Und heute vor dem morgigen Gebührentag dann noch ein paar Entscheidungen zur Pflichtverteidigung (§§ 140 ff. StPO). Heute allerdings nichts zur rückwirkenden Bestellung. Es liegen mir zwar Entscheidungen vor, ich will aber zunächst noch ein wenig „sammeln“.
Ich beginne hier mit einer Entscheidung zu den Beiordnungsgründen. Sie kommt aus aus Bayern.
Es handelt sich um dem BayObLG, Beschl. v. 25.11.2021 – 202 StRR 132/21. Ergangen ist der Beschluss in einem BtM-Verfahren. Grundlage des Verfahrens ist – etwas vereinfacht – ein vom Angeklagtenim Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei in einer mit seinem Einverständnis ohne Verteidiger durchgeführten Beschuldigtenvernehmung eingeräumter Besitz von 10 Gramm Marihuana ein. Es wird Anklage zum AG erhoben. Am Schluss der Hauptverhandlung wiederholte der sein Geständnis aus dem Ermittlungsverfahren, das AG spricht ihn dennoch aus tatsächlichen Gründen frei.
Dagegen die Berufung der StA, die zur Verurteilung beim LG führt. In der Berufungshauptverhandlung hatte der Angeklagte das Geständnis aber nicht wiederholt, sondern stattdessen den Tatvorwurf pauschal bestritten. Die Berufungskammer hat ihre Überzeugung im Wesentlichen auf das im Ermittlungsverfahren und vor dem AG abgelegte Geständnis gestütztz. Dagegen dann die Revision. Mit der wird u.a. geltend gemacht, dass dem Angeklagten ür die Berufungshauptverhandlung kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei. Ohne Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung.
- Bei einem einfach gelagerten Schuldvorwurf, der sich auf ein Geständnis des Angeklagten gründet, scheidet ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen Schwierigkeit der Sachlage regelmäßig auch dann aus, wenn das Amtsgericht den Angeklagten ohne nachvollziehbare Begründung freispricht und die Staatsanwaltschaft sich hiergegen mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet.
- Eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers wegen Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich machen könnte, ist nicht gegeben, wenn der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hatte.
- Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass in der Berufungshauptverhandlung kein Verteidiger mitgewirkt hat, obwohl ein Fall der notwendigen Verteidigung wegen Schwierigkeit der Rechtslage nach § 140 Abs. 2 StPO vorgelegen habe, weil ein Verwertungsverbot nach § 252 StPO in Betracht komme, setzt jedenfalls in Fällen, in denen der Tatrichter von „spontan“ gemachten Angaben des zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen ausgeht, einen Vortrag voraus, aus dem sich die konkrete Aussagesituation ergibt.