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Verkehrsrecht II: Einziehung des Führerscheins erst in der Berufung, oder: Verschlechterungsverbot?

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Die zweite Entscheidung, der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.11.2021 – 1 OLG 2 Ss 56/21 – behandelt eine verfahrensrechtliche Frage in Zusammenhnag mit der Einziehung eines (gefälschten) Führerscheins.

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Zudem hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Eine Einziehungsentscheidung hat das AG nicht getroffen. Das LG hat auf die Berufung des Angeklagten den Rechtsfolgenausspruch geändert. Zudem hat es die Sperrfrist reduziert und die Einziehung eines (gefälschten) britischen Führerscheins angeordnet. Das weitergehende Rechtsmittel hat das LG verworfen. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten, die teilweise Erfolg hatte:

„2. Die Einziehungsentscheidung hält jedoch rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt nicht verkannt, dass das Verschlechterungsverbot (§ 331 StPO) einer erstmaligen Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) auf lediglich vom Angeklagten eingelegte Rechtsmittel entgegensteht; dies gilt selbst dann, wenn eine selbstständige Einziehung nach § 76a StGB möglich wäre bzw. wenn im Ersturteil die Einziehung rechtsfehlerhaft unterblieben war (BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 5 StR 387/18, juris Rn. 15 ff., BGHSt 64, 48; Beschluss vom 22.01.2019 – 3 StR 48/18, juris Rn. 7). Es hat hier jedoch die erstmalige Anordnung ausnahmsweise für zulässig gehalten, nachdem der Angeklagte und sein Verteidiger den in erster Instanz erklärten Verzicht auf die Rückgabe aller sichergestellter Gegenstände bezüglich des im Rahmen der tatgegenständlichen Verkehrskontrolle sichergestellten Führerscheins widerrufen haben. Das Landgericht hat den Widerruf des Verzichts für wirksam gehalten, weil Angeklagter und Verteidiger erklärt haben, „dass zwischen ihnen abgesprochen war, dass sich die Verzichtserklärung nicht auf den Führerschein, sondern nur [auf] die im Rahmen der Verkehrskontrolle gefundenen anderen Gegenstände beziehen sollte, der Verteidiger aber dennoch eine umfassende Verzichtserklärung abgegeben hat“ und das Amtsgericht infolge der umfassenden Verzichtserklärung von einer Einziehungsanordnung abgesehen hatte (UA S. 10). Das Landgericht hat demnach entsprechend diesen Vorbringens angenommen, dass der Verteidiger nicht beauftragt war, einen Verzicht hinsichtlich der Rückgabe des Führerscheins zu erklären. Die Erklärung eines Verzichts auf den Anspruch auf Herausgabe einer sichergestellten Sache ist jedoch unwiderruflich (vgl. BayObLGSt 1996, 99, 100). Ob der Angeklagte die nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu behandelnde und ein Angebot zur Übertragung des Eigentums an den Staat beinhaltende Erklärung seines Verteidigers (vgl. BGH, NZWiSt 2019, 309, 310 auch zur Gegenansicht) hier wirksam anfechten konnte (§ 119 BGB), ist fraglich. Ein Erklärungsirrtum auf Seiten des Angeklagten liegt hier eher fern, weil der Verzicht in seiner Anwesenheit erklärt worden ist und er der Erklärung nicht widersprochen hat. Selbst wenn man aber die Wirksamkeit einer Anfechtung unterstellt, rechtfertigt ein solcher Sachverhalt nicht eine Durchbrechung des Verbots der Schlechterstellung.“

Sachverständigengutachten, oder: Wann muss der Sachverständige in der Berufungsinstanz noch einmal gehört werden?

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Im Kessel Buntes dann heute zunächst der BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – VII ZR 30/16, ergangen  in einem Verfahren wegen einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Entscheidung hat nichts mit Verkehrs- oder gar Strafrecht zu tun, sondern betrifft einen Baurechtsfall. Die Aussagen des BGH können aber auch im Verkehrsrecht von Bedeutung sein bzw. Bedeutung erlangen.

Der BGH hat Stellung genommen zur Frage, wann eine erneute Anhörung eines Sachverständigen in der Berufungsinstanz erforderlich ist. Es ging um die Klage eines Bauherrn, der die eine Architektin mit der Sanierung eines Altbaus beauftragt hatte. Diese Architektin – Beklagte zu 1 – sowie den mit der Berechnung der Statik beauftragten Statiker, den Beklagten zu 2, nimmt der Kläger auf Schadensersatz in Anspruch. Es geht um eine eingebrochene Gebäudewand, die offenbar während der Bauarbeiten nicht richtig abgefangen worden war.

Das LG hatte die Beklagten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens verurteilt. Das OLG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, ohne den Sachverständigen erneut zu vernehmen. Das beanstandet der BGH und meint: Das Berufungsgericht muss einen Sachverständigen erneut anhören, wenn es dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will:

„Beim Sachverständigenbeweis gilt, dass es einer erneuten Anhörung des Sachverständigen bedarf, wenn das Berufungsgericht dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will, insbesondere ein anderes Verständnis der Ausführungen des Sachverständigen zugrunde legen und damit andere Schlüsse aus diesen ziehen will als der Erstrichter. Unterbleibt diese gebotene Beweisaufnahme, ist das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (vgl. BVerfG, NJW 2011, 49 Rn. 10 – 14; BGH, Beschluss vom 24. März 2010 – VIII ZR 270/09 Rn. 8, 13, BauR 2010, 1095).“