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Schöffen I: Verhinderung von (Hilfs)Schöffen, oder: Schöffenroulette ohne Grundentscheidung des Chefs

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Willkommen im Monat Mai und willkommen in der KW. 18. heute ist zwar Feiertag, aber „Tag der Arbeit“. Daher gibt es hier das ganz normale Programm, und zwar heute zwei Entscheidungen zu Schöffen.

Zunächst kommt hier der LG Arnsberg, Beschl. v. 26.04.2023 – II-2 KLs-412 Js 717/22-4/23. Ergangen ist die Entscheidung in einem Schwurgerichtsverfahren auf die Besetzungsrüge der Verteidiger des Angeklagten. Problematik der Entscheidung: Ordnungsgemäße Feststellung der Verhinderung eines Schöffen nach § 54 GVG und damit zutreffende Heranziehung von Hilfsschöffen und damit ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts.

Die Verteidiger hatte die besetzungsrüge erhoben (§ 222b stPO) und geltend gemacht, dass die beisitzende Schöffin A die „falsche“ Schöffin sei, Der Heranziehung dieser Schöffin lag zuvor folgender Sachverhalt zugrunde:

Gem. Verfügung des Vorsitzenden vom 20.03.2023 handelte es sich bei der Hauptverhandlung um eine vorgezogene Sitzung vom 19.04.2023. Tatsächlicher Beginn der Hauptverhandlung war der 18.04.2023.  Die für diesen Hauptverhandlungstermin ausgeloste Hauptschöffin B teilte am 23.03.2023 mit, dass sie infolge einer bereits gebuchten Reise an einem Teil der Hauptverhandlungstermine verhindert sei. Mit Verfügung vom 24.03.2023 veranlasste der Vorsitzende daraufhin, dass die Hauptschöffin abgeladen und die nächste Hilfsschöffin geladen wird. Dabei handelte es sich um die Hilfsschöffin C. Diese teilte wiederum am 11.04.2023 mit, dass sie ebenfalls wegen eines Urlaubs im Ausland an der Terminswahrnehmung gehindert sei.

Erneut verfügte der Vorsitzende, dass die Schöffin abzuladen und die nächste Hilfsschöffin zu laden sei. Durch die Geschäftsstelle wurde sodann die Hilfsschöffin A geladen.

Das war nicht ok, meint das Schwurgericht:

„Die Besetzungsrüge ist zulässig, insbesondere fristgerecht nach Mitteilung der Kammerbesetzung erhoben worden.

Sie ist auch begründet. Die Kammer ist hinsichtlich der Schöffin A nicht ordnungsgemäß besetzt.

Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der Annahme der Verhinderung der Schöffinnen B und C. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Schöffin P bzgl. ihrer Verhinderung wäre allerdings nicht die Schöffin A als nächste auf der Liste zu laden gewesen, sondern die Schöffin D. Dies ist offensichtlich deshalb nicht geschehen, weil die Schöffin D. bereits zu einem früheren Zeitpunkt ohne Bezug auf eine konkrete Terminsladung mitgeteilt hatte, zu bestimmten Zeitpunkten verhindert zu sein. Die Geschäftsstelle ist somit von ihrer Verhinderung ausgegangen und hat die nächste auf der Hilfsschöffinnenliste aufgeführte Schöffin geladen, A.

Es fehlt jedoch an einer richterlichen Entscheidung über die Heranziehung oder auch die Verhinderung der Schöffin D. Diese steht auch nicht ohne weiteres aufgrund der früheren, ohne Bezug auf ein konkretes Verfahren erfolgten Mitteilung fest, die dem Vorsitzenden auch nicht bekannt war. Denkbar wäre z. B., dass die früher mitgeteilte Verhinderung zwischenzeitlich entfallen war oder der vorgebrachte Verhinderungsgrund aus Sicht des Vorsitzenden nicht als durchgreifend angesehen worden wäre.

Dementsprechend fehlt es an einer richterlichen Entscheidung über die Frage, ob die Schöffin D heranzuziehen gewesen oder als verhindert anzusehen wäre. Erst nach einer solchen Entscheidung wäre gegebenenfalls die Schöffin A heranzuziehen gewesen.

