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Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf – sie muss, sagt auch das OVG Münster

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Ich hatte im Juli 2015 über den VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.2015 – 13 L 1133/15 berichtet (vgl. Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf), in dem das VG Düsseldorf eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlassen hatte, durch den LOStA in Düsseldorf verpflichtet worden ist, eine Aussagegenehmigung für die Zeugenaussage einer Staatsanwältin in einem beim LG Düsseldorf anhängigen Strafverfahren zu erteilen. Hintergrund des Verfahrens ist ein Beweisantrag der Verteidigung, mit dem die Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als Zeugin beantragt worden ist. Dafür braucht diese eine Aussagegenehmigung (§ 54 StPO), die verweigert worden ist. Schon das VG hatte nicht viel von der Begründung der Verweigerung gehalten, und nun auch – die Sache ist (natürlich) weiter gegangen – nicht das OVG Münster im OVG Münster, Beschl. v. 04.09.2015 – 6 B 837/15. Das OVG sieht ebenso wie das VG keine Gründe, die die Verweigerung der Aussagegenehmigung rechtfertigen würden.

Ich beschränke mich hier mal auf den § 37 Abs. 4 BeamtStG. Dazu führt das OVG aus:

„Es liegt auch keiner der in § 37 Abs. 4 BeamtStG genannten Versagungsgründe vor.

Mit dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes sind Sachverhalte gemeint, bei denen es um wichtige staatspolitische Interessen geht, die hier ersichtlich nicht betroffen sind.

Ebenso wenig hat der Antragsgegner dargetan, dass eine Aussage der Staatsanwältin I. eine ernstliche Gefährdung oder erhebliche Erschwernis bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben darstellen würde. Insoweit genügt es nicht, dass ihre Vernehmung als Zeugin sich in irgendeiner Weise nachteilig im Sinne einer Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung der Staatsanwaltschaft auswirkt oder auswirken könnte. Denn der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitete Anspruch des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Strafverfahren gebietet es, die Aussagegenehmigung nur bei Vorliegen von Gründen mit besonderem Gewicht, die die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefährden oder erschweren, zu versagen. Anderenfalls wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt. Denn nicht nur die Gerichte, sondern auch alle anderen staatlichen Organe sind gehalten, an der rechtsstaatlich gebotenen Wahrheitsfindung mitzuwirken. Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982 2 C 91.81 -, a.a.O.

Die Schwelle der Erheblichkeit wird z.B. in Fällen erreicht, in denen die Funktionsfähigkeit der Behörde auf dem Spiel steht. Vgl. Schachel, in: Schütz/Maiwald, § 37 BeamtStG Rn. 33 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. Davon kann hier keine Rede sein, da die Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf durch den Ausschluss einer einzigen Sitzungsvertreterin nicht tangiert wäre. Der Antragsgegner hat auch nichts dafür dargelegt, dass durch eine Zeugenaussage der Staatsanwältin I. , die sich auf ihre Wahrnehmungen im Rahmen des gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens erstrecken soll, Tatsachen bekannt werden könnten, die der Staatsanwaltschaft ihre künftige Ermittlungs- und Strafverfolgungsarbeit erheblich erschweren könnten. Ebenso wenig ist ein Grund mit besonderem Gewicht darin zu sehen, dass die in das Strafverfahren eingearbeitete Staatsanwältin I. unter Umständen an den weiteren Hauptverhandlungsterminen nicht mehr als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft teilnehmen könnte. Da wegen der Komplexität des gegen den Antragsteller geführten Strafverfahrens an den bisherigen Hauptverhandlungsterminen mit Staatsanwalt H. immer ein zweiter Staatsanwalt, der mit dem Gang des Verfahrens und dem Akteninhalt jedenfalls teilweise vertraut ist, als Sitzungsvertreter eingesetzt war, entsprechen die mit einer evtl. erforderlichen Einarbeitung des bislang neben der Staatsanwältin I. als Sitzungsvertreter eingesetzten Staatsanwalts in weitere Akteninhalte bzw. dem Einsatz eines neuen Sitzungsvertreters einhergehenden Arbeitserschwernisse einer Sachlage, wie sie beispielsweise auch bei einem krankheitsbedingten Ausfall eines Sitzungsvertreters auftreten kann. Das Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Strafrechtspflege hat jedoch bei derlei Widrigkeiten – mögen sie bei komplexen Strafverfahren auch für die Anklagevertretung besonders misslich sein – hinter das Interesse an der Wahrheitsfindung zurückzutreten. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist ein zentrales Anliegen des Strafprozesses, dem auch die Staatsanwaltschaft als unparteiisches Organ der Rechtspflege verpflichtet ist. Vgl. Hess.VGH, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 8 B 1005/13, 8 D 1006/13 zu § 96 StPO, sowie schon RG, Urteil vom 11. Dezember 1896 – 4531/96 -, RGSt 29, 236.“

