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StGB I: Billigung von Straftaten und Meinungsfreiheit, oder: „Bravo Putin“/“Z-Symbol“-Collage bei Facebook

Bild von Firmbee auf Pixabay

Und heute dann dreimal OLG zu StGB-Entscheidungen, und zwar etwas abseits vom Mainstream.

Ich starte mit dem BayObLG, Beschl. v. 26.01.2024 – 206 StRR 362/23 -zur Frage des Vorliegens des Delikts der „Billigung einer Straftat“ nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Kurz könnte man auch sagen: Der Ukraine-Krieg ist auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung angekommen.

AG und LG haben die Angeklagte wegen Billigung von Straftaten in zwei Fällen schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe verurteilt.Das LG hat dazu folgende Feststellungen getroffen:

„a) Die Angeklagte habe am 1. April 2022 in einer öffentlich einsehbaren Unterhaltung auf Facebook einen eigenen Beitrag, der „Bravo Putin“ gelautet habe, mit den folgenden Worten kommentiert: „[…] Krieg ist schrecklich, aber ohne dieser Krieg die Killerviren von Biolaboren und Ukrainien hätten schon 2 Kontinenten getötet. […]“. Die sprachlichen Mängel waren, da es sich um ein wörtliches Zitat handelt, ersichtlich bereits in der Äußerung der Angeklagten enthalten.

b) Am 9. Mai 2022 habe die Angeklagte auf ihrem öffentlich einsehbaren Facebook- Profil eine Abbildung in Form einer Fotocollage gepostet. Unter einer Abbildung Putins sei der Buchstabe „Z“, stilisiert in Form des orange-schwarzen „St.-Georgs-Bandes“, auf einer Flagge der russischen Föderation abgebildet. Neben weiteren Zeichen des russischen Staates seien im unteren Abschnitt der Collage auf einer in den weiß-blau-roten Nationalfarben gehaltenen Karte des russischen Staatsgebiets Soldaten mit einer Fahne der russischen Föderation abgebildet, die – mit Blick auf die Karte im Hintergrund – „westwärts“ marschieren würden.“

Dagegen die Revision der Angeklagten. Die GStA hatte Aufhebung und Zurückverweisung beantragt. Die Revision hatte Erfolg: Das BayObLH hat, da nach seiner Auffassung keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, aufgehoben und den Angeklagten frei gesprochen.

Ich stelle wegen des Umfangs der Begründung hier nicht die gesamten Beschlussgründe ein, sondern beschränke mich auf die Leitsätze des BayObLG, die lauten:

1. Allein die Wendung „Bravo Putin“ im Kontext einer Stellungnahme zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt ohne weitere eindeutige Anhaltspunkte nicht zu der Auslegung, es liege darin die Billigung einer Straftat gemäß §§ 140 Nr. 2, 138 Nr. 4 StGB i.V.m. § 13 VStGB. Die Wertung einer Äußerung als tatbestandsmäßige Billigung setzt deren sorgfältige Auslegung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG voraus. Ein Billigen ist nur dann anzunehmen, wenn die Äußerung für einen normalen Durchschnittsempfänger eindeutig eine die Straftat gutheißende Haltung erkennen lässt. In Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fehlt es daran, wenn Argumente für und wider den Krieg vorgebracht werden, ohne dass den ersteren unmissverständlich der Vorrang zukommt.

2. Ob die Verwendung des Buchstabens „Z“ die Billigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zum Ausdruck bringt, ist Frage des Einzelfalls. Anhand allgemeiner Auslegungsgrundsätze ist das Gutheißen eines Geschehens von dessen bloßer Beschreibung abzugrenzen. Auf die innere Gesinnung des Äußernden kommt es dabei nicht an. Eine Fotocollage, in die ein „Z“ in stilisierter und nicht besonders hervorgehobener Form eingefügt ist, ist nicht schon deshalb, weil sie bei einem durchschnittlichen Betrachter Assoziationen an den Krieg hervorruft, als dessen Billigung zu werten.

Ich hatte erst als Bild ein Bild von Putin bzw. das Z-Symbol nehmen wollen. Aber ich habe weder Zeit noch Lust auf lange Diskussionen bei Facebook oder Twitter, wenn ich den Beitrag dorthin teile. Daher nur das „Facebook-Bild“.

Billigung von Straftaten, oder: Freispruch für AfD-Funktionär

entnommen wikimedia.org
Fire. Picture by Giovanni Dall’Orto, july 2003.

