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News: Das BVerfG und die Rohmessdaten, oder: Für diese Absage braucht man drei Jahre, lächerlich

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Da ist sie also nun. Die lange erwartete Entscheidung des BVerfG in 2 BvR  1167/20.

Wer sich allerdings davon etwas erhofft hatte, wird bitter enttäuscht  Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Für mich das Ärgernis des Monats, wenn nicht des Jahres. Ich frage mich, warum man dafür drei Jahre braucht. BVerfG eben. Mia san mia (?).

Ich stelle hier jetzt nur die PM ein, da ich im Moment im Zug bin. Die lautet:

„Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen fehlender „Rohmessdaten“ bei Geschwindigkeitsmessung

Pressemitteilung Nr. 68/2023 vom 14. Juli 2023

Beschluss vom 20. Juni 2023
2 BvR 1167/20

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtliche Festsetzung eines Bußgeldes wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung wendet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs Leivtec XV3 durchgeführt. Der Beschwerdeführer sieht sich insbesondere in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil das eingesetzte Messgerät keine sogenannten „Rohmessdaten“ speichere und damit im Bußgeldverfahren ein nicht überprüfbares Geschwindigkeitsmessergebnis verwertet worden sei.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert darlegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang auch zu bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen. Der Beschwerdeführer meint jedoch, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Er legt insofern aber nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen.

Mit ebenfalls am heutigen Tag veröffentlichten Beschlüssen hat die 2. Kammer des Zweiten Senats zwei ähnlich gelagerte Fälle entschieden, in denen Geschwindigkeitsmessgeräte der Typen PoliScan M1 HP (Az. 2 BvR 1082/21) und TraffiStar S350 (Az. 2 BvR 1090/21) zum Einsatz kamen.

Sachverhalt:

 Mit Bußgeldbescheid vom 26. März 2019 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße festgesetzt. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein und beantragte gegenüber dem zuständigen Amtsgericht unter anderem die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass bei dem zum Einsatz gekommenen Messgerät des Typs Leivtec XV3 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, sodass die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nicht mehr in Betracht komme. Zur Begründung führte er aus, dass das Messgerät die Rohmessdaten beziehungsweise die Messdaten der gesamten Messung nicht speichere; dadurch werde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, die bestehenden hohen Anforderungen an einen Vortrag zu Messfehlern zu erfüllen. Das Amtsgericht lehnte den Beweisantrag ab und verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil vom 10. Januar 2020 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 105 Euro. Die festgestellte Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung begründete das Amtsgericht im Wesentlichen damit, dass die Messung durch den Messbeamten mit dem von der PTB zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgerät des Typs Leivtec XV3 durchgeführt worden sei. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handele es sich hierbei um ein standardisiertes Messverfahren. Die Beweisaufnahme habe im Ergebnis keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung ergeben. Den hiergegen eingelegten Beschwerdezulassungsantrag des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 28. Mai 2020.

 Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung lässt eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht erkennen.

1. Der Beschwerdeführer legt die gerügte Verletzung in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf ein faires Verfahren nicht hinreichend dar.

a) Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist.

b) Die geringeren Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte nach der Rechtsprechungspraxis zu sogenannten standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsüberschreitungen genügen diesen Anforderungen an ein faires Verfahren, wobei der Betroffene grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu den bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen hat.

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, wenn Fachgerichte in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht im Fall eines standardisierten Messverfahrens ausgehen. Bei einem standardisierten Messverfahren handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Regelmäßig werden technische Messsysteme, deren Bauart von der PTB zur Eichung zugelassen ist, von den Gerichten als standardisierte Messverfahren insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen anerkannt. Kommt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringere Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte zu stellen. Das Tatgericht muss sich bei der Berücksichtigung der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessgeräten bewusst sein, dass Fehler nicht auszuschließen sind, und es hat diesem Umstand durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung zu tragen. Davon abgesehen ist das Tatgericht nur dann gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Dabei bleibt der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet ist, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen.

bb) Um dem aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierenden Gedanken der „Waffengleichheit“ hinreichend Rechnung zu tragen, hat der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren einen Anspruch auf Zugang auch zu den bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen.

