Und dann als zweite Entscheidung das AGH Berlin, Urt. v. 18.09.2024 – II AGH 14/23 – zur Frage, welche Formvorschriften im anwaltsgerichtlichen Verfahren gelten.
Das AnwG Berlin hat mit Urteil vom 05.07.2023 gegen einem Rechtsanwalt wegen schuldhaften Verstoßes gegen seine Berufspflichten, und zwar insbesondere, als Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen eines Verweises sowie einer Geldbuße in Höhe von 3.000,00 EUR verhängt. Dagegen hat der Rechtsanwalt mit per Fax übermitteltem Schriftsatz vom 09.05.2023 Berufung eingelegt. Die Berufung ist gemäß § 322 Absatz 1 StPO als unzulässig verworfen worden:
„II. Die Berufung ist gemäß § 322 Absatz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Denn sie entspricht nicht den Formerfordernissen des § 32d Satz 2 StPO in Verbindung mit § 116 Absatz 1 Satz 2 BRAO.
1. Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO, welcher gemäß § 116 Absatz 1 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren sinngemäß anzuwenden ist, müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, welche bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2024 – 6 StR 609/23 –, Rn. 4, juris). Diesen Anforderungen entspricht die am 9. Mai 2023 per Fax übermittelte Berufungsschrift nicht (für per Telefax übermittelte Revisionseinlegung: BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22 –, Rn. 3, juris). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 32d Satz 3 StPO sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ohnehin stellt eine Verzögerung bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltsfachs regelmäßig keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung dar (BGH, Beschluss vom 27. September 2022 – 5 StR 328/22 –, Rn. 2, juris).
2. Dem steht nicht entgegen, dass der angeschuldigte Rechtsanwalt zugleich Betroffener des anwaltsgerichtlichen Verfahrens, mithin nicht für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit aufgetreten ist (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 14. Juli 2023 – 201 ObOWi 707/23 –, Rn. 5, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juli 2023 – III-4 ORs 62/23 –, Rn. 7, juris; s.a. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2023 – AnwZ (Brfg) 10/23 –, Rn. 8, juris). § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte. Als Rechtsanwalt ist er Betroffener des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Ist er gerade als Rechtsanwalt Beteiligter des Verfahrens, muss er auch die für Rechtsanwälte geltenden zwingenden Formvorschriften einhalten.
3. Entgegen der Rechtsprechung des Anwaltsgerichtshofes Hamm (Urteil vom 21. April 2023 – 2 AGH 10/22 –, Rn. 4, juris) kann der BRAO auch keine Regelung entnommen werden, wonach § 32d Satz 2 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung finde. Insbesondere kommt § 37 BRAO hierfür nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nach gesetzessystematischer als auch historischer Auslegung im anwaltsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung findet. Dafür spricht auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.
….“