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Beweisantrag/Beweisermittlungsantrag, oder: „aufs Geratewohl ins Blaue hinein“?

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Nach dem Posting zu dem unsäglichen Beitrag von Rainer Wendt zum „Fall Susanna“ (vgl. Der Vorsitzender der DPolG Rainer Wendt äußert sich zum “Fall Susanna”, oder: Unfassbar) soll es hier dann mit den üblichen Themen weitergehen. Zunächst bringe ich eine verfahrensrechtliche Entscheidung, und zwar den BGH, Beschl. v. 06.04.2018 – 1 Str 88/18.

Es geht um die Ablehnung eines Beweisantrages. Der Angeklagte war im ersten Rechtsgang u.a. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil hatte der BGH auf die Revision des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen teilweise aufgehoben. Die dann zuständige Strafkammer hat die Betrugsstraftaten nach §§ 154, 154a StPO behandelt und den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Untreue in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und davon (insgesamt) sechs Monate als vollstreckt erklärt.

Dagegen richtete sich die Verfahrensrüge des Angeklagten, die – teilweise – Erfolg hatte:

„1. Der Angeklagte beanstandet zutreffend, dass die Strafkammer im Fall III. 1 der Urteilsgründe (Tatkomplex Eheleute H. ) einen Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat.

a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Im Hauptverhandlungstermin vom 19. Oktober 2017 hat der Angeklagte beantragt, O. als Zeugen zu vernehmen. Dieser werde in seiner Eigenschaft als (vormaliger) Aufsichtsratsvorsitzender bestätigen, dass die aus der Versteigerung der Immobilie mit dem vormaligen Restaurant P. erzielten Erlöse vollständig an die Gläubiger der J. AG geflossen seien, somit aus dem Erlös keine Beträge oder Teilbeträge beim Angeklagten persönlich verblieben seien. Weiter werde er bestätigen, dass der Geschädigte H. aus dem vorgenannten Versteigerungserlös eine Teilzahlung in Höhe von 40.000 € erhalten habe.

Diesen Antrag hat die Strafkammer mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich nur scheinbar um einen förmlichen Beweisantrag, da die insoweit unter Beweis gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche Grundlage aufs Geratewohl ins Blaue hinein behauptet worden sei. Auch unter Berücksichtigung der Aktenlage und des bisherigen Beweisergebnisses bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Geschädigte H. aus der Versteigerung 40.000 € erhalten haben könnte. Der Geschädigte habe in seiner Zeugenvernehmung vielmehr ausdrücklich und glaubhaft dargelegt, aus der Zwangsversteigerung des Restaurants letztlich faktisch nichts erhalten zu haben. Auch unter Aufklärungsgesichtspunkten sehe die Kammer keine Veranlassung, dem Antrag nachzugehen.

b) Die Verfahrensrüge ist begründet. Bei dem gegenständlichen Beweisbegehren handelt es sich um einen Beweisantrag, nicht nur um einen Beweisermittlungsantrag.

Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Für die Beurteilung, ob ein aufs Geratewohl gestellter Antrag vorliegt, ist die Sichtweise eines verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 504/12 mwN, NStZ 2013, 536, 537).

Nach diesem Maßstab lässt sich die Beweisbehauptung nicht als aufs Geratewohl aufgestellt ansehen. Die Beweisbehauptung hatte einen tatsächlichen Anhaltspunkt, da die Eheleute H. jedenfalls einen nicht konkret bezifferten Betrag aus der Versteigerung des Restaurants erhalten haben („geringfügiger Betrag“, UA S. 44; „letztlich faktisch nichts“, ablehnender Beschluss RB S. 3). Sie konnte deshalb ungeachtet der Gründe, die die Strafkammer in ihrem Beschluss nach Würdigung des gesamten Beweisergebnisses gegen die Zahlung von 40.000 € an die Geschädigten H. aus der Versteigerung des Restaurants angeführt hat, nicht als nicht ernstlich gemeint gewertet werden. Jedenfalls hat das Landgericht mit seiner Erwägung, dass die unter Beweis gestellte Tatsache ohne jede tatsächliche Grundlage behauptet worden sei, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 504/12 mwN, NStZ 2013, 536, 537).

c) Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags kann der Strafausspruch im Fall III. 1 (Eheleute H. ) beruhen. Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Schaden in Höhe von 40.000 € durch die Abtretung von Forderungen und Übertragung einer Eigentümergrundschuld nachträglich vermindert worden ist. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Strafkammer eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich die Beweisbehauptung, die Geschädigten H. hätten weitere 40.000 € als Schadensausgleich erhalten, bestätigt hätte.“