Dabei gilt das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten allerdings nicht unbegrenzt, weil andernfalls die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs bestünde. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte haben im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das den Geschwindigkeitsverstoß betreffende Zugangsgesuch der Verteidigung in Bezug auf die angeforderten Informationen innerhalb dieses Rahmens hält.

c) Vorliegend zeigt der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit auf, durch das Urteil des Amtsgerichts in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt zu sein.

Zwar ist denkbar, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Betroffenen in einem Bußgeldverfahren andererseits auch Zugang zu ? zwar nicht in der Bußgeldakte, aber bei der Bußgeldbehörde ? vorhandenen Informationen verlangen kann. Ob auch die vom Beschwerdeführer bezeichneten „Rohmessdaten“ zu diesen herauszugebenden Informationen zählen können, haben die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte im Einzelfall zu entscheiden.

Der Beschwerdeführer schlussfolgert jedoch, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Damit verlangt er ein Mehr im Vergleich zur bloßen Herausgabe von vorhandenen Informationen, weil nach seinem Vorbringen auch die Bußgeldbehörde nicht im Besitz der von ihm bezeichneten „Rohmessdaten“ ist. Der Beschwerdeführer legt insofern nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen.

 Der Beschwerdeführer versäumt es insoweit auch, sich mit den Maßstäben und Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 12. November 2020 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -) hinreichend auseinanderzusetzen. Er hätte an die dortigen Ausführungen anknüpfen und darlegen müssen, dass die dort genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe von Verfassungs wegen fortzuentwickeln seien. Denn er stützt sein Vorbringen auf ein von ihm für verfassungsrechtlich geboten gehaltenes Recht auf Vorhaltung beziehungsweise Schaffung von Beweismitteln und damit auf eine Veränderung der Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen konstatiert jedoch lediglich ein Recht auf erweiterten Zugang zu vorhandenen Informationen und dies auch nicht unbegrenzt, sondern abhängig von dem jeweiligen Einzelfall.

 In Anbetracht der nicht hinreichenden rechtlichen Substantiierung kommt es nicht mehr darauf an, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers auch in tatsächlicher Hinsicht den Begründungsanforderungen nicht genügen dürfte. Dies gilt insbesondere für seine Tatsachenbehauptungen zu den Daten, die das bei der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Messgerät des Typs Leivtec XV3 nach seinen Angaben infolge eines Gerätesoftware-Updates nicht mehr abspeichere beziehungsweise die das Gerät seines Erachtens zukünftig speichern müsse. Hinzu kommen die offenkundigen tatsächlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Relevanz von „Rohmessdaten“ für die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers.

 Angesichts dieses Befundes zeigt der Beschwerdeführer nicht substantiiert auf, dass das Amtsgericht ? bestätigt durch das Oberlandesgericht ? vorliegend gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen haben könnte, indem es die angegriffene Verurteilung auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung stützte, die im Wege eines (zum damaligen Zeitpunkt) anerkannten standardisierten Messverfahrens ermittelt worden war. Dass das Amtsgericht dabei rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben haben könnte, kann auf dieser Grundlage im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf das Verfahrensrecht nicht festgestellt werden.

Schließlich fehlt es mangels substantiierten Vortrags des Beschwerdeführers an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine staatlich veranlasste willkürliche Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten oder für eine sonstige Verletzung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität von Verwaltung und Justiz durch eine reduzierte Vorhaltung
oder Schaffung bestimmter Daten, die aus Sicht des erkennenden Fachgerichts einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens begründen könnte.

2.Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm gerügten Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie seiner Rechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bleibt offensichtlich unsubstantiiert.“

Lächerlich. Vor allem, dass man dafür drei Jahre gebraucht hat. BVerfG eben. Mia san mia (?).

M E. ist jetzt endlich der Gesetzgeber gefordert, die Fragen zu klären. Aber will/kann man das von dem derzeitigen Bundesjustizminister oder – noch schlimmer – Bundesverkehrsminister erwarten? Eher nicht. Also geht die Praxis der OLG weiter. Jetzt wird erst recht verworfen.

Was Sie im Hintergrund knallen hören, sind übrigens keine Fahrgeräusche der Bahn. Nein, das sind die Sektkorken  bei der PTB.

