So, auf geht es mit dem „normalen“ Freitagsprogramm. Also Gebührenrecht. Und ich bringe zunächst den LG Verden, Beschl. v. 29.11.2018 – 1 Qs 172/18, den mir der Kollege Funk aus Stolzenau übersandt hat. Herzlichen Dank für die schöne Entscheidung, die zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG ergangen ist
Dazu vorab: Die Entscheidung bringt nichts grundsätzlich Neues. Die Ausführungen des LG zum Entstehen der Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsprechen der Auffassung der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung (vgl. dazu meine Ausführungen im RVG-Kommentar bei der Nr. 4142 VV RVG – wo man denn bestellen kann, weiß inzwischen jeder – <<Werbemodus aus>>). Von Bedeutung ist die Entscheidung aber dennoch. Denn sie ruft noch einmal ins Gedächtnis, welche Bedeutung nach den Änderungen der Wertabschöpfungsvorschriften der § 73 ff. StGB zum 1.7.2017 die Einziehung (und ihr verwandte Maßnahmen) und damit gebührenrechtlich die Nr. 4142 VV RVG erlangt hat. Denn, wer hätte nach früherem Recht in einem Verfahren mit dem Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) oder Unterschlagung (Nr. 246 StGB) an Einziehung gedacht. So aber in dem vom LG Verden entschiedenen Fall. Beides sind i.d.R. „Allerweltsvorwürfe“, bei denen aber nun auch an die Nr. 4142 VV RVG gedacht werden muss.
Und dazu dann das LG:
1. Die Gebühr (Verfahrensgebühr) entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehenden Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Abgegolten wird das „Betreiben des Geschäfts“ im Hinblick auf die. Einziehung oder einer ihr – verwandten Maßnahme. Erfasst werden von der Gebühr sämtliche Tätigkeiten, die der Verteidiger im Hinblick auf die Einziehung erbringt, etwa das Fertigen von Schriftsätzen, Stellungnahmen, Besprechungen, Beschwerden o.ä., die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung bzw. einer der verwandten Maßnahmen haben. Da es sich um eine reine Wertgebühr handelt, ist der Umfang der vom Verteidiger erbrachten Tätigkeiten für das Entstehen und die Höhe der Gebühr nicht relevant. Die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG setzt auch keine gerichtliche Tätigkeit des Verteidigers voraus. Insbesondere muss die Einziehung nicht im Verfahren beantragt worden sein (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG-Kommentar, 23. Aufl., VV 4142, Rn. 12, beck-online; BeckOK RVG, v. Seltmann, 41. Ed., W 4142, Rn. 10). Ausreichend ist es, wenn sie in Betracht kommt oder nach Aktenlage als geboten erscheint (vgl. Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 4142, Rn. 6). Davon wird man ausgehen können, wenn die Frage der Einziehung naheliegt, weil aufgrund der Aktenlage z.B. mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen sein wird. Die Gebühr wird auch für eine außergerichtliche nur beratende Tätigkeit des Verteidigers verdient (vgl. BeckOK RVG, v. Seltmann, 41. Ed., W 4142, Rn. 10; Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO., VV 4142, Rn. 12 m.w.Nachw., beck-online).
2. Vorliegend hat der Verteidiger erklärt, dass er mit seinem Mandanten über eine mögliche Einziehung gemäß §§ 73ff. StGB gesprochen und ihn dahingehend beraten hat. Eine solche Einziehung hat zwar weder die Staatsanwaltschaft beantragt, noch das Amtsgericht angeordnet, doch war dies nach den oben ausgeführten maßgeblichen Grundsätzen nicht erforderlich. Die Einziehung von Wertersatz kam bei den Anklagevorwürfen der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 Abs. 1 StGB (jeweils 163 EUR für März und April 2016, 52 EUR für Mai 2016, 168 EUR für September 2016 und 263 EUR für Oktober 2016; vgl. BI. 39f. Bd. I d.A.) sowie der Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB (konkret: 5.885,57 EUR; vgl. BI. 106 ff. Bd. II d.A.)) ernsthaft in Betracht — zumal nach der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2017. Sie wurde nicht beantragt, weil das Verfahren (auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft) mit einem Freispruch endete. Dies kann dem Angeklagten nunmehr nicht zum Nachteil gereichen. Der Umstand, dass der Verteidiger seinen Pflichtverteidigervergütungsantrag hinsichtlich der Gebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG zurückgenommen hat, ist für die Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten ohne Bedeutung.“
Was lernen wir daraus bzw. bestätigt uns das LG: Außergerichtliche Beratung reicht für das Entstehen der Nr. 4142 VV RVG. Allerdings sollte man – wie der Kollege hier – dazu im Kostenfestsetzungsverfahren vortragen, und zwar sohol als Wahlanwalt als auch als Pflichtverteidiger. Die Gebühr entsteht nämlich für beide – ggf. allerdings in unterschiedlicher Höhe (§ 49 RVG).
Ich hatte überlegt, die Entscheidung erst nach den Feiertagen zu bringen. Ich habe sie dann aber jetzt schon gebracht. Vielleicht findet ja in den nächsten Tagen der ein oder andere Kollege Zeit, sich mal Gedanken zu machen, in welchen Verfahren er in der letzten Zeit zur Einziehung beraten hat. Dann wird es Zeit für einen Gang in den Keller, um die Akte(n) zu suchen und für Nachliquidationen. Auf gehts!