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Ist der 5. Strafsenat des BGH ordnungsgemäß besetzt?

entnommen wikimedia.org Urheber ComQuat

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Ich erinnere: Nach dem Ärger um die Besetzung des 2. Strafsenats (vgl. u.a. Stellenbesetzung am BGH: Fischer : Tolksdorf – (vorläufig) 2 : 0 und Was lange währt, wird endlich gut – Fischer wird Vorsitzender beim BGH) hat es beim BGH ja neuen/weiteren Ärger um die Besetzung der Vorsitzendenstelle im 5. Strafsenat gegeben, die seit November 2014 nach dem Ausscheiden des damaligen Vorsitzenden C.Basdorf vakant ist (vgl. dazu Schon wieder (Besetzungs)Ärger beim BGH, oder: Auch Präsidentinnen können nicht alles). Das Besetzungsverfahren ist noch immer nicht erledigt/entschieden.

Inzwischen gibt es dazu Rechtsprechung des 5. Strafsenats.Bei dem ist nämlich in einem Revisionsverfahren die ordnungsgemäße Besetzung des Senats gerügt worden. Dazu verhält sich dann der BGH, Beschl. v. 10.11.2015 – 5 StR 420/15. Ergebnis/Fazit: Natürlich ordnungsgemäß besetzt:

b) Auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2013 – 4 StR 556/12, BGHR GVG § 21f Vorsitzender 2 mit zahlreichen Nachweisen) ist der 5. Strafsenat ordnungsgemäß besetzt.

Das Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist im Juni 2014 mit dem Interessebekundungsverfahren eingeleitet worden. Der Besetzungsvorschlag der Präsidentin des Bundesgerichtshofs an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neubesetzung der Stelle erfolgte nach den erforderlichen Beteiligungen am 28. Oktober 2014. Am 6. Februar 2015 teilte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz dem Bundespräsidenten seinen Besetzungsvorschlag mit. Das Verfahren konn-te jedoch nicht abgeschlossen werden, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 12. August 2015 der Bundesrepublik Deutschland in einem Konkurrentenstreitverfahren durch einstweilige Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Beschluss vom 12. August 2015 – 4 S 1405/15). Im Verfahren müssen die grundsätzlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs zum Beurteilungswesen nach den erforderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen umgesetzt werden.

Das Beförderungsverfahren ist demgemäß frühzeitig eingeleitet worden und wird mit der gebotenen Zügigkeit betrieben. Im Blick darauf liegen besondere Umstände vor, die es jedenfalls derzeit rechtfertigen, dass der 5. Strafsenat durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird. Die in der Beschwerdeschrift des Angeklagten N. M. angesprochene Einrichtung eines „Doppelvorsitzes“ ist im Präsidium neben anderen Möglichkeiten in der Sitzung vom 15. September 2015 eingehend erörtert worden. Jedoch kommt ein „Doppelvorsitz“ schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht in Betracht (vgl. hierzu und zum Ganzen BGH, Beschluss vom 26. März 2013 – 4 StR 556/12 aaO; zur gebotenen Einzelfallprüfung siehe auch BGH, Urteil vom 12. März 2015 – VII ZR 173/13, NJW 2015, 1685 Rn. 36; je-weils mwN).

Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des 5. Strafsenats ist im Übrigen im Rahmen der gegenwärtigen Organisation jedenfalls nicht weniger effektiv gewährleistet als – mit der dadurch jeweils bedingten Einarbeitungszeit – bei Übernahme eines Doppelvorsitzes durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Strafsenats oder der kurzfristigen Übernahme des Vorsitzes des 5. Straf-senats durch einen solchen. Der stellvertretende Vorsitzende ist seit Februar 2013 Mitglied des 5. Strafsenats und vermag dessen Rechtsprechung sowie die anhängigen Verfahren und deren Stand deshalb zu überblicken. Er leitet sämtliche Beratungen des Senats. Die Gefahr eines Divergierens der Judikatur ist ferner wegen der personellen Überschneidungen in den vorhandenen drei Sitzgruppen denkbar gering…..“

Und wenn man mal in den Geschäftsverteilungsplan 2016 schaut (vgl. hier): Geändert hat sich nichts….Die „erforderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen“ sind eben noch nicht umgesetzt.