Nicht jeder Fehler bei der Heranziehung von Hilfsschöffen kann mit der Besetzungsrüge erfolgreich geltend gemacht werden. Zudem steht dem Vorsitzenden bei der Entscheidung über die Heranziehung von Schöffen und angegebene Verhinderungsgründe ein Ermessensspielraum zu. Da eine Entscheidung des Vorsitzenden über die Heranziehung oder  Verhinderung der Schöffin D vollständig fehlt, handelt es sich hier jedoch um einen erheblichen Fehler und es wurde gerade gar kein Ermessen ausgeübt.“

HV II: Die richtige Besetzung des Gerichts, oder: Wenn der Hauptschöffe krankheitsbedingt nicht erscheint

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 02.02.2021 – 5 StR 400/20.  Er behandelt mehrere verfahrensrechtliche Fragen, von denen ich zunächst die die ordnungsgemäße Besetzung des Gercihst betreffende herausgreife. Die Angeklagten hatten in dem Eintritt eines „Ergänzungsschöffen“ eine Verletzung des § 338 Nr. 1 stPO gesehen. Der BGH hat das anderes gesehen:

„1. Die von beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO ist – unbeschadet der Frage, ob der Angeklagte C. A. diese zulässig erheben konnte, nachdem er den Eintritt des Ergänzungsschöffen in der Hauptverhandlung nicht beanstandet hatte (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. April 2013 – 5 StR 612/12, BGHR GVG § 192 Abs 2 Verhinderung 2; vom 10. Dezember 2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 100) – jedenfalls unbegründet.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Strafkammer hatte in der ursprünglichen Besetzungsmitteilung einen Ergänzungsschöffen benannt. Nachdem sie die Hauptverhandlung mit den Hauptschöffen begonnen und an zwölf Hauptverhandlungstagen über den Zeitraum von ca. vier Monaten geführt hatte, erschien am 13. Hauptverhandlungstag eine Hauptschöffin krankheitsbedingt nicht. Der Vorsitzende verlas zwei Vermerke und ein Attest, aus denen sich ergab, dass die Schöffin am Vortag angerufen und mitgeteilt hatte, dass sie wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung und ihr aus ärztlicher Sicht eine weitere Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht möglich sei; sie werde auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Das angeforderte Attest bescheinigte zunächst die Verhandlungsunfähigkeit für vier Wochen. Auf telefonische Nachfrage wurde dem Vorsitzenden ausweislich des zweiten Vermerks von einem ärztlichen Mitarbeiter der Praxis mitgeteilt, dass eine darüber hinausgehende Krankschreibung zu erwarten sei, dies aber besser durch die konkret behandelnde Ärztin eingeschätzt werden solle. Es wurde ein ergänzendes Attest zugesagt, das während einer Sitzungsunterbrechung einging und nach Fortsetzung der Hauptverhandlung verlesen wurde. Dieses stammte von der behandelnden praktischen Ärztin und attestierte der Schöffin, dass sie wegen einer psychischen Erkrankung voraussichtlich auf unabsehbare Zeit verhandlungsunfähig sei. Nachdem der Verteidiger eines freigesprochenen Mitangeklagten die Einholung eines amtsärztlichen, hilfsweise eines psychiatrischen Gutachtens beantragt und ausgeführt hatte, dass gegebenenfalls zugewartet werden müsse, ob die Schöffin innerhalb der Hemmungsfrist des § 229 Abs. 3 StPO wieder gesunden würde, stellte der Vorsitzende durch in der Hauptverhandlung verlesene und umfänglich begründete Verfügung fest, dass die Hauptschöffin verhindert sei, es weiterer Aufklärung nicht bedürfe und der Ersatzschöffe in das Verfahren eintrete. Ein Verteidiger des freigesprochenen Mitangeklagten und der Verteidiger des Angeklagten M. A. widersprachen der Verfügung des Vorsitzenden und der Verfahrensweise. Nach Beschlüssen der Strafkammer wurde die Verhandlung in der Besetzung mit dem eingetretenen Ergänzungsschöffen fortgesetzt.

