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Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe

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Dem KG, Beschl. v. 22.10.2012 –  2 Ws 469/12 – 141 AR 536/12 -, den mir der Kollege, der ihn erstritten hat, zugesandt hat, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Gegen den Veruteilten war die Unterbringung angeordnet, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Verurteilte stand damit unter Führungsaufsicht. Dem Verurteilten waren u. a. die Weisungen, keinen Alkohol, keine illegalen Betäubungsmittel und keine Medikamente ohne ärztliche Verordnung einzunehmen, im ASB-Heim Wohnung zu nehmen und den ihm dort erteilten Anordnungen bezüglich des Rauchens Folge zu leisten. Gegen diese Weisungen hat der Verurteilte während der gesamten Bewährungszeit immer wieder gröblich und beharrlich verstoßen.  Die Strafkammer hat deshalb die bewilligte Strafaussetzung und die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung widerrufen. Dagegen das erfolgreiche Rechtsmittel des Verurteilten:

a)       Zwar hat der Beschwerdeführer gröblich und beharrlich gegen die Weisungen verstoßen, keinen Alkohol, keine illegalen Betäubungsmittel und keine Medikamente, die ihm nicht ärztlich verordnet worden sind, einzunehmen und den Anordnungen des Heimpersonals bezüglich des Rauchens Folge zu leisten.

b)       Der Bewährungswiderruf ist indes keine Strafe für den Weisungsverstoß (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 338; Senat, Beschluss vom 3. Februar 2009 – 2 Ws 644/08 -). Er dient nicht der Ahndung von Verfehlungen in der Bewährungszeit, sondern allein der Berichtigung der ursprünglichen Prognose (vgl. Senat, Beschluss vom 12. August 2011 – 2 Ws 273/11- m.w.N. sowie KG, Beschluss vom 9. Juli 2009 – 4 Ws 65/09 -). Maßgeblich ist deshalb, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten begründet ist (vgl. BVerfG a.a.O.; KG, Beschluss vom 5. Juli 1996 – 5 Ws 344/96 -). Das Widerrufsgericht hat deshalb eine erneute Prognose zu stellen, wobei konkrete und objektivierbare Anhaltspunkte dafür dargelegt werden müssen, dass und warum der Weisungsverstoß Anlass zu der Besorgnis gibt, der Beschwerdeführer werde weitere Straftaten begehen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Also: Bewährungswiderruf ist keine Strafe.

 

Weisung „an einer stationären Suchttherapie teilzunehmen…“ zu unbestimmt – kein Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung

Auflagen und Weisungen (§§ 56b, 56c StGB) müssen bestimmt genug sein. Ist das nicht der Fall, rechtfertigt der Verstoß gegen eine solche Weisung nicht den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung.

So das OLG Rostock, Beschl. v. 06.12.2011, I Ws 373/11, in dem es um die Weisung an den Verurteilten ging, „an einer stationären Suchttherapie teilzunehmen, solange dies von Seiten der behandelnden Therapeuten für erforderlich gehalten wird.“ Dazu das OLG:

„Die mit Beschluss vom 19.05.2011 unter Ziffer 4. a) getroffene Weisung genügt diesen Anforderungen nicht. Dort wurde dem Verurteilten aufgegeben, an einer stationären Suchttherapie teilzunehmen, solange dies von Seiten der behandelnden Therapeuten für erforderlich gehalten wird. Die Weisung, sich einer stationären Heilbehandlung zu unterziehen, ist mit Einwilligung des Verurteilten, welche hier zum Zeitpunkt der Anordnung vorlag, nach § 56c Abs. 3 StGB grundsätzlich zulässig. Aus den oben genannten grundsätzlichen Erwägungen zum Bestimmtheitsgrundsatz und weil es sich hier um eine Weisung handelt, die besonders schwerwiegend in die Lebensführung des Verurteilten eingreift, sind an die Bestimmtheit der Fassung der Weisung hohe Anforderungen zu stellen. Der Richter hat möglichst präzise zu bestimmen, welche Art von Heilbehandlung durchgeführt werden soll, in welcher Einrichtung sie zu erfolgen hat und innerhalb welchen Zeitraums die Behandlung zu erfolgen hat (vgl. zu ambulanten Maßnahmen: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 07.05.2003 – 3 Ws 528/03, NStZ-RR 2003, 199). Die Bestimmung des Zeitraums der Heilbehandlung kann keinesfalls den behandelnden Ärzten bzw. Therapeuten überlassen werden. Soweit eine Höchstdauer der Behandlung zum Zeitpunkt der Anordnung der Weisung noch nicht bestimmt werden kann, ist unter Angabe des klar zu bestimmenden Behandlungsziels die Weisung zunächst auf unbestimmte Zeit auszusprechen und ein Prüfungstermin festzulegen, an welchem der Richter nach § 56e StGB über den Fortbestand der Weisung zu entscheiden hat.

Interessant auch die weiteren Ausführungen des OLG: Weiterlesen

Vertrauensgrundsatz beim Bewährungswiderruf

Mit zwei für den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung interessanten Fragen befasst sich der OLG Celle, Beschl. v. 08.08.2011 – 2 Ws 191 u. 192/11, der zeigt, dass der Vertrauensgrundsatz auch im Strafvollstreckungsverfahren gilt. Die Leitsätze der insoweit für die Praxis ganz interessanten Entscheidung:

„War dem Tatrichter zum Zeitpunkt der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe nach § 460 StPO bereits bekannt, dass der Verurteilte zeitlich nach der Verhängung der zusammenzuführenden Strafen erneut straffällig geworden und deswegen bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, und setzt er die Vollstreckung der neu gebildete Gesamtfreiheitsstrafe gleichwohl zur Bewährung aus, so wird damit für den Verurteilten ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dieser verbietet einen anschließenden Widerruf dieser Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB jedenfalls aus denjenigen Gründen, die dem gesamtstrafenbildenden Gericht bei seiner Strafaussetzungsentscheidung bereits bekannt waren.

2. Ist in eine nach § 460 StPO gebildete Gesamtfreiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, eine Geldstrafe eingeflossen, die zum Zeitpunkt einer Nachtat im Sinne des § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB noch isoliert bestanden hat, so ist aus Sicht des Verurteilten auch hierdurch ein Vertrauenstatbestand dahingehend entstanden, diese Geldstrafe nicht infolge eines Widerrufs der Aussetzung der Vollstreckung der nachträglichen Gesamtstrafe als – nun – freiheitsentziehende Sanktion aufgrund dieser Nachtat verbüßen zu müssen.“