Schon wieder (Besetzungs)Ärger beim BGH, oder: Auch Präsidentinnen können nicht alles

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Nach dem Äger um die Besetzung des 2. Strafsenats (vgl. u.a. Stellenbesetzung am BGH: Fischer : Tolksdorf – (vorläufig) 2 : 0 und Was lange währt, wird endlich gut – Fischer wird Vorsitzender beim BGH) gibt es nun neuen Ärger „im Haus“. Der ein oder andere wird das vielleicht noch nicht mitbekommen haben. Ich bin darauf erst durch LTO-Nachrichten aufmerksam geworden.

Für die Stelle des nach der Pensionierung von Clemens Basdorf vakanten Vorsitz im 5. Strafsenat des BGH gibt es (zumindest) zwei Bewerber. Die Präsidentin des BGH Limperg hat sich für einen entschieden und einen Besetzungsvorschlag abgegeben, dem Minister Heiko Maas folgen will und den favorisierten Bewerber dem dem für die Ernennung zuständigen Bundespräsidenten zur Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof vorschlagen will. Das „schmeckt“ einem/dem „unterlegenen“ Mitbewerber nicht und er hat deshalb Konkurrentenklage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz begehrt.

Im Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz hatte er keinen Erfolg. Das VG Karlsruhe hat im VG Karlsruhe, Beschl. v. 19.06.2015 – 1 K 499/15 – seinen Antrag zurückgewiesen (vgl. hier bei LTO). U.a. heißt es da:

„Es sei auch unschädlich, dass Limperg in ihrer Bewertung gerade das Spezifikum einer Tätigkeit als Vorsitzender des 5. (und nicht eines anderen) Strafsenats ins Auge gefasst habe. Das sei zwar grundsätzlich nicht zulässig, habe für die Bewertung jedoch auch keine tragende Rolle gespielt.“

Im Beschwerdeverfahren hat sich nun aber das Blatt gewendet. Nach dem VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.08.2015 – 4 S 1405/15 – war die Auswahlentscheidung nämlich rechtswidrig (vgl. dazu ebenfalls LTO ). Da heißt es in der PM:

„Die auf der Grundlage aktueller dienstlicher Anlassbeurteilungen ergangene Auswahlentscheidung sei fehlerhaft. Die Anlassbeurteilungen seien in mehrfacher Hinsicht rechtlich zu beanstanden. Zum einen fehle es an der Festlegung des zugrunde liegenden Beurteilungszeitraums. Die für die Auswahlentscheidung herangezogenen Anlassbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen beruhten darüber hinaus nicht auf einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage. Die Beurteilerin könne aus eigener Anschauung die dienstlichen Leistungen der Bewerber im jeweiligen Beurteilungszeitraum nur zu einem geringen Teil selbst beurteilen. Sie müsse daher Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einholen. Tatsächlich deckten die eingeholten Beurteilungsbeiträge jedoch nur einen Teil des jeweils beurteilten Zeitraums ab. Schließlich gehe die für den Beigeladenen erstellte Anlassbeurteilung von einem fehlerhaften Beurteilungsmaßstab aus. Nicht der konkrete Dienstposten des Vorsitzenden Richters eines bestimmten Senats des Bundesgerichtshofs, hier des 5. sogenannten Leipziger Senats, sondern das Statusamt eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof sei richtiger Bezugspunkt der Anlassbeurteilung.“

Nicht so schön, Frau Präsidentin, wenn der VGH einem mitteilt, dass man – als Vorsitzende des Kartellsenats des BGH – „aus eigener Anschauung die dienstlichen Leistungen der Bewerber im jeweiligen Beurteilungszeitraum nur zu einem geringen Teil selbst beurteilen“ könne. Und dabei können Präsidenten/Präsidentinnen an sich doch alles.