Tja, nun muss sie wohl wirklich…..

Die Staatsanwältin, die nicht aussagen soll/darf

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Beim LG Düsseldorf läuft seit einiger Zeit ein Strafverfahren u.a. wegen des Vorwurfs der schweren räuberischen Erpressung. Ich hatte über das Verfahren auch schon berichtet, allerdings betreffend einen gebühren-/kostenrechtlichen Aspekt, nämlich über die Frage, der Erstattung des Ausdrucks aus digital zur Verfügung gestellten Akten durch die Staatskasse. Der ein oder andere wird sich an die OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.09.2014 -III – 1 Ws 236/14Beschl. v. 22.09.2014 1 Ws 246+272/14; Beschl. v. 22.09.2014 – 1 Ws 247+283/14 und Beschl. v. 1 Ws 261/14; III – 1 Ws 307+312/14 und das Posting Mit der Sackkarre ins OLG, oder: Wie schaffe ich sonst 85.000 Blatt Kopien zum Senat? vielleicht noch erinnern. Nun, das LG-Verfahren hat inzwischen dann auch das VG Düsseldorf beschäftigt – es zieht also weiter Kreise.

Hintergrund des Verfahrens ist ein Beweisantrag der Verteidigung, mit dem die Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als Zeugin beantragt worden ist. Dafür braucht diese eine Aussagegenehmigung (§ 54 StPO), die vom LOSTA verweigert worden ist. Dagegen dann der Gang der Verteidigung zum VG Düsseldorf, das nun im VG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.2015 – 13 L 1133/15 – eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlassen hat. Danach wird der LOStA verpflichtet, eine Aussagegenehmigung für die Zeugenaussage in dem bei dem Landgericht Düsseldorf anhängigen Strafverfahren zu erteilen. Von den Gründen, mit denen der LOStA die Verweigerung der Genehmigung begründet hatte, hält das VG nicht so ganz viel. Dazu:

„Gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG darf die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die Aussagegenehmigung zu erteilen; ein Ermessen steht dem Dienstvorgesetzten nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht zu. Erforderlich ist lediglich, dass der Dienstvorgesetzte durch Konkretisierung des von der Aussagegenehmigung erfassten Sachverhalts in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob der Erteilung Hinderungsgründe im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG entgegenstehen……

Manches aus der sich aus dem VG, Beschluss ergebenden Begründung für die Genehmigungsverweigerung durch den LOStA mutet mir dann ein wenig abenteuerlich an. Und das VG wird damit auch fertig, denn

