In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 02.04.2020 – 1 StR 28/20 – geht es auch um die Anwendung von Jugend- bzw. Erwachsenenrecht. Und das gepaart mit einem Dauerbrenner, nämlich der Frage nach dem Umfang der Urteilsgründe, wenn die Verurteilung auf einem Sachverständigengutachten beruht. Das LG ist bei seiner Verurteilung vom Erwachsenenrecht ausgegangen. Dem BGH reicht die Begründung nicht aus:
„1. Der Rechtsfolgenausspruch bezüglich der Verurteilung des Angeklagten I. hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn das Land- gericht hat nicht rechtsfehlerfrei dargelegt, dass dieser Angeklagte im Tatzeitraum von Februar 2018 bis August 2018 bereits Erwachsener und nicht mehr Heranwachsender war.
a) Das Tatgericht hat in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, grundsätzlich dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Ergebnisse nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 – 3 StR 433/19 Rn. 20; Beschlüsse vom 19. Dezember 2019 – 4 StR 496/19 Rn. 4; vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19 Rn. 5 und vom 24. Januar 2019 – 1 StR 564/18 Rn. 7). Nur wenn dem Gutachten ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrundeliegt, wie dies etwa bei daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung des Wirkstoffgehalts von Betäubungsmitteln der Fall ist, genügt das Mitteilen des erzielten Ergebnisses (BGH aaO).
b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Es hat lediglich das Ergebnis des rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens mitgeteilt, wonach der Angeklagte bei Begehung der Taten „wahrscheinlich über 25,03 Jahre gewesen sei“ (UA S. 40). Weder die Anknüpfungstatsachen hierfür noch die angewandte wissenschaftliche Methode (denkbar etwa eine körperliche Untersuchung, Röntgenaufnahme des Gebisses oder der linken Hand sowie Untersuchung der Schlüsselbeine) werden dargestellt. Vielmehr wird eine zusätzliche Unklarheit dadurch geschaffen, dass „statistisch“ zum Untersuchungszeitpunkt am 15. April 2019 „ein Alter von 21,6 Jahren“ nicht auszuschließen sei. Ist aber der Heranwachsendenstatus eines Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat nicht sicher auszuschließen, so ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, dass er bei Begehung der Tat noch Heranwachsender war (BGH, Urteile vom 23. Mai 2002 – 3 StR 58/02 Rn. 8, BGHSt 47, 311, 313 und vom 23. Februar 1954 – 1 StR 723/53, BGHSt 5, 366, 370).“