Heute dann zunächst zwei Postings zu StGB-Vorschriften, mit denen man nicht täglich zu tun hat. Ich eröffne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.05.2017 – 2 Rv 9 Ss 177/17. Das OLG hat darin den Sprecher des Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis der Partei Alternative für Deutschland (AfD) vom Vorwurf der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) freigesprochen. Der hatte im Sommer 2015 für kurze Zeit auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis einen von FOCUS Online zurückgewiesenen Beitrag im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime eingestellt, der folgende Passage enthielt:

„Es einfach zu billig überall einen rechten Hintergrund zu vermuten, denn dann wäre die NPD längst in allen Parlamenten vertreten. Ist es nicht so, dass den Anwohner oder Bewohnern einer Kommune alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen und deshalb in Form von zivilen Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln? Dass dies im Osten häufiger passiert als im Westen ist auch klar: Die Ossis lassen sich nicht einfach mehr so hirnwasche wie die Wessis und sie akzeptieren diese Bevormundung durch Obrigkeiten nach der erfolgreichen Beseitigung des Unrechtsstaates DDR einfach nicht mehr tatenlos. Es verhält sich im Prinzip genauso wie mit den Atommüllendlagern im Westen – waren die Gegner auch Rechts?“

AG und LG hatten den Angeklagten deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach Auffassung des LG hatte der Angeklagte mit seinem bewusst gewählten Vergleich zwischen dem „Abfackeln“ von Flüchtlingsunterkünften im Osten und dem Widerstand der damaligen Atommüllendlagegegner im Westen, dem Begriff des zivilen Ungehorsams sowie mit seinem Unverständnis über die Ablehnung seines Beitrags durch FOCUS Online willentlich den Eindruck erweckt, dass es zu den in Form zivilen Ungehorsams verübten Brandanschlägen keine Alternative gebe und er diese Taten gutheiße.

Das OLG hat dann frei gesprochen und ist dieser Interpretation nicht gefolgt. Es verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach § 140 StGB als Meinungsäußerungsdelikt wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz – GG) restriktiv auszulegen ist. Ein Billigen setzt danach eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stellt. Das sei hier nicht der Fall (gewesen), Dazu führt das OLG u.a. aus:

(2) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht vollständig gerecht; denn innerhalb des vorliegend gegebenen Auslegungskorridors ist eine Deutung der Äußerung des Angeklagten mit straflosem Inhalt nicht ausgeschlossen.

(a) Zwar trifft es zu, dass der vom Angeklagten verfasste Text eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der – von ihm als dessen wesentlicher Hintergrund und Anlass bezeichneten und angeblich regelhaften – medialen Vermutung einer rechtsextremen Gesinnung als Tatmotiv für Brandanschläge auf (geplante) Flüchtlingsheime vermissen lässt. In diesem Zusammenhang wäre nämlich eine Erörterung zu erwarten gewesen, worin – jenseits einer fremdenfeindlichen Einstellung – das Motiv einer gerade in Form von Brandanschlägen, also der Begehung allgemeingefährlicher Verbrechen, ausgedrückten Ablehnung der Einrichtung von Flüchtlingsheimen im sozialen Nahbereich überhaupt denktheoretisch bestehen könnte.

(b) Jedoch lässt sich der Äußerung – gemessen an dem dargestellten Verständnishorizont – die ihr durch die Kammer beigemessene Bedeutung nicht entnehmen, dass die Brandanschläge darin sinngemäß als einzige und vom Angeklagten gutgeheißene Möglichkeit der Durchsetzung einer politischen Partizipation durch – nach der Ansicht des Angeklagten – betroffene Anwohner bezeichnet würden. Soweit die Kammer in diesem Zusammenhang das in der Äußerung des Angeklagten gebrauchte Adverb „alternativlos“ in den Bedeutungskontext von „vermeintlich alternativlosen Brandanschlägen“ zur Durchsetzung einer politischen Teilhabe stellt, ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Erklärung auch unter Heranziehung des Gesamtzusammenhangs des Texts gerade nicht. Vielmehr gebraucht der Angeklagte das bezeichnete Adverb lediglich in Bezug auf eine seitens der Täter angeblich vorliegende Bevormundung der Anwohner durch „Obrigkeiten“, indem diese ihnen „alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase“ setzten. Mithin wurde hierdurch (nur) zum Ausdruck gebracht, dass die staatlichen Entscheidungsträger den betroffenen Bürgern keine Alternativen zu Flüchtlingsunterkünften in deren Wohnumfeld offerierten.“