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„Die Kreativität von Rechtspflegern“ und die Beratungshilfe

Ein Kollege hat mir vor einigen Tagen eine Entscheidung des AG Königs Wusterhausen zugesandt und die Übersendung wie folgt eingeleitet:

..die Kreativität von Rechtspflegern scheint insbesondere dann grenzenlos zu sein, wenn im Rahmen der Beratungshilfe Abrechnung vorgenommen wird.  So wurden mir zunächst im Rahmen einer Bußgeldsache nur 30,00 € Beratungsgebühr zuzüglich Mehrwertsteuer bewilligt, die Auslagen wurden abgesetzt. Erst auf meine Erinnerung hin hat der Direktor des hiesigen Amtsgerichtes zu meinen Gunsten entschieden.“

Dazu heißt es dann im AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 15.02.2012 – 2 d II UR 70/11:

„Die Erinnerung ist auch begründet, da die als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle handelnde Rechtspflegerin zu Unrecht die Kosten der vorbereitenden Akteneinsicht und der Entgelte für Post- und Telekommunikation abgesetzt hat.

 Gemäß Nr. 7002 VV-RVG kann der Anwalt nach seiner Wahl anstelle der tatsächlichen Aus­lagen eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen geltend machen. Diese beträgt nach dem Wortlaut der Vorschrift 20 % der Gebühren, höchstens jedoch 20,- €. Erforderlich ist, dass der Anwalt zumindest versichert, dass derartige Auslagen angefallen sind oder deren Anfall gegebenenfalls sogar nachweist. Dann kann er auch bei ei­ner bloßen Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV-RVG die Pauschale geltend machen (vgl. AG Halle, Beschluss vom 25.11.2011, Az.: 103 II 1540/11; AG Weißenfels, Beschluss vom 14.12.2011, Az.: 13 111115/10).

 So liegt es hier: Der Verfahrensbevollmächtigte hat in seinem Schreiben vom 21.06.2011 anwaltlich versichert, dass er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit die zugrunde liegenden Akten der Polizei beigezogen und mit seiner Mandantin auch telefoniert hat. Damit ist die Pauschalgebühr nach Nr. 7002 VV-RVG in Ansatz zu bringen. Auch die zu Lasten des Prozessbevoll­mächtigten angefallene Gebühr für die Akteneinsicht in Höhe von 12,00 € darf er als tatsächliche Auslagen in Ansatz bringen.“

Rechtspfleger bestimmt (doch) nicht über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit.

Am 22.09.2009 hatte ich gepostet: „Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit?“ Dabei ging es um die Frage der Erstattung von Fotokopiekosten im Rahmen der Beratungshilfe. Jetzt hat das AG Halle zu der Frage Stellung genommen. Es führt in seinem Beschluss vom 08.02.2010 – 102 II 3103/09 aus:

“ Dass ein Rechtsanwalt, der einen Mandanten, berät, der angibt, Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden sein, Ablichtungen aus der Ermittlungsakte benötigt, um die Angelegenheit sachgerecht zu bearbeiten, versteht sich von selbst. Es kann nicht Sache des Gerichts sein, dem Rechtsanwalt nachträglich seine Arbeitsweise zu bewerten und zu kritisieren, indem ihm die Fertigung von Ablichtungen untersagt oder unzumutbar erschwert wird. Hierdurch würde die Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten im außergerichtlichen Bereich (siehe hierzu die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 2008, Az. 1 ByR 2310/06, und vom 11. Mai 2009, Az. 1 BvR 1517/09, beide zitiert nach juris) entgegen Art 3 Abs. 1 GG nicht mehr gewährleistet. Außerdem ist es unter Umständen nicht möglich, den Mandanten kurzfristig zu einem Termin zu „laden“ (wobei ein hoheitliches Verhältnis, in welchem eine Ladung ergehen kann, zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohnehin nicht besteht) oder einen solchen Termin kurzfristig durchzuführen. Weiter braucht der Rechtsanwalt die (jedenfalls auszugsweise kopierte) Akte möglicherweise für weitere Besprechungstermin, für die Fertigung von Schriftsätzen im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung sowie um seine Pflicht, gemäß § 50 Abs. 1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben zu können, erfüllen zu können.

Angesichts der Tatsache, dass der Rechtsanwalt gemäß § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, kann es nicht Sache des Gerichts sein, dem Rechtsanwalt eine „geringfügige Änderung der anwaltlichen Praxis“ vorzuschreiben.

Es erscheint daher zweifelhaft, ob das Gericht an der von dem Rechtspfleger im Schreiben vom 27. August 2009 und der vom Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 2010 zitierten Rechtsprechung uneingeschränkt festhalten wird.“

Stimmt. Dem ist m.E. nichts hizuzufügen: Der Rechtspfleger bestimmt eben doch nicht über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit.

Bestimmt der Rechtspfleger über das Wann und Wie der anwaltlichen Tätigkeit?

Manche Fragen „hauen einen um“. So jetzt gerade ein Posting, das aus dem Forum von LexisNexis® Strafrecht stammt. und das ich jetzt mal hier – nach Rückfrage und mit Erlaubnis – an eine noch größere Leserschaft gebe. Natürlich in der Hoffnung auf viele schöne Kommentare und Hinweise. Der Kollege fragt/postet:

wieder einmal eine Überraschung aus dem Bereich der Beratungshilfe. Die wollen jetzt ernsthaft, dass man bei Erhalt der Akte telefonisch oder per E-Mail einen Termin vereinbart und dann mit der Originalakte berät. Dann würden keine Kopien gefertigt werden müssen. Soweit erforderlich, soll man halt eine Fristverlängerung zur Aktenrückgabe beantragen.

Zitat: „Es bedarf lediglich der geringfügigen Änderung der anwaltlichen Praxis“
Es folgt eine Aufzählung diverser Entscheidungen, mit denen der Rpfl. Rspr. seines AG zitiert.
Da fällt mir im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu ein.

Hatte jemand schon einmal eine ähnliche Problematik und sich erfolgreich
dagegen gewehrt oder kennt zumindest Rspr. Es kann doch nicht sein, dass
mir ein Rpfl. jetzt schon sagt, wie und wann ich meine Arbeit zu erledigen
habe
.“

Mir fällt dazu auch nichts ein, was allerdings nichts heißen will, da ich mich im Bereich der Beratungshilfe nicht so gut auskenne. Aber vielleicht hat ja einer der Leser schon mal etwas Ähnliches erlebt. Es kann doch wirklich nicht sein, dass nun der Rechtspfleger die Lufthoheit über den anwaltlichen Terminkalender bekommt. Und dass dann alles für das fürstliche Beratungshilfehonorar.