  1. dem LOStA müssen vor einer Entscheidung über die Erteilung der Aussagegenehmigung nicht auch die an die Zeugin zu richtenden Fragen bekannt gemacht werden, denn das steht u.a. nicht mit Nr. 66 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in Einklang,
  2. die zeugenschaftliche Vernehmung der Staatsanwältin gefährdet nicht ernsthaft die Erfüllung öffentlicher Aufgaben: “ Die Versagungsgründe in § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG zeigen auf, dass eine Genehmigung zur Aussage als Zeuge nicht an allgemeinen Unzuträglichkeiten scheitern darf. Eine Gefährdung oder Erschwerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben rechtfertigt für sich gesehen noch nicht die Versagung der Aussagegenehmigung. Die gesetzliche Regelung macht die Versagung davon abhängig, dass die Gründe ein besonderes Gewicht besitzen, indem sie auf die Ernstlichkeit und Erheblichkeit des jeweiligen Grundes verweist. Diese Schwelle wird hier nicht erreicht. Der Antragsgegner macht als Versagungsgrund im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG lediglich geltend, dass im Fall einer zeugenschaftlichen Vernehmung der Staatsanwältin H diese die Aufgaben der Sitzungsvertretung in dem Strafverfahren nicht weiter wahrnehmen dürfe und dass die Tätigkeit angesichts von Art und Umfang des Verfahrens nicht ohne Weiteres einem anderen Staatsanwalt übertragen werden könne. Damit sind allenfalls Erschwernisse der Aufgabenwahrnehmung dargelegt, die für eine Versagung der Aussagegenehmigung nicht ausreichen. Selbst wenn Staatsanwältin H n nach ihrer Vernehmung als Zeugin tatsächlich gehindert wäre, weiterhin in dem Strafverfahren als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zu fungieren, was nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keineswegs eindeutig ist,vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 – 1 StR 480/07 juris, wo die Rechtsansicht, ein als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommener Staatsanwalt könne für den Rest der Hauptverhandlung an der Wahrnehmung der Aufgaben des Sitzungsvertreters gehindert sein, für zweifelhaft gehalten wird, wäre dadurch der Fortgang des Strafverfahrens nicht in Frage gestellt, weil die Aufgabe der Sitzungsvertretung noch durch einen weiteren Staatsanwalt, Herrn G , wahrgenommen wird, der ebenfalls in das Verfahren eingearbeitet ist und seine Tätigkeit als Sitzungsvertreter fortführen kann.“
  3. Der Einwand des LOStA, in die Überlegungen sei die Möglichkeit einzubeziehen, dass in der Folge seitens der Verteidigung auch auf ein Ausscheiden von Staatsanwalt G hingewirkt werde, sieht das VG als unerheblich an; im vorliegenden Fall gehe es um die Erteilung einer Aussagegenehmigung für die Staatsanwältin H, nicht für den Staatsanwalt G. Im Übrigen: es kann sich auch noch ein weiterer StA einarbeiten.
  4. Keine Prozesssabotage erkennbar.
  5. Über den Antrag ist auch unabhängig davon zu entscheiden, dass die Strafkammer über den Beweisantrag noch nicht entschieden hat. „Der Einwand des Antragsgegners, die Entscheidung über die Erteilung der Aussagegenehmigung müsse zurückstehen, weil sich sonst die Strafkammer der Möglichkeit einer eigenen Entscheidung über die Beweiserhebung von vornherein begeben und die Entscheidung der für die Aussagegenehmigung zuständigen Verwaltungsbehörde zuweisen würde (siehe Seite 50 unten des Schriftsatzes vom 6. Mai 2015 – Bl. 85 der Gerichtsakte), ist nicht nachvollziehbar. Mit der Aussagegenehmigung wird lediglich ein Hindernis für die Beweiserhebung beseitigt. Ob letztere stattfinden muss, wird durch die Aussagegenehmigung nicht präjudiziert; vielmehr ist die Strafkammer nicht gehindert, den Beweisantrag aus anderen Gründen gemäß §§ 244 Abs. 3, 245 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO abzulehnen.“

Ich fand besonders das letzte Argument „pikant“. Denn: Die Auffassung des LOStA, „das Strafgericht müsse vor der Erteilung der Aussagegenehmigung über die Beweiserhebung befinden, hätte zur Folge, dass die Vernehmung eines Beamten letztlich niemals möglich wäre, weil der Strafrichter den Beweisantrag wegen Fehlens der Aussagegenehmigung stets nur ablehnen könnte.

Wie gesagt: Nicht so ganz nachvollziehbar – die Begründung des LOStA. Ich bin gespannt, ob der nun die Verpflichtung hinnimmt oder ob er nach Münster zum OVG zieht.