfolgen können und müssen, an dem eine fehlende Mitwirkung der Klägerin noch gar nicht absehbar gewesen sei.

Der VGH sieht das anders:

„…. Hier hat der Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt, er könne die Person auf dem Bild nicht identifizieren. Gleichwohl hat er aber weder den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer eingegrenzt noch auf den Internetauftritt der Klägerin hingewiesen.

Darüber hinaus trifft einen Kaufmann nach § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB zwar aus der Buchführungspflicht nach dem Handelsgesetzbuch über die Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung“ keine unmittelbare Pflicht, Fahrtenbücher oder Einsatzpläne vorzuhalten. Jedoch entspricht es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, auch Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren (BayVGH, B.v. 14.5.2013 – 11 CS 13.606; B.v. 29.4.2008 – 11 CS 07.3429; B.v. 17.1.2013 – 11 ZB 12.2769 – jeweils […]). Es ist auch nicht Aufgabe der Ermittlungsbehörden, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht (vgl. VGH BW, B.v. 30.11.2010 – 10 S 1860/10NJW 2011, 628 m.w.N.). Die Polizei konnte hier deshalb davon ausgehen, dass bei der Klägerin Unterlagen vorhanden waren, die Aufschluss über die Person des Fahrers im Tatzeitpunkt geben konnten. Es war daher ausreichend, bei der Klägerin anzurufen und Auskunft aus diesen Unterlagen zu verlangen.

Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Ermittlungsbehörden Recherchen im Internet anstellen müssten, ohne einen Hinweis des Fahrzeughalters auf eine bestimmte Internetseite oder dem Vorliegen anderer Anhaltspunkte, dass eine solche Suche erfolgversprechend sein könnte. Denn zum einen verfügen nicht alle juristischen Personen über einen Internetauftritt. Zum anderen ist weder zu erwarten, dass in der Internetpräsenz Bilder aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt sind, die die Berechtigung besitzen, ein Firmenfahrzeug zu nutzen, noch könnte aus dem Internetauftritt abgeleitet werden, welcher Kreis der Beschäftigten zum Tatzeitpunkt als Fahrzeugführer in Betracht kommt. Es stellt deshalb keine zumutbare Ermittlungsmaßnahme dar, ohne weitere Anhaltspunkte im Internet zu recherchieren.“

Und auch hier die Verlinkung zu open.jur. Und auch hier dann jetzt der Link zur eigenen HP 🙂 .

Die eineiigen Zwillinge im Verkehrsrecht

entnommen openclipart.org

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Weltweit ist – so sagt es Wikidpedia – im Schnitt jede 40. Geburt eine Zwillingsgeburt. Die Verteilung der Geburtenraten eineiiger zu zweieiigen Zwillingen verändert sich nach Jahr und Region zwischen 1:4 bis 1:1. Entsprechend dieser Häufigkeit haben wir auch immer wieder, zwar nicht häufig, aber eben doch immer mal wieder im Verkehrs(straf)-/OWi-Recht mit (eineiigen) Zwillingen zu tun. Da gab es vor einiger Zeit den OLG Celle, Beschl. v. 31.o 8.2010 – 311 SsRs 54/10 (vgl. dazu Wir sind eineiige Brüder, oder ….). In dem Verfahren ging es um einen Beweisantrag zur  Frage des Fahrers eines Pkws mit der Behauptung: Mein Bruder ist gefahren und der ist eineiiger Zwillingsbruder und „gleicht mir wie ein Ei dem anderen“.

Um eineiige Zweillinge geht es auch im VG Düsseldorf, Urt. v. 16.07.2014 – 6 K 4161/13. Da war mit dem Pkw der Klägerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden. Von dem Verkehrsverstoß lag ein ein Lichtbild des Fahrers vor. Die Klägerin machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Von der Ermittlungsbehörde wurde dann mitgeteilt, dass es sich bei dem verantwortlichen Fahrzeugführer vermutlich um einen Sohn der Klägerin handele. Die OWi-Behörde forderte daraufhin Lichtbilder sowohl von ihm als auch von seinem eineiigen Zwillingsbruder an. Bei einer erneuten Befragung berief sich die Klägerin erneut auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Die Ermittlungen wurden eingestellt und gegen die Klägerin die Führung eines Fahrtenbuches angeordnet. Dagegen hat sie geklagt und hat – man ist, da die VG ja sonst sehr weitgehend alles absegnen, was die Verwaltungsbehörden nicht getan haben, erstaunt  – Erfolg. Dem VG haben bei der Sachlage die Aktivitäten der Verwaltungsbehörde dann doch nicht gereicht:

Ungeachtet dessen hat die OWi-Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend Rechnung getragen. Sie hat nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den Täter zu ermitteln.