b) Die Vorgehensweise des Vorsitzenden lässt Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere war das Gericht durch den Eintritt des Ergänzungsschöffen nicht vorschriftswidrig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO); die Angeklagten wurden folglich auch nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Hierzu gilt:

aa) Nach § 192 Abs. 2 und 3 GVG tritt ein zu der Hauptverhandlung zugezogener Ergänzungsschöffe in das Quorum ein, wenn ein zur Entscheidung berufener Schöffe an der weiteren Mitwirkung verhindert ist. Die Feststellung, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, obliegt dem Vorsitzenden (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 161 mwN). Der Vorsitzende hat bei der Entscheidung einen Ermessenspielraum. Dieser umfasst auch den Zeitpunkt seiner Entscheidung (BGH, Beschlüsse vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 162; vom 5. September 2018 – 2 StR 421/17, JR 2019, 167, 168). Bei der Wahl des Entscheidungszeitpunktes hat der Vorsitzende die widerstreitenden Interessen zwischen dem Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) einerseits und den auf Beschleunigung und Konzentration gerichteten sonstigen Prozessmaximen andererseits zu berücksichtigen. Insbesondere die Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime können es sachgerecht erscheinen lassen, die Verhinderung möglichst bald festzustellen, um die Hauptverhandlung ohne Zeitverzug fortzusetzen (BGH, Beschluss vom 5. September 2018, 2 StR 421/17, JR 2019, 167, 168 mwN).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die sorgfältig und unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründete Entscheidung des Vorsitzenden Willkür nicht erkennen und ist damit nicht zu beanstanden (vgl. zum Prüfungsmaßstab, BGH aaO).

(1) Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Verhinderung der Schöffin lagen vor. Infolge ihrer Erkrankung waren unabwendbare Umstände im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GVG eingetreten, die ihrer weiteren Dienstleistung auf unabsehbare Zeit entgegenstanden. Dass der Vorsitzende das zweite von der behandelnden Ärztin stammende Attest genügen ließ und keine psychiatrische oder gar amtsärztliche Untersuchung der Schöffin in Auftrag gab, begründet kein die Entscheidung fehlerhaft oder gar willkürlich machendes Aufklärungsdefizit; vielmehr hatte sich der Vorsitzende für seine Entscheidung zuvor durch mehrere Nachfragen in der Praxis der behandelnden Ärztin eine ausreichende Tatsachengrundlage verschafft und diese im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert. Die dagegen von der Revision des Angeklagten M. A. vorgebrachten Einwände verfangen nicht, insbesondere ist nicht ersichtlich, warum der Vorsitzende ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der attestierten (voraussichtlichen) Verhandlungsfähigkeit hätte haben müssen. Insoweit ist dem zweiten Attest trotz einer sprachlichen Ungenauigkeit mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Schöffin psychisch erkrankt war. Letztlich kann der Grund der Erkrankung aber auch dahinstehen, weil ein ärztliches Attest auch ohne Angabe einer Diagnose als Nachweis einer Erkrankung genügt, solange nicht konkrete Umstände – zu denen vorliegend von der Revision nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich ist – darauf hindeuten, der Schöffe wolle sich aus unerlaubten Gründen der Dienstleistung entziehen (KK-StPO/Barthe, 8. Aufl., § 54 GVG Rn. 3 mwN; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 54 Rn. 2; MüKoStPO/Schuster, § 54 GVG Rn. 3; BeckOK GVG/Goers, 9. Ed., § 54 GVG Rn. 12; vgl. auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 215; aA LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 4).

(2) Angesichts der prognostizierten Dauerhaftigkeit der Verhinderung bestehen auch keine Bedenken gegen den Zeitpunkt der Entscheidung.

