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Aller guten Dinge sind drei – nochmals OLG München: Ordnungsgemäße Anklageschrift?

Der OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 5St RR (I) 64/11 – ist schon zweimal Gegenstand eines Postings gewesen (vgl. hier und hier), er ist aber auch noch wegen eines dritten Umstandes erwähnenswert. Im Verfahren ging es nämlich auch darum, ob die Anklageschrift ihre Umgrenzungs- und Abgrenzungsfunktion erfüllt. Es war ein BM-Delikt angeklagte, bei dem der Verteidiger Bedenken hatte, ob die gemachten Angaben konkret genug waren.

In der Anklage war (nur) ausgeführt:

Zu einem nicht genauen Zeitpunkt vor dem 15.04.2011, jedoch in unverjähr-ter Zeit, bewahrte der Angeschuldigte in seinem Zimmer in der Wohnung
              in                  in einer Gefriertüte eine nicht näher bekannte Menge Marihuana wissentlich und willentlich auf.

Das OLG hat das auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH als ausreichend angesehen:

Im vorliegenden Fall ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat durch die ge-naue Umschreibung des Aufbewahrungsortes des besessenen Rauschgifts – in einer Gefriertüte im Zimmer des Angeklagten in der Wohnung                       in
                            – hinreichend konkret umschrieben, so dass eine Verwechslung mit anderen Straftaten des Angeklagten ausgeschlossen ist. Unklarheiten, auf wel-chen Sachverhalt sich die Anklage bezieht, bestehen nicht. Die Unbestimmtheit in zeitlicher Hinsicht – in unverjährter Zeit vor dem 15. April 2011 – sowie hinsichtlich der Menge des besessenen Rauschgifts sind – mögen sie auch die sachgerechte Verteidigung etwas erschweren – zur Vermeidung von Lücken in der Strafverfol-gung hinzunehmen (vgl. BGHSt 40, 44, 48; OLG Hamm StraFo 2011, 92, 93; OLG München, Beschluss vom 19. April 2007 – 4 St RR 59/07).

An der Stelle also Punktsieg für die StA und Verwerfung der Revision zum Schuldspruch.

Blauäugig?

Na, ist das nicht – zumindest ein wenig – blauäugig, was das LG Tübingen in seinem Beschl. v. v. 04.08.2010 – 3 Qs 30/10 – schreibt/denkt. Der jugendliche Angeklagte kann kein Wort deutsch. Ihm wird die Anklageschrift unübersetzt zugestellt. Der Angeklagte beantragt dann die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Das LG sagt: Nein: Der Umstand, dass eine Anklageschrift einem Angeklagten, der der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig ist, ohne Übersetzung zugestellt wird, rechtfertige als solches nicht eine Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Sinne einer notwendigen Pflichtverteidigerbestellung. Aus der unterbliebenen Übersetzung resultiert in analoger Anwendung der Vorschriften über die Ladungsfristen zwar ein Aussetzungsanspruch; dieser mache aber die Rechtslage nicht schwierig, da über den Aussetzungsanspruch als solchen zwingend zu belehren ist und er noch in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden kann. Dies stelle keine (bei im Übrigen sehr leichten Tatvorwürfen) derartige Verkomplizierung der Rechtslage dar, dass ein Pflichtverteidiger zu bestellen wäre.

Das LG meint also wohl, dass der Jugendrichter den Angeklagten in der Hauptverhandlung entsprechend belehren wird. Nun ja, hoffentlich ist ein Dolmetscher geladen. Und: Muss man nicht die Schwierigkeit der Sache für den Angeklagten in einer Gesamtschau auch darin sehen oder zumindest auch damit begründen, