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Berechnung der BAK – welche Angaben müssen ins Urteil?

Die (richtige) Berechnung der Blutalkoholkonzentrationist im Hinblick auf die mit der Schuldfähigkeit(§§ 20, 21 StGB) zusammenhängenden Fragen von erheblicher Bedeutung. Deshalb der Hinweis auf den KG, Beschl. v. 12.03.2012 – (4) 121 Ss 57/12 (86/12) -, der sehr schön aufzeigt, welche tatsächlichen Feststellungen und Angaben im Urteil des Tatrichters enthalten sein müssen, wenn es um die (richtige) Berechnung der BAK geht. Fehlen sie, kann das Revisionsgericht die Berechnung nicht nachvollziehen. Dann wird das Urteil als lückenhaft angesehen und auf die Sachrüge hin aufgehoben (§§ 267, 344 StPO).

Das KG kommt in seiner Entscheidung zu folgenden Leitsätzen:

1. Die Berechnung der Blutalkoholkonzentration ist regelmäßig nur dann nachvollziehbar, wenn die angewandte Methode dargelegt worden ist, wobei auch die Anknüpfungstatsachen wie Körpergewicht, Trinkbeginn und -ende, Mengenangaben und Alkoholgehalt sowie die der Berechnung zugrunde liegenden (Rück-)Rechnungswerte wie Resorptionsdefizit, Reduktionsfaktor und Abbaugeschwindigkeit mitzuteilen sind.

2. Macht der Angeklagte Angaben zu Art und Menge des vor der Tat konsumierten Alkohols, so ist der Tatrichter nicht gezwungen, diese Trinkmengenangaben schlechthin hinzunehmen.

Und/aber: Führen Angaben, für deren Richtigkeit es keine Beweise gibt, rechnerisch zu medizinisch unrealistischen Werten oder sind sie mit dem erwiesenen Verhalten nicht vereinbar, so darf der Tatrichter sie allerdings auch nicht ohne Weiteres als insgesamt unbrauchbar verwerfen, sondern hat eine Kontrollberechnung mit dem höchstmöglichen Abbauwert vorzunehmen und zusätzlich vom höchstmöglichen Resorptionsdefizit von 30 % auszugehen.

1,82 Promille – keine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad

Der Angeklagte war auf dem Fahrrad mit einer BAK von 1,82 ‰ unterwegs. Anklage wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt. Die verneint das LG Dessau, Urt. v. 22.03.2011 -7 Ns 593 Js 21502/10 mit einer interessanten Argumentation:

Eine vorsätzliche Begehensweise konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Zwar spricht die bei dem Angeklagten festgestellte hohe Blutalkoholkonzentration dafür, dass er sich der Möglichkeit seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit bewusst gewesen sein könnte. Allerdings kann nicht allein aufgrund des Blutalkoholgehaltes auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden. Vielmehr müssen hierfür weitere Indizien herangezogen werden. Vorliegend haben sich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat. Er ist bisher weder strafrechtlich in Erscheinung getreten, noch durch besonders vorsichtige Fahrweise oder das Benutzen von Schleichwegen aufgefallen. Stattdessen ist er vom Stadtfest aus kommend mit seinem Fahrrad – und nicht mit einem PKW — eine gut beleuchtete Durchgangsstraße entlanggefahren. Dabei fuhr er in Schlangenlinien direkt auf den deutlich sichtbaren, am Straßenrand stehenden Polizeiwagen zu, anstatt vom Fahrrad abzusteigen oder umzudrehen. Zudem trat er gegenüber den Polizeibeamten nicht schuldbewusst oder reumütig auf; sondern wirkte eher aufgebracht. Aufgrund dieser Umstände ist die Kammer trotz des hohen Blutalkoholgehaltes davon ausgegangen, dass der Angeklagte lediglich fahrlässig und nicht vorsätzlich gehandelt hat.“

Den Angeklagten „rettet“ also seine Fahrweise und sein Auftreten :-). Wegen der 1,82 ‰ kommt das dicke Ende dann aber noch an anderer Stelle.

Wochenspiegel für die 38. KW, oder wir blicken mal wieder über denm Tellerrand

Berichtet worden ist über:

1. Den Blitzer aus der Tonne.
2. Den Schutz von Syndikusakten, hier.
3. Ein wenig Kachelmann, hier und hier und hier
4. Um den technischen Fortschritt im Gerichtssaal ging es hier und hier.
5. Quatschende Schöffen, hier und hier.
6. Rotlicht und Busspur, hier.
7. Die Höhe der Gerichtsgebühren, hier.
8. Um hohe BAK und deren Folgen ging es hier.
9. Zur Verteidigung durch Schweigen.
10. Zur Entziehung des Führerscheins auf Probe, hier.

Mehr als 3,0 Promille BAK – das ist doch schon was….

und zwingt den Tatrichter die Schuldfähigkeit unter Berücksichtigung aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände des Erscheinungsbildes und des Verhaltens des Täters vor, während und nach der Tat prüfen, so das OLG Naumburg im Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ss 85/10). Der Satz sollte an sich Allgemeingut sein, war er aber leider beim LG Halle nicht. Das hatte die Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten angenommen und damit begründet, dass der Angeklagte zur Arbeit fahren wollte, ansprechbar war, sich ohne fremde Hilfe bewegen konnte und die Durchführung eines Blutalkoholtests möglich war (vor allem das „Bewegenkönnen“ ist schön :-)). Dem OLG hat das nicht gereicht, daher Aufhebung und Zurückverweisung, um die Sache noch mal neu zu verhandeln. In der Revision reicht bei solchen Fragen die einfache Sachrüge.

Dazu passt ganz gut: Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke.

Und täglich grüßt das Murmeltier – einige AG lernen es einfach nicht….

An sich sollte es sich inzwischen auch bei den AG herumgesprochen haben: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach derjenige, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Deshalb kann auch bei einem weit über der Grenze zur absoluten Fahruntüch­tigkeit liegenden Blutalkoholgehalt nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auf ein vorsätzliches Handeln geschlossen werden, auch wenn dieses nahe liegen mag, so dass allein mit der Begründung nicht eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB erfolgen kann. Das wiederholen die OLG gebetsmühelnartig (so z.B. zuletzt das OLG Stuttgart im Beschl. v. 04.05.2010 – 5 Ss 198/10); die AG scheint es aber nicht weiter zu stören. Folge: Die Revisionen sind dann ein Selbstläufer…