Die Entscheidung des 3. Strafsenats, der angenommen hat, die oben unter a) aufgeführten Grundsätze bedürften im Anwendungsbereich des § 229 Abs. 3 StPO einer Einschränkung dahingehend, dass für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden regelmäßig kein Raum sei, solange die Fristen des § 229 Abs. 1 und 2 StPO gehemmt sind, weshalb der Eintritt des Ergänzungsrichters erst in Betracht komme, wenn der erkrankte Richter oder Schöffe nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen könne (BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 163 mit ablehnender Anmerkung Schäfer, JR 2017, 41), steht nicht entgegen. Denn die genannte Einschränkung gilt nicht stets, sondern etwa dann nicht, wenn schon von vornherein feststeht, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter oder Schöffen auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung nicht möglich sein wird, oder wenn andere vorrangige Prozessmaximen beeinträchtigt würden.

So verhält es sich hier. Der Vorsitzende, der – wie dargelegt – über eine ausreichende Tatsachengrundlage verfügte, durfte angesichts der durch ein ärztliches Attest belegten Erkrankung von nicht absehbarer Dauer prognostizieren, dass die Schöffin auch nach Ablauf der Fristenhemmung nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht wieder an der Hauptverhandlung würde teilnehmen können. Soweit in der Entscheidung des 3. Strafsenats ausgeführt ist, es müsse „feststehen“, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter oder Schöffen nicht möglich sei, ergibt sich daraus nichts anderes: Denn angesichts der erheblichen Dauer der Fristenhemmung von sechs Wochen und zehn Tagen und den damit verbundenen Unwägbarkeiten kann dadurch der zwangsläufige Prognosecharakter einer die Hemmungsfristen überdauernden und damit in die Zukunft gerichteten Feststellung der Verhinderung nicht in Frage gestellt werden.

(3) Die von dem Vorsitzenden vorgenommene Abwägung der verschiedenen Interessen, namentlich des Rechts der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter und des „Gebot(s) der zügigen und für alle Verfahrensbeteiligten ressourcenschonenden Verhandlungsführung“ – womit die Beschleunigungs- und die Konzentrationsmaxime angesprochen waren -, stellt sich insbesondere angesichts des Umstands, dass sich die Angeklagten bereits seit zehn Monaten in Untersuchungshaft befanden und die Hauptverhandlung durch ein Zuwarten auf eine – ermessensfehlerfrei nur als theoretische Möglichkeit angesehene – Gesundung der Schöffin um mehrere Monate verzögert worden wäre, als nachvollziehbar, jedenfalls aber nicht als grob fehlerhaft und damit nicht als willkürlich dar. Dies gilt zumal, da auch der in das Quorum eintretende Schöffe vorab nach hinreichend genauen abstraktgenerellen Regelungen bestimmt worden war und damit in gleicher Weise die Verfahrensgarantie auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gewährleistete.“

Nickerchen in der Verhandlung, oder: Wenn der Richter (ein)schläft

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Immer wieder gibt es Entscheidungen, nach deren Lektüre man denkt: Das gibt es doch nicht. Zu der Kategorie gehört der BSG, Beschl. v. 18.05.2017 – B 13 R 289/16 B. Es geht um einen während der Verhandlung beim LSG Baden-Württemberg eingeschlafenen Richter, also Sozialrecht. Daher kommt die Entscheidung auch im „Kessel Buntes“. Aber das Problem gibt es „spartenübergreifend“.

Entscheiden musste das BSG folgenden Sachverhalt: Im Streit war die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit: Die Klage des Klägers hatte weder beim SG noch beim LSG Erfolg. Der Kläger hat dann Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG erhoben und hat die wie folgt begründet: „………. der von seiner Position aus betrachtet rechts auf der Richterbank sitzende ehrenamtliche Richter habe während der gesamten Dauer der mündlichen Verhandlung von 10:22 Uhr bis 10:48 Uhr geschlafen und die Augen erst wieder geöffnet, als die Verhandlung beendet gewesen sei. Nach verspätetem Eintreffen und Platznehmen im Sitzungssaal sei er mit auf die Brust gesunkenem Haupt sofort eingeschlafen und habe tief sowie hörbar geatmet. Wegen des verspäteten Eintreffens dieses ehrenamtlichen Richters habe der erkennende Senat des LSG das Urteil in der streitbefangenen Sache nicht nach Beratung am Ende der mündlichen Verhandlung, sondern erst am Ende des Sitzungstages verkündet. Der ehrenamtliche Richter sei am Ende der Verhandlung jedoch nicht orientiert gewesen und habe erst durch die R inLSG H. darauf hingewiesen werden müssen, dass er sitzen bleiben könne, weil sogleich weiter verhandelt werde. Es habe sich ersichtlich nicht nur um eine kurzfristige Ablenkungs- und Ermüdungserscheinung gehandelt. …2

