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U-Haft II: Urlaubsreise nach Thailand während „Hafturlaub“, oder: Nicht verboten

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Bei der zweiten Haftentscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den OLG Dresden, Beschl. v. 28.04.2017 – 2 Ws 117/17. Ergangen ist er im sog. Infinus-Verfahren, in dem es ja schon eine ganze Reihe Haftentscheidung des OLG Dresden gegeben hat. Über zwei habe ich ja auch schon berichtet, und zwar über den OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14 – und  dazu: Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden und den dazu ergangenen VerfGH Sachsen, Beschl. v. 26.02.2015 – 7-IV-15, 8-IV-15 (vgl. Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer aus Sachsen – II) sowie über den VerfGH Sachsen, Beschl. v. 21.04.2016 – VerfG Vf. 16-IV-16 (HS).

Jetzt ist es dann aber wohl Schluss. Denn das OLG Dresden hat im Beschl. v. 28.04.2017 die U-Haft gegen den Angeklagten, der sich seit dem 05.11.2013 in U-Haft befunden hat, aufgehoben. Bis dahin war er nur duch Beschluss vom 25. 04. 2016 außer Vollzug gesetzt. In dem Beschluss war der angewiesen worden, in einem bestimmten Gästehaus in Dresden Wohnsitz zu nehmen und sich jeweils sonntags bis spätestens 21:00 Uhr beim hierfür zuständigen Polizeirevier zu melden. Zudem war ein Kontaktverbot zur Ehefrau eines Mitangeklagten ausgesprochen worden. Der Angeklagte war diesen Weisungen nachgekommen. Insbesondere erschien er jeweils zu den anberaumten Hauptverhandlungsterminen. Am 07.07. 2016 stellte der Angeklagte dann den Antrag, die Meldeauflage für den Zeitraum vom 07.07.2016 bis zum 31.07.2016 auszusetzen. Die Hauptverhandlung sei für eine Sommerpause bis zum 01.08.2016 unterbrochen, weshalb die Begründung der Kammer für die Wohnsitz- und Meldeauflage (Vermeidung eines „Hauptverhandlungstourismus“) in dieser Zeit nicht greife. Am 08.07.1016 hat die Srafkammer diesem Antrag stattgegeben und hat die Meldeverpflichtung beim Polizeirevier in Dresden bis zum 30.07.2016 ausgesetzt. Statt dessen verpflichtete sie den Angeklagten, sich am 22.07.2016 bei der Polizeistation in pp. zu melden. Anschließend sollte die bisherige Regelung wieder gelten.

Vom 11.07.2016 bis zum 21.07.2016 unternahm der hierfür finanziell von Freunden und Familienangehörigen unterstützte Angeklagte ohne Wissen der Strafkammer eine Urlaubsflugreise nach Thailand. Am 21.07.2016 kehrte er nach Deutschland zurück und erfüllte am 22.07.2016 seine Meldeauflage bei dem Polizeirevier in pp. Nach der Sommerpause ab dem 01.08.2016 hielt er sich wieder an seiner Unterkunft in Dresden auf und nahm ordnungsgemäß an den jeweiligen Terminen der Hauptverhandlung teil. Den Weisungen und Auflagen im Rahmen der Außervollzugsetzung des Haftbefehls kam der Angeklagte ordnungsgemäß nach.

Im Dezember hat der Angeklagte dann den Antrag gestellt, den Haftbefehl aufzuheben. Den Antrag hat die Strafkammer abgelehnt. Statt dessen untersagte sie dem Angeklagten „klarstellend“, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne Genehmigung der Kammer zu verlassen. Zur Absicherung hatte der Angeklagte sowohl seinen Reisepass als auch seinen Personalausweis (gegen ein beglaubigtes Ersatzdokument) bei Gericht zu hinterlegen. Und dagegen richtet sich nun das Rechtsmittel des Angeklagten.

Das OLG folgt dem LG in seiner Argumentation nicht. Das war von weiterhin bestehender Fluchtgefahr ausgegangen:

„a) Der Senat teilt die Ansicht von Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsstrafkammer nicht, wonach die bisher erteilten Weisungen im Rahmen der Außervollzugsetzung eine gleichwohl grundsätzlich anzunehmende Fluchtgefahr lediglich mindern konnten. Denn angesichts der bisherigen Fassung der Meldeauflage – zu erfüllen (nur) einmal wöchentlich jeweils sonntags bis 21:00 Uhr – war es dem Angeklagten grundsätzlich uneingeschränkt möglich, in der übrigen Zeit Vorbereitungen für sein Sich-Entziehen aus dem Strafverfahren vorzubereiten.