Besetzungsstreit beim BGH: 4 Strafsenat (auch) 2013 ordnungsgemäß besetzt

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Im immer noch anhängigen Besetzungsstreit beim BGH musste jetzt noch einmal der 4. Strafsenat Stellung beziehen. In der – so weit ist es sehe ersten Entscheidung aus 2013 – nimmt er im BGH, Beschl. v. 26.03.2013 – 4 StR 556/12 – zur ordnungsgemäßen Besetzung des Senats auf der Grundlage des GVP des BGH zum Jahr 2013 Stellung und sieht den Senat – was nicht überrascht – als ordnungsgemäß besetzt:

I. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem 1. Juli 2012 keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.

1. Der frühere Vorsitzende des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, ist mit Ablauf des 30. Juni 2012 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seitdem ist diese Stelle vakant, und der 4. Strafsenat wird von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt. Daran hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs auch bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2013 (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) nichts geändert.

2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG entsprechend anzuwenden ist, so- fern und solange die Wiederbesetzung lediglich „vorübergehend“ unterbleibt, also einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet (vgl. BVerfGE 18, 423, 426 f.; BVerfG, NJW 1983, 1541; BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 – IV ZR 153/54, BGHZ 16, 254; Urteil vom 21. Juni 1955 – 5 StR 177/55, BGHSt 8, 17, 19 ff.; Beschluss vom 11. Juli 1985 – VII ZB 6/85, NJW 1985, 2337; BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 52 f.; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 27). Es sei nicht in allen Fällen und ungeachtet der Dauer der mutmaßlichen Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich übertrage (BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 53 f.). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht naht-losen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen, lässt sich nicht „allgemeingültig“ und losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantworten (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154, 155; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 25, 27; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 59 Rn. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 21e GVG Rn. 39d).

Für den Fall der länger dauernden Erkrankung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ankommt, die umfassend zu würdigen sind. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig gewesen sei, habe das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungs-plans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Könne hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, müsse das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154). In einem Fall, in dem der Vorsitzende planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden war und die Ausschreibung der Stelle erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, ist das Bundessozialgericht davon ausgegangen, dass „zumindest im Regelfall“ der Vorsitz in einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geführt werden darf (BSG, NJW 2007, 2717, 2718). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden solange anwendbar, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer „länger dauernden Erkrankung“ (BFHE 190, 47, 55). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine ruhestandsbedingte Vakanz im Vorsitz „praktisch unvermeidbar“; allgemeingültige Fristen ließen sich weder für den Fall einer Verhinderung durch längere Krankheit noch für den Fall der dauernden Verhinderung des Vorsitzenden infolge einer Vakanz festlegen (BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch BVerwG, NJW 2001, 3493 für den besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts).

3. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auf ihrer Grundlage bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des 4. Strafsenats.


a) Das frühzeitig eingeleitete Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist noch nicht abgeschlossen, weil das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Rahmen eines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 17. Januar 2013 der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 1 K 2614/12).

b) Nach dem „Vermerk über die wesentlichen Erwägungen des Präsidiums des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung über die Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten“ (Anlage 6 zum Protokoll über die Präsidiumssitzung vom 13. Dezember 2012) hat das Präsidium für das Geschäftsjahr 2013 selbst bei Ausschöpfung aller Ressourcen und nach Abwägung aller denkbaren Geschäftsverteilungsmodelle keine Möglichkeit gesehen, jedem Strafsenat einen Vorsitzenden Richter zuzuweisen. Der Doppelvorsitz durch gleichzeitige Leitung des 2. und 3. Strafsenats könne infolge Überlastung des mit dieser Aufgabe betrauten Vorsitzenden nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass im Geschäftsjahr 2013 der Präsident den Vorsitz im 3. Strafsenat wahrnehme (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG). Die Übertragung eines Doppelvorsitzes an einen anderen Vorsitzenden eines Strafsenats komme nicht in Betracht, da der Vorsitzende des 1. Strafsenats mit Ablauf des 30. April 2013 altersbedingt in den Ruhestand treten werde und der Vorsitzende des 5. – Leipziger – Strafsenats schon auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht parallel den Vorsitz in einem Karlsruher Strafsenat übernehmen könne. Die Heranziehung der Vorsitzenden der Zivilsenate für Interimslösungen scheide ebenfalls aus. Sie seien mit den Rechtsmaterien der Strafsenate nicht in einem Maße vertraut, dass sie ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion eines Vorsitzenden in einem zusätzlich zu übernehmenden Strafsenat erfüllen könnten.