Nach Aktenlage lag nach Abgleich der Passbilder mit dem Fahrerfoto für die OWi-Behörde Anfang Januar 2013 und damit ein Monat vor Ablauf der Verjährungsfrist auf der Hand, dass einer der Söhne der Klägerin das Fahrzeug geführt und den Verkehrsverstoß begangen haben musste. Wäre die Klägerin ihren Halterpflichten nachgekommen, hätte sie der OWi-Behörde auch keine weitergehenden Angaben zum Kreis der möglichen Fahrer machen können, als der OWi-Behörde ohnehin zur Verfügung stand; nämlich dass einer ihrer beiden Zwillingssöhne der Fahrer war. Da die OWi-Behörde diese Information bereits besaß, war die Berufung der Klägerin auf ihr Schweigerecht nicht mehr kausal für die Nichtermittelbarkeit des Fahrers. Die OWi-Behörde hätte gegen die Zwillingssöhne ermitteln müssen, gleichviel ob diese wegen der Halterangabe oder durch sonstige Ermittlungen in den Täterkreis gerückt waren. Der OWi-Behörde stand im Januar 2013 auch noch ausreichend Zeit zur Verfügung, um diesem erfolgsversprechenden Ermittlungsansatz vor Eintritt der Verfolgungsverjährung (vgl. § 26 Abs. 3 Alt. 1 StVG) nachzugehen.

Es hätte an dieser Stelle zunächst nahe gelegen und wäre auch ohne großen Aufwand möglich gewesen, die Söhne persönlich anzuhören. Von einer solchen Anhörung hat die OWi-Behörde aber – anders als in dem von dem Beklagten zitierten Fall, welchem dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 17. Januar 2013 (2 K 1957/12) zu Grunde lag – aus nicht näher dargelegten Gründen abgesehen. Dabei erschien eine solche Anhörung auch nicht völlig aussichtslos. Denn es ist nicht von vornherein anzunehmen, dass sich die Söhne der Klägerin nicht zum Tatvorwurf geäußert hätten.

Da unbekannt geblieben ist, wie die Zwillingssöhne sich eingelassen hätten, lässt sich nicht sagen, dass weitere Bemühungen zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers allein deshalb erfolglos gewesen wären, weil es sich bei den Verdächtigen um eineiige Zwillinge handelte. Es ist nicht zwingend auszuschließen, dass der Fahrer sich zu erkennen gegeben hätte.

Für die Zukunft gilt: Sollten die Ermittlungen zu einem Verkehrsverstoß ergeben, dass als Täter ein eineiiger Zwilling in Betracht kommt, und kann aufgrund des ähnlichen äußeren Erscheinungsbildes nicht allein mit Hilfe des Fahrerfotos festgestellt werden, welcher Zwilling gefahren ist, sind die Zwillinge zu dem Verkehrsverstoß anzuhören. Ist auch nach Anhörung der Zwillinge die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers unmöglich, kann die OWi-Behörde ihre Ermittlungen ohne Weiteres einstellen und der Beklagte eine Fahrtenbuchauflage erlassen.“

Fahrtenbuch 18 Monate nach der Tat, aber: Was habe ich mit Personalmangel bei der Behörde zu tun?eht das?

Der Kläger in dem dem OVG Niedersachsen, Urt. v. 23.01.2014 – 12 LB 19/13 – zugrunde liegenden Verfahren ist Halter eine Motorrads, mit dem am 21.07.2009 eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen worden ist. Das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wird am 19.10. 2009 eingestellt. Nach Anhörung erteilt die Verwaltungsbehörden dem Kläger dann (erst)  mit Bescheid vom 04.04.2011 die Auflage, ein Fahrtenbuch für die Dauer von 18 Monaten zu führen.

Die Frage, die der Kläger dann beim OVG Niedersachsen u.a. zum Spruch stellt: Geht das noch oder ist das nicht zu spät? Das OVG sagt: Geht noch:

