Und die zweite Entscheidung der Woche betrifft ebenfalls eine Entscheidung, in der es um die Dauer der U-Haft geht. Es ist der BGH, Beschl. v. 05.10.2018 – StB 45/18. Ergangen in einem Haftbeschwerdeverfahren in einem beim OLG Stuttgart Verfahren. Gegenstand dieses Verfahrens und des Haftbefehls ist der Vorwurf, der heranwachsende Angeklagte habe sich in dem Zeitraum von Herbst 2012 bis zum Anfang des Jahres 2014 in Syrien in drei Fällen als Mitglied an der Organisation „Jabhat al-Nusra“ beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 und 12 VStGB) sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen der §§ 239a, 239b StGB zu begehen, und habe in zwei dieser Fälle tateinheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 KWKG, §§ 1, 105 JGG.
Das OLG verhandelt in der Sache seit dem 25.09.2017 begonnen. Mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 22.08.2018 hat der Angeklagte Beschwerde gegen den Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 12.06.2017 eingelegt und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Er beanstandet im Wesentlichen, dass die Hauptverhandlung nicht mit der erforderlichen Beschleunigung geführt worden sei. Während der insgesamt 49 Kalenderwochen bis zum 21.08. 2018 sei lediglich an 53 Tagen verhandelt worden, mithin nur an 1,08 Sitzungstagen pro Woche. Außerdem sei die Dauer der Hauptverhandlung an einzelnen Sitzungstagen zu kurz gewesen; die Verhandlungszeit pro Sitzungstag habe durchschnittlich etwa 350 Minuten betragen, wovon noch Unterbrechungszeiten aufgrund von Sitzungspausen abzuziehen seien. Überdies sei versäumt worden, eine etwa zweimonatige Unterbrechung der Hauptverhandlung infolge der Erkrankung einer erkennenden Richterin durch eine gestraffte Verhandlungsführung, insbesondere durch Anberaumung zusätzlicher Sitzungstage auszugleichen. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer geltend, dass inzwischen keine Fluchtgefahr mehr bestehe, weil auf ihn im Zweifel Jugendstrafrecht anzuwenden sei und im Falle seiner Verurteilung bereits jetzt eine zu vollstreckende Strafe von allenfalls noch wenigen Monaten verbliebe.
Der BGH hat das anders gesehen und die Haftbeschwerde verworfen:
„…. Das damit angesprochene Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn deren Fortdauer auf vermeidbaren Verfahrensverzögerungen beruht. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist – was auch der Beschwerdeführer im Ausgangspunkt zutreffend anführt – daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs notwendig. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn 39 ff.; BGH, aaO).
b) An diesen Anforderungen gemessen ist das Verfahren und insbesondere die Hauptverhandlung mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Anzahl der wöchentlichen Sitzungstage. Wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts ergibt, hat der Senatsvorsitzende bei der Terminierung von Anfang an eine straffe und effiziente Verhandlungsführung angestrebt, so dass das Gericht regelmäßig an zwei Tagen pro Woche (Montag und Mittwoch) verhandelt. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts lässt sich entnehmen, dass eine Terminierung auf mehr als zwei Tage pro Woche aufgrund der Besonderheiten, die sich aus dem Auslandsbezug des Verfahrens ergeben, nicht umsetzbar war. Im Hinblick auf die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Verhandlungstage haben das Oberlandesgericht und der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, dass der Zeitraum der Erkrankung einer erkennenden Richterin insoweit nicht berücksichtigt werden darf. Da zunächst nicht absehbar war, ob die Hauptverhandlung, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hatte (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), unter Mitwirkung der erkrankten Richterin fortgeführt werden konnte, war es mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters geboten, die Hauptverhandlung bis zum Ablauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Fristen zu unterbrechen, bevor der Verhinderungsfall festgestellt und der Ergänzungsrichter eintreten konnte (BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 163 ff.). Überdies hat – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat – die etwa einmonatige Unterbrechung der Hauptverhandlung während der Sommerferienzeit bei der Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Verhandlungstage außer Betracht zu bleiben (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2008 – 2 BvR 2652/07, juris Rn. 53), so dass sich bei zutreffender Berechnung ergibt, dass die Hauptverhandlung bislang durchschnittlich an deutlich mehr als einem Tag pro Woche durchgeführt worden ist.
Den eingehenden Ausführungen des Oberlandesgerichts lässt sich entnehmen, dass ein Ausgleich der etwa zweimonatigen Unterbrechung der Hauptverhandlung infolge der Erkrankung einer erkennenden Richterin durch Anberaumung von mehr als zwei Sitzungstagen pro Woche ungeachtet der sich aus dem Auslandsbezug des Verfahrens ergebenden Besonderheiten letztlich auch wegen Verhinderung der Verteidiger nicht möglich war.
Auch die durchschnittliche Dauer der Verhandlungstage gibt im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz keinen Anlass zu Beanstandungen. So lässt bereits die vom Beschwerdeführer berechnete durchschnittliche Verhandlungszeit pro Sitzungstag von etwa 350 Minuten nicht erkennen, dass das Oberlandesgericht die anberaumten Verhandlungstage nicht hinreichend ausgeschöpft habe. Überdies hat das Oberlandesgericht im Einzelnen dargelegt, dass sich die Unterbrechungen der Hauptverhandlung an den einzelnen Sitzungstagen im Rahmen des Üblichen hielten und insbesondere geboten waren, um den extrem belasteten Dolmetschern eine Erholungspause zu gewähren bzw. den Angeklagten einen Toilettengang zu ermöglichen. Letztlich resultierte die verhältnismäßig kurze Verhandlungsdauer an einzelnen Sitzungstagen den eingehenden Ausführungen des Oberlandesgerichts zufolge im Wesentlichen daraus, dass Zeugen früher als erwartet entlassen werden konnten. Auch dies ist, insbesondere bei schwierigen Umfangsverfahren, nicht ungewöhnlich und stößt unter dem Gesichtspunkt des Beschleunigungsgebots in Haftsachen auf keine durchgreifenden Bedenken.
Schließlich kam, wie das Oberlandesgericht und der Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegt haben, eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer zum Zwecke der Beschleunigung bislang nicht in Betracht.“