c) Da das Beförderungsverfahren zügig betrieben wurde und das Präsidium des Bundesgerichtshofs alle sinnvollen Ressourcen zur Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten ausgeschöpft hat, liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, dass der 4. Strafsenat jedenfalls derzeit durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird.

Für mich klingt es ein bisschen so, als sei das VG Karlsruhe schuld an den noch „offenen Stellen“.

„Dreier oder Zweier?“ bzw. „Zweier oder Dreier?“ – das ist die Frage

Bis zur Änderung des § 76 GVG zum 01.01.2012 war die Frage, die sich die Strafkammer hinsichtlich ihrer Besetzung stellen musste: Dreier oder Zweierbesetzung. Nach den Änderungen (vgl. dazu hier What´s new – im Strafverfahren? Reduzierte Besetzung der StK nicht mehr nur befristet… und noch mehr) lautet es genau umgekehrt: Zweit oder Dreierbesetzung. Denn nun ist die Strafkammer grundsätzlich nur mit zwei Berufsrichtern besetzt, die Dreierbesetzung ist die Ausnahme. Die damit zusammenhängenden Fragen behandelt jetzt noch einmal der BGH, Beschl. v. 20.12.2012 – 3 StR 407/12-, über den ich schon in anderem Zusammenhang berichtet hatte (vgl. hier Anpflanzung von Cannabis – Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge?).

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Die Angeklagten hatten mit ihren Verfahrensrügen u.a. beanstandet, dass das mit zwei Berufsrichtern besetzte LG nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, da nach Umfang und Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig gewesen sei (Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO, § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG a.F.). Anmerkung: Wer es sucht im BGH, Beschl: Steht fast am Ende der langen Entscheidungsgründe

Diese Rüge hatte beim BGH keinen Erfolg. Denn die noch nach altem Recht ergangene Entscheidung der Strafkammer war nach Auffassung des BGH nicht objektiv willkürlich:

„Wie sich insbesondere aus dem die Besetzungseinwände zurückwei-senden Beschluss der Kammer ergibt, ist diese von den zutreffenden Maßstäben bei der Beantwortung der Frage ausgegangen, ob die Hinzuziehung eines dritten Richters notwendig erscheint. Dabei hat sie die Anzahl von fünf Angeklagten und zehn Verteidigern, der insgesamt 13 Delikte sowie der 22 Zeugen bedacht. Zudem hat sie berücksichtigt, dass die Anklagevorwürfe gegen die Angeklagten weitgehend gleichgelagert waren, die Hinzuziehung von Dolmetschern entbehrlich war, die Akten vier Bände nebst einigen Sonderheften um-fassten, sich zwei Angeklagte im Ermittlungsverfahren umfangreich eingelassen hatten und zwei gegebenenfalls einzuholende Sachverständigengutachten keinen besonderen Umfang erwarten ließen. Demnach hat sich die Kammer weder auf sachfremde Erwägungen gestützt noch den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten. Dass gegebenenfalls auch eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen haben könnte und die Hauptverhandlung schließlich an 17 Tagen stattfand, lässt es nicht zu, die ursprüngliche Besetzungsentscheidung als objektiv willkürlich zu bewerten.war, weil diese den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat (BGHSt 44, 328, 333; NJW 2003, 3644, 3645).

