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Pflichti II: Bestellung wegen „Schwere der Tat“, oder: „Angedachte“ Einstellung ist ohne Bedeutung

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Stendal, Beschl. v. 01.10.2018 – 501 Qs (394 Js 6425/18) 62/18 , ist „schöner“ als der OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2018 – 2 Ws 698/18 (vgl. dazu Pflichti I: Auswechselung des Pflichtverteidigers, oder: Vertrauensverhältnis ist nicht erforderlich). Er ist schon etwas älter, der Kollege Funk aus Braunschweig hat ihn aber erst vor kurzem übersandt.

Das AG hatte die Bestellung des Kollegen abgelehnt. Anders das LG. Das ordnet wegen „Schwere der Tat“ bei:

„Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stendal vom 28 Mai 2018 erließ das Amtsgericht Gardelegen gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen eines am 07. Februar 2017 begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmittel. Als Rechtsfolge war eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 € vorgesehen.

Unter dem 06. April 2018 hatte die Staatsanwaltschaft Stendal gegen den Angeklagten unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung mit Waffen Anklage zum Landgericht Stendal erhoben. Die Hauptverhandlung in dieser Sache dauert an.

Gegen den ihm am 03. Juli 2018 zugestellten Strafbefehl hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 06. Juli 2018, beim Amtsgericht taggleich eingegangen, Einspruch erhoben und die Bestellung von Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger beantragt. Hierbei wies er auf das oben dargestellte Verfahren vor dem Landgericht Stendal hin.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Beiordnungsantrag zurückgewiesen, da die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO nicht vorlägen. Mit Verfügung vom 30. Juli 2018 hat das Amtsgericht den Angeklagten zu einer Einstellung nach § 154 StPO angehört. Eine Entscheidung hierüber ist nach Aktenlage bisher nicht ergangen.

Gegen den Beschluss vom 25. Juli 2018 hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 09 August 2018 Beschwerde erhoben und erneut auf das gesamtstrafenfähige Verfahren 501 KLs 6/18 vor dem Landgericht Stendal verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt

Die nach § 304 StPO statthafte und ansonsten zulässige Beschwerde des Angeklagten hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestellung als Pflichtverteidiger gern. § 140 Abs. 2 StPO waren vorliegend evident gegeben.

Nach § 140 Abs. 2 StPO ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen. wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage dies gebieten. Die Schwere der Tat beurteilt sich vor allem nach dem zu erwartenden Rechtsfolgenausspruch. Bei einer Straferwartung von einem Jahr ist hierbei regelmäßig ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Dies gilt auch dann, wenn diese Straferwartung nur aufgrund einer zu bildenden Gesamtstrafe erreicht wird (vgl. zusammenfassend Meyer-Goßner. Strafprozessordnung, 56 Auflage. § 140, Rdn. 23, m.w.N.).

Vorliegend gebietet die Schwere der Tat die Bestellung eines Pflichtverteidigers Die hier in Rede stehende Tat ist mit der Tat im Verfahren 501 KLs 6/18 gesamtstrafenfähig. Im dortigen Verfahren wird dem Angeklagten ein Verbrechen mit einer Mindeststrafe von 5 Jahren zur Last gelegt. Im Verurteilungsfalle ist es daher für die Prüfung der Pflichtverteidigerbestellung als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, dass die Gesamtstrafe über einem Jahr liegen dürfte, womit nach der oben dargestellten Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfüllt sind.

Unerheblich ist, dass es seitens des Amtsgerichts angedacht ist, das Verfahren nach § 154 StPO einzustellen. Eine solche Einstellung ist nach Aktenlage bisher nicht ausgesprochen worden, so dass zum jetzigen Zeitpunkt seitens des Angeklagten noch Verteidigungsbedarf besteht.“

Sicherlich im Hinblick auf die im Verfahren drohende Strafe ein Sonderfall, aber: Die Gesamtstrafe ist von Bedeutung. Und: Schön der Hinweis zur „angedachten Einstellung“.