Anders als der Kläger meint, hat der zwischen dem Verkehrsverstoß und der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum nicht die Rechtswidrigkeit der Fahrtenbuchauflage zur Folge. Zwar ist denkbar, dass für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 -, zfs 1992, 286) und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen ist. Welche Fristen hierfür in Erwägung zu ziehen sind, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei sind etwa die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der betroffenen Behörde und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 -, zfs 1992, 286, […] Rdn. 3). Da bei der Berechnung des Zeitraums diejenigen Zeiten außer Acht bleiben, in denen der Fahrzeughalter etwa die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft und dadurch selbst Anlass zu einer Verzögerung des Erlasses der Fahrtenbuchauflage bietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1995 – 11 C 3.94 -, NZV 1995, 370, […] Rdn. 9; Beschl. v. 12.7.1995 – 11 B 18.95 -, NJW 1995, 3402, […] Rdn. 3; Beschl. d. Sen. v. 14.1.2013 – 12 LA 299/11 -, m.w.N.), ist entgegen der Annahme des Klägers hier maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen. Die zwischen der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (19. Oktober 2009) und Erlass des angefochtenen Bescheids (4. April 2011) verstrichene Zeit von knapp 18 Monaten, kann (noch) nicht als derart erheblich angesehen werden, dass sich schon deswegen die erlassene Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig darstellte (vgl. etwa Beschl. d. Sen. v. 14.1.2013 – 12 LA 299/11 -, der ebenfalls einen Zeitraum von ca. 18 Monaten zwischen Verfahrenseinstellung und Fahrtenbuchauflage betraf; Beschl. v. 23.8.2013 -12 LA 156/12 – gut 16 Monate). Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrtenbuchanordnung zwischenzeitlich funktionslos geworden sein oder eine Verwirkung vorliegen könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auf die Frage, ob ein Organisationsverschulden vorliegt, kommt es nicht weiter an. Unabhängig davon dürfte ein solches auch nicht festzustellen sein. Der Senat sieht keinen Anlass an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu der besonderen personellen Situation in seiner Straßenverkehrsbehörde in 2010 und 2011 zu zweifeln, die zu einer atypischen Geschäftsbelastung des einzig verbliebenen Sachbearbeiters geführt hat. In einer solchen Lage kann es für eine gewisse Übergangszeit hinnehmbar sein, dass es zu längeren Zeiträumen zwischen dem Verkehrsverstoß bzw. der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und dem Ergehen der Fahrtenbuchauflage kommt. In dieser Übergangszeit wird – entgegen der Annahme des Klägers – regelmäßig nicht von einem beachtlichen behördlichen Organisationsverschulden auszugehen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei Fahrtenbuchangelegenheiten nicht um fristgebundene Sachen handelt, die von vornherein besondere organisatorische Vorkehrungen bedingen. Auf die Frage der Ausgestaltung der Vertretung kommt es dabei ebenfalls nicht an.

Na ja, ist mir ein wenig lang. Kann doch nicht das Problem des Klägers sein, wenn die Straßenverkehrsbehörde nicht genug Leute hat.

Fahrtenbuch: Der Fahrer aus Brasilien

© a_korn - Fotolia.com

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Fahrtenbuchfragen spielen in der Praxis immer wieder ein Rolle, vor allem wohl deshalb weil das Führen eines Fahrtenbuches nach § 31a StVZO lästig ist. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung der OVG hier auch verhältnismäßig streng ist. Das musste sich jetzt wieder ein Fahrzeughalter vom OVG Nordrhein-Westfalen im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.11.2013 – 8 B 1129/13  – „bescheinigen“ lassen. Er hatte als Fahrer zum Vorfallszeitpunkt eine im Ausland, nämlich in Brasilien, wohnende Person angegeben und dann nicht asureichende Ermittlungen der Verwaltungsbehörde geltend gemacht. Dazu dann das OVG:

Folglich ist die Bußgeldbehörde insbesondere dann, wenn der Halter eine Person mit Wohnsitz im Ausland als Fahrer angibt, nicht verpflichtet, alle weiteren Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar gegen diese Person zu richten. Vielmehr kann sie sich nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeiten, die mit Ermittlungen im Ausland verbunden sind, zur Plausibilisierung der Angaben des Halters zunächst an diesen oder an andere Personen wenden oder, sofern sie einen nicht offensichtlich unbegründeten Verdacht gegen eine andere Person hegt, erst diesem nachgehen.

Im vorliegenden Fall hat die Bußgeldbehörde in mehrere Richtungen ermittelt. Einerseits hat sie ausweislich des Verwaltungsvorgangs (Bl. 20) die von der Klägerin mit Schreiben vom 22.März 2013 benannte Person unter der angegebenen Adresse in Brasilien angeschrieben. Andererseits wollte die Antragsgegnerin den Verdacht ausräumen, einer der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin habe den der Anordnung der streitgegenständlichen Fahrtenbuchauflage zugrunde liegenden Verkehrsverstoß begangen. Dieser Verdacht war ausweislich der in den Akten enthaltenen Lichtbildaufnahmen und der Gesamtumstände des Falls keineswegs unbegründet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin im Schriftsatz vom 31.Oktober 2013 kann also keine Rede davon sein, die Antragsgegnerin habe in die falsche Richtung ermittelt.

Um ihren Verdacht auszuräumen, haben Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes der Antragsgegnerin die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorgangs insgesamt sechsmal aufgesucht, davon viermal nach Erhalt des Schreibens vom 22.März 2013. Diese hat, obwohl ihr die umfangreichen Bemühungen des Ermittlungsdiensts über ihre Angestellten bekannt waren, nichts weiter zur Aufklärung beigetragen. Bei dieser Sachlage durfte die Behörde unter Berücksichtigung eines sachgerechten und rationellen Einsatzes der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen von weiteren Ermittlungen absehen.