Wie gesagt: Die Entscheidung ist noch zur Rechtslage vor dem 01. 01. 2012 ergangen. Aus der Entscheidung lässt sich aber dennoch auch etwas zur neuen Rechtslage entnehmen: Nämlich die Auffassung des BGH, dass bei den festgestellten Verfahrensumständen offenbar wohl die „Dreierbesetzung“ vorzuziehen gewesen wäre – „sogar näher gelegen haben könnte“ -, wenn gleich die andere Entscheidung des LG (noch) nicht objektiv willkürlich war. Nachträglich eingetretene weitere Umstände führen nicht zur Willkürlichkeit der ursprünglichen Entscheidung. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach § 76 Abs. 3 GVG jetzt ein Regelfall mit der Folge der „Dreierbesetzung“ vorliegt, wenn von vorherein abzusehen ist, dass die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als 10 Hauptverhandlungstage dauern wird. Das war hier allerdings wohl nicht der Fall.

Das Theater beim BGH geht weiter… Spruchgruppe des 2. Strafsenats entscheidet in der Sache trotz fortbestehender Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung

Das Theater um die Besetzung des 2. Strafsenats des BGH geht weiter (vgl. dazu hier und hier). Gerade kommt eine PM des BGH herein, in der es heißt:

Der 2. Strafsenat hat in einer Strafsache, in der er am 11. Januar 2012 die Hauptverhandlung wegen Bedenken an der Ordnungsgemäßheit seiner Besetzung ausgesetzt hatte, am 8. Februar 2012 erneut verhandelt. Er hat nunmehr in der Sache entschieden und die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision verworfen.

Der Entscheidung ging folgendes voraus: Durch Beschluss vom 11. Januar 2012 hatte der Senat zunächst die Revisionshauptverhandlung ausgesetzt, um die Sache dem Präsidium des Bundesgerichtshofs vorzulegen. Grund war, dass nach Ansicht der zur Entscheidung berufenen Spruchgruppe der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt ist, weil der ihm durch den Jahresgeschäftsverteilungsplan zugewiesene Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann zugleich den Vorsitz im 4. Strafsenat führt (siehe PM 4/12 vom 13.1.2012).

Veranlasst durch diesen Beschluss hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs am 18. Januar 2012 einstimmig beschlossen, dass an dem Beschluss vom 15. Dezember 2011, mit dem VRIBGH Dr. Ernemann der Vorsitz des 2. und zugleich des 4. Strafsenats übertragen worden ist, festgehalten werde.

Die Spruchgruppe des Senats hat es nunmehr – unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung – mit Blick auf das rechtsstaatliche Beschleunigungsgebot sowie das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsschutzgewährung für geboten erachtet, in der Sache zu entscheiden.

Ebenfalls am 8. Februar 2012 hat der 2. Strafsenat in derselben Spruchgruppe Beschlüsse nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO gefasst, mithin Sachentscheidungen getroffen, die nach der Strafprozessordnung nur einstimmig herbeigeführt werden können.

Die Rechtsprechung im 2. Strafsenat ist damit wieder von allen Spruchgruppen aufgenommen worden. „

Aber hallo – da stellt sich doch gleich die Frage, die ich jetzt nicht im Einzelnen geprüft habe: Geht das denn und ist das zulässig? Ich kann doch nicht, wenn ich als Richter Bedenken habe, ob ich zuständig bin oder der Spruchkörper, dem ich angehöre, ordnungsgemäß besetzt ist, Recht sprechen. Jedenfalls hätte ich da ganz gehörige Bauchschmerzen. Die Fragen werden immer interessanter und sicherlich irgendwann vom BVerfG gelöst (hoffentlich).

Man fragt sich natürlich auch: Woher der (plötzliche) Sinneswandel? Und: ist jetzt alles wieder gut? Mag man sich wieder?