Das Gebot, einen bestimmten territorialen Bereich nicht ohne Zustimmung des Gerichts zu verlassen, war dem Angeklagten nicht auferlegt worden. Erst recht war es ihm durch die tatsächlich erfolgte Weisung nicht verboten, während die Zeitspanne das Gebiet Dresdens, Sachsens oder gar der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, solange er der Meldepflicht nachkommt. Die Begründung der Kammer, durch die Verpflichtung, in Dresden Wohnsitz zu nehmen, solle vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Probleme des Angeklagten einem „Hauptverhandlungstourismus“ (zwischen Dresden und pp. vorgebeugt werden, besagt diesbezüglich nichts. Es verbot nicht, gleichwohl nach C. (oder anderswo) zu fahren.

b) Daher lag in der Urlaubsreise des Angeklagten nach Thailand – zumal eine rechtzeitige Rückkehr erfolgt war – kein Verstoß gegen die gerichtliche Weisung. Insofern ist es unerheblich, dass diese Reise ohne eine vorherige Anmeldung gegenüber der Wirtschaftsstrafkammer durchgeführt worden war. Ein möglicher – aus dem Beschluss allerdings nicht erkennbarer – entgegenstehender Vorbehalt der Wirtschaftsstrafkammer ist ihrem Außervollzugsetzungsbeschluss nicht zu entnehmen. Deshalb stellen die „klarstellend“ gefassten Weisungen im hier angefochtenen Beschluss vom 17. Januar 2017 (Ausreiseverbot, Passhinterlegung) eine neue unzulässige – materielle Verschärfung der Lage des Angeklagten dar.

c) Aber auch die Tatsache, dass der Angeklagten diese Fernreise ins Ausland ohne vorherige Inkenntnissetzung der Strafkammer vorgenommen hat, rechtfertigt die weitere Aufrechterhaltung des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls nicht. Zum einen war der Angeklagte – schon formal gesehen – zu einer Anmeldung der Reise nicht verpflichtet. Auch ist er fristgerecht zur Erfüllung der anschließenden Meldeverpflichtung beim Polizeiposten in pp. zurückgekehrt. Zum anderen dürfen Beschränkungen, denen der Angeklagte durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO ausgesetzt ist, nicht länger andauern, als es nach den Umständen erforderlich ist (Senat wistra 2014, 78 f.; vgl. auch OLG Köln StV 2005, 396 [397]). Mag die Haftverschonung vor dem Hintergrund eines drohenden Vollzugs von Untersuchungshaft zunächst auch als Rechtswohltat empfunden werden, so ändert dies doch gleichwohl nichts daran, dass der Fortbestand des Haftbefehls vor allem auch unter Berücksichtigung der freiheitsbeschränkenden Auflagen nach wie vor mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit verbunden ist. Es versteht sich deshalb von selbst, dass auch ein weniger einschneidendes Mittel, durch welches eine schwerwiegendere grundrechts-beschränkende Maßnahme ersetzt worden ist, in seinem Fortbestand auch weiterhin im Lichte des Freiheitsrechts und unter Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit stets von Neuem zu überprüfen ist (vgl. BVerfGE 53, 152 [160]). Eine Haftsache ist deshalb auch dann wie eine Haftsache zu behandeln, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird, weil er außer Vollzug gesetzt ist (KG StV 1991, 473; KG StV 2003, 627 [628]; OLG Köln StV 2005, 396 [398]).“

Tja, das wird die Strafkammer nicht freuen, wenn ihr der OLG-Senat eine lange Nase zeigt und sagt: Wenn ihr die Beschränkung wolltet, dann hättet ihr sie auch in den Beschluss aufnehmen müssen. M.E. richtig/zutreffend.

Wer die Musik bestellt…

muss sie nicht immer bezahlen… Das folgt aus OLG Jena, Beschl. v. 16.11.2011 – 1 Ws 74/11, auf den ich nach den Wirrungen und Irrungen zwischen BGH und BVerfG (vgl. hier) hinweisen will.

Also wieder herab in die Niederungen des Alltagsgeschäftes und ein Hinweis auf  ein in der Praxis häufigeres Problem/eine häufigere Frage, die in dem Beschluss behandelt wird. Nämlich: Wer trägt eigentlich die Kosten für Alkohol- oder Drogenkontrollen, die in Erfüllung einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht dem Verurteilten aufgegeben worden sind? Dazu das OLG:

  1. Die Kosten für Alkohol- oder Drogenkontrollen, die in Erfüllung einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht durchgeführt werden, hat grundsätzlich der Verurteilte zu tragen.
  2. Diese Kostentragungspflicht des Verurteilten wird jedoch durch die Zumutbarkeitsklausel des § 68b Abs. 3 StGB begrenzt.
  3. Unzumutbare Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten werden dann gestellt, wenn dessen finanzielle Leistungsfähigkeit durch die von ihm zu tragenden Kosten für Alkohol- und Drogenkontrollen nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 oder Abs. 2 Satz 4 StGB überfordert wird.