Und als letzte Entscheidung aus dem Bereich BtM habe ich dann hier noch den OLG Jena, Beschl. v. 13.04.2022 – 1 Ws 88/22, den mir die Kollegin A. Klein aus Erfurt geschickt hat. Es geht um die Zurückstellung der Strafvollstreckung.
Der Verurteilte ist u.a. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die verbüßt der Verurteilte, Zwei-Drittel-Termin ist/war für den 22.08.2022 sowie Strafende für den 02.07.2023 notiert.
Um die Zurückstellung der Strafvollstreckung dieser Strafe gemäß § 35 BtMG geht es. Es sind – um es kurz zu machen – alle dafür, nur das LG will nicht mitmachen. Das geht dann hin und her, bis eben das OLG Jena in der Entscheidung – auf die Beschwerde der StA (!) – ein „Machtwort“ spricht und die Zustimmung erteilt:
„Die gemäß §§ 35 Abs. 2 Satz 1 BtMG, 304 StPO zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Erteilung der gerichtlichen Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BtMG.
In ihrer Zuschrift an den Senat hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:
„Nach § 35 Abs. 1 BtMG steht die Entscheidung über die Zustimmung zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung für den Fall des Vorliegens der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen im Ermessen des Gerichts, welches bei dieser Entscheidung die gleichen Kriterien anzulegen hat wie die Vollstreckungsbehörde bei ihrer Entscheidung über den Zurückstellungsantrag. Die angefochtene Entscheidung ist daraufhin zu überprüfen, ob das Gericht bei seiner Entscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob es seiner Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt und ob es dabei die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens eingehalten hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.11.2011, 7 Zs 1573/11, zitiert nach juris). Das Gericht darf sich nicht auf die in der Hauptverhandlung gewonnenen Er-kenntnisse beschränken, sondern hat der Entscheidung auch die nach Urteilserlass von der Vollstreckungsbehörde ermittelten oder sonst bekannt gewordenen Umstände zugrunde zu legen (Münchener Kommentar – Kornprobst, BtMG, 4. Auflage, § 35 Rn. 117).
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 08.10.2021 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Das Landgericht Erfurt beschränkt sich in seinem Beschluss im Wesentlichen auf Erkenntnisse, die es Rahmen der Hauptverhandlung gewonnen hat. Es begründet die Ablehnung seiner Zustimmung im Beschluss vom 08.10.2021 damit, dass die Kammer im Urteil vom 21.06.2021 keine Feststellungen dazu getroffen habe. dass der Verurteilte die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Zwar besitze der Verurteilte nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. pp. einen Hang i.S.d. § 64 StGB, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren. Weitere belastbare Feststellungen zu einer Betäubungsmittelabhängigkeit, welche mehr als ein Hang sei, habe die Kammer aufgrund der fehlenden Explorationsbereitschaft des Verurteilten nicht treffen können. Auch wenn die JVA Hinweise auf eine bestehende Abhängigkeitserkrankung habe, sei diese nicht positiv festgestellt worden. Eine solche positive Feststellung sei jedoch zwingende Voraussetzung für die Erteilung einer gerichtlichen Zustimmung. In seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 02.03.2022 nimmt das Landgericht Erfurt auf diese Ausführungen Bezug….“
Dem schließt sich der Senat an und führt ergänzend noch folgendes aus:
Die Therapiebereitschaft eines Drogenabhängigen ist dann zu bejahen, wenn er ernsthaft gewillt ist, eine Therapie zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer geeigneten Einrichtung nach den dort geltenden Regeln, Anweisungen und Bedingungen anzutreten und durchzustehen, um eine bestehende Drogenabhängigkeit zu beseitigen, und an diesem Ziel aktiv mitzuarbeiten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.10.2013, 2 VAs 77/13, bei juris, m.w.N.).
Wegen der stets gegenwärtigen Rückfallgefährdung nicht erfolgreich therapierter Drogenabhängiger ist deren Therapiebereitschaft in aller Regel brüchig und häufig schwankend. Deshalb dürfen an dieses Tatbestandsmerkmal keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, denn es ist auch Zweck der Zurückstellung, die Therapiemotivation zu fördern (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.). Gerade auch Risikoprobanden mit schlechter Prognose (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.) sollen mit der Vorschrift des § 35 BtMG erreicht werden. Der Nachweis fehlenden Therapiewillens ist schwierig. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.) herrscht Einigkeit, dass sich der Weg aus der Sucht als ein langes, auch von Rückschlägen begleitetes prozesshaftes Geschehen darstellt, so dass sich ein Behandlungserfolg häufig erst nach mehreren Therapieversuchen einstellt.
Deshalb lassen auch wiederholte Therapieabbrüche nicht ohne Weiteres den Schluss auf einen fehlenden Therapiewillen zu. Auch der Gesetzgeber geht in § 35 Abs. 5 BtMG ausdrücklich davon aus, dass ein früherer Widerruf einer erneuten Zurückstellung nicht entgegensteht. Maßgeblich kommt es darauf an, ob das Verhalten des Verurteilten über die Tatsache des Scheiterns früherer Therapieversuche hinaus konkrete Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Therapiebereitschaft begründet. Solche Gründe können in einer besonders verantwortungslosen und leichtfertigen Weise gefunden werden, mit der ein Verurteilter Therapiechancen vergibt, etwa indem er mehrfach Therapien nicht antritt oder nach sehr kurzer Zeit aufgibt (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., m.wN.), was ausweislich des Inhalts der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben vom 27.09.2021 beim Verurteilten nicht der Fall ist.“