Und sorry wegen der Verspätung. Aber auch egal. Das BVerfG hat drei Jahre gebraucht.

Divers III: Reicht das für eine richterliche Unterschrift?, oder: Anforderungen an die Verfassungsbeschwerde

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung des Tages der schon etwas ältere VerfG Brandenburg, Beschl. v. 16.12.2022 – VfGBbg 57/20.

In dem Verfahren richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des OLG Brandenburg. Das hatte die Revision gegen ein landgerichtliches Berufungsurteil als unbegründet verworfen. Der Angeklagate hatte mit seiner Verfahrensrüge geltend gemacht, dass die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils nicht innerhalb des nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Zeitraums zu den Akten gebracht worden seien. Die sich bei den Akten befindlichen Urteilsgründe enthielten eine unzureichende, den Anforderungen des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht genügende Unterschrift und seien daher lediglich als Urteilsentwurf anzusehen. Auf der letzten Seite der Begründung befinde sich außer der Seitenzahl und dem Aktenzeichen lediglich die gedruckte Unterschriftenzeile „Xyz“. Darüber befinde sich ein nahezu senkrecht verlaufender, L-förmiger Abstrich, der nach circa 1,5 cm in einem kurzen Bogen 90 Grad nach rechts abknicke und sich circa 0,5 cm horizontal fortsetze. Die horizontale Linie setze sich nach einer Unterbrechung leicht ansteigend über circa 4 cm weiter nach rechts fort, sie werde dabei aber an drei weiteren Stellen für jeweils zwischen 1 und 4 Millimetern unterbrochen. Klare Auf- und Abstriche seien nicht zu erkennen. Damit sei das Urteil entgegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht von dem Berufsrichter, der an der Entscheidung mitgewirkt habe, unterschrieben.

Das OLG hatte gemeint, dass die Unterzeichnung des angefochtenen Urteils durch den Vorsitzenden der Berufungskammer noch den Anforderungen gerecht werde, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt würden. Insoweit hatte es sich auf den KG, Beschl. v. 23.03.2020 – 3 Ws [B] 53/20162 Ss 18/20 – bezogen.

Der VerfGH Brandenburg hat leider zur Sache nicht Stellung genommen, sondern die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen:

„….3. Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 LV genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung.

Notwendig ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg eine Begründung, welche schlüssig die mögliche Verletzung des geltend gemachten Grundrechts des Beschwerdeführers aufzeigt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer argumentativen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer konkreten Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das bezeichnete Grundrecht durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen sie kollidiert. Dazu bedarf es einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage. Demnach muss der Beschwerdeführer ausgehend vom Entscheidungsinhalt aufzeigen, worin der Grundrechtsverstoß aus seiner Sicht im Einzelnen liegt (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2020 – VfGBbg 10/19, Rn. 7, vom 19. Februar 2021 – VfGBbg 28/20, Rn. 9, vom 20. August 2021 – VfGBbg 68/20, Rn. 20, und vom 21. Januar 2022 – VfGBbg 57/21, Rn. 35, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gerecht.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts ist, Gerichtsentscheidungen nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu überprüfen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen, vornehmlich bei der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot, in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt jedoch nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 20. Oktober 2017 – VfGBbg 20/16, vom 16. August 2019 – VfGBbg 67/18, und vom 22. Januar 2021 – VfGBbg 62/18, Rn. 11, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

Gemessen daran hat der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Willkürverbot nicht substantiiert aufgezeigt. Die Beschwerde benennt zwar zutreffend die Maßstäbe, nach denen ein Willkürverstoß angenommen werden kann, lässt aber insbesondere die notwenige Auseinandersetzung mit der zur Unterschriftsleistung ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vermissen. Der Beschwerdeführer legt vielmehr allein die seiner Auffassung nach erfolgte Abweichung des Oberlandesgerichts von den vom Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 23. März 2020 (3 Ws [B] 53/20, 162 Ss 18/20) aufgestellten Maßstäben dar. Dies genügt aber zur Begründung der Willkürlichkeit der Entscheidung nicht. Darauf, ob die hier angegriffene Entscheidung von der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin abweicht, kommt es für ihre Vertretbarkeit nicht an, zumal das Brandenburgische Oberlandesgericht an dessen Rechtsprechung nicht gebunden ist. Zu einer Auseinandersetzung mit der vom BGH – auch im zivilrechtlichen Bereich – ergangenen Rechtsprechung hätte zudem auch deshalb Anlass bestanden, weil das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 30. April 2020 auf das in NJW 1997, 3380 veröffentlichte Urteil des BGH (vom 10. Juli 1997 – IX ZR 24/97  ) ausdrücklich Bezug genommen hat.