Das BSG gibt dem Kläger Recht und hebt wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung auf:

„Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iS des § 547 Nr 1 ZPO bedeutet, dass jeder Richter die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Verhandlungsfähigkeit besitzt und damit auch in der Lage ist, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrzunehmen und sie aufzunehmen. Das wiederum setzt voraus, dass der Richter körperlich und geistig im Stande ist, der Verhandlung in allen ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Das Gericht, also jeder einzelne Richter, muss seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewinnen (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Nur wenn der Richter die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufgenommen hat, ist er seiner Aufgabe gewachsen, sich sein Urteil selbstständig und ohne wesentliche Hilfe der anderen Richter zu bilden und so an einer sachgerechten Entscheidung mitzuwirken. Die damit gebotene Aufmerksamkeit, die ihn befähigt, der Verhandlung zu folgen und sich den Verhandlungsstoff anzueignen, fehlt einem Richter, der in der mündlichen Verhandlung eingeschlafen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Richter wesentlichen Vorgängen nicht mehr folgen konnte. Allerdings sind Zeichen einer großen Ermüdung, Neigung zum Schlaf und das Kämpfen mit der Müdigkeit noch kein sicherer Beweis dafür, dass der Richter die Vorgänge in der Verhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Auch das Schließen der Augen und das Senken des Kopfes auf die Brust, selbst wenn es sich nicht nur auf wenige Minuten beschränkt, beweist noch nicht, dass der Richter schläft. Diese Haltung kann vielmehr auch zur geistigen Entspannung oder besonderen Konzentration eingenommen werden. Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend“ ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung (vgl BVerwG Beschluss vom 19.7.2007 – 5 B 84/06 – Buchholz 310 § 133 (nF) VwGO Nr 88 – Juris RdNr 2).“

Und davon geht das BSG aufgrund einer Gesamtwürdigung aus, denn:

  • Zeuge bestätigt, dass die Verhandlung wegen des verspäteten Erscheinens des ehrenamtlichen Richters  zeitverzögert begonnen hat.
  • Zeuge bemerkt, wie der ehrenamtliche Richter Schwierigkeiten gehabt habe, wach zu bleiben. Obwohl er einige Blätter Papier in der Hand gehalten habe, sei er offensichtlich ständig dabei gewesen einzunicken, seine Augen seien geschlossen, sein Körper nach vorn gebeugt gewesen und von Zeit zu Zeit sei er merklich leicht aufgeschreckt bzw habe sich kurz vor dem „Wegkippen“ des Kopfes wieder gefangen. Auch habe er den Eindruck gewonnen, dass der oder die Richter/Richterin neben dem ehrenamtlichen Richter dies ebenfalls bemerkt habe.
  • Letztere Angabe werden im Wesentlichen von den beiden beisitzenden Berufsrichtern bestätigt. Der eine Berufsrichter hat den Schöffen „zwei oder drei Mal dezent mit dem Fuß angestoßen – ob auch mit der Hand, sei ihm nicht mehr erinnerlich -, um zu bewirken, dass dieser seine Körperhaltung ändere. Der ehrenamtliche Richter habe hierauf jeweils reagiert und seine Körperhaltung für eine gewisse Zeit aufgerichtet.“

Das ist für das BSG nicht mehr nur ein „kurzes Einnicken“. Was ich mich frage: Warum machen die beiden Berufsrichter den Vorsitzenden nicht auf den „schlafenden Richter“ aufmekrsam, wenn der es nicht selbst gemerkt hat, damit die Verhandlung zumindest unterbrochen werden kann. Ein wenig sieht das nach der Methode: „Augen zu und durch“, aus. Passt ja gut der Spruch 🙂 .