Nach der vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Entscheidung des BGH ergebe sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift, was unter einer Unterschrift zu verstehen sei. Eine Unterschrift setze danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstelle und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lasse. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheine (Handzeichen, Paraphe), stelle demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Es sei zudem ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert sei. Diese Entscheidung spiegelt die gefestigte Rechtsprechung der Zivilsenate wider, wonach die Anforderungen an eine Unterschrift schon dann erfüllt sind, wenn ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug vorliegt, der individuelle und entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 – XII ZB 17/97, Rn. 3, vom 27. September 2005 – VIII ZB 105/04, Rn. 8, und vom 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09, Rn. 10, und Urteil vom 22. Oktober 1993 – V ZR 112/92, Rn. 5) . Eine dem Schriftzug beigefügte vollständige Namenswiedergabe in Maschinen- oder Stempelschrift kann zur Deutung vergleichend herangezogen werden. Der Namenszug kann flüchtig geschrieben sein und braucht weder die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen noch im Ganzen lesbar zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1991 – XI ZB 6/91, Rn. 11, juris). Auch ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter und nicht lesbarer Namenszug kann danach als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 – XII ZB 17/97, Rn. 3, vom 27. September 2005 – VIII ZB 105/04, Rn. 8, und vom 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09, Rn. 10, juris). Auch in Strafsachen hat der BGH ausgeführt, dass in nicht unbedenklicher Weise abstrahierte Unterschriften noch den Anforderungen genügen können (BGH, Beschluss vom 30. August 1988 – 1 StR 377/88, Rn. 3, juris).

Vor dem Hintergrund dieser großzügigen Rechtsprechung hätte es zur Begründung der Willkürlichkeit der angegriffenen Entscheidung einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den an eine Unterschrift zu stellenden Maßstäben bedurft, zumal der Beschwerdeführer die – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Bewertung als Unterschrift bedeutsame – Beurteilung des Senats, dass es sich ersichtlich nicht lediglich um eine Paraphe handelt, ebenso wenig in Zweifel gezogen hat wie die tatsächliche Urheberschaft des Vizepräsidenten des Landgerichts an dem in Rede stehenden Schriftzug und den Umstand, dass der Vizepräsident auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Letzteres stellt auch nicht ein etwaiges Sonderwissen der Richter des Oberlandesgerichts dar, sondern ergibt sich auch aus den zum Strafverfahren geführten Akten. Bereits auf der der Verfassungsbeschwerde ebenfalls in Kopie beigefügten Abschlussverfügung befindet sich eine vergleichbare Unterschriftsleistung.

Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Willkürverbot hat der Beschwerdeführer schließlich auch nicht insoweit aufgezeigt, als er die Annahme der Generalstaatsanwaltschaft in Frage gestellt hat, wonach eine fehlende Unterschrift unter dem landgerichtlichen Urteil den Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO von vornherein nicht zu begründen vermöge. Auf die Vertretbarkeit dieser Auffassung kommt es nicht an, weil es insoweit jedenfalls an der Darlegung der Kausalität eines etwaigen Verfassungsverstoßes fehlt. Der Beschwerdeführer hat selbst darauf hingewiesen, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft zwar zunächst in Bezug genommen, den Schriftzug des Vorsitzenden aber sodann dennoch einer eigenständigen Prüfung unterzogen hat, bei der es zu dem Schluss gekommen ist, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen erfüllt sind. Auf der Annahme, eine fehlende Unterschrift könne den Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO nicht begründen, beruht die angegriffene Entscheidung danach jedenfalls nicht.“

Na ja, schade…. Ich hätte schon gerne erfahren, ob die Striche eine „Unterschrift“ sind. Ich habe da so meine Zweifel, auch wenn Vizepräsidenten von LG vielleicht so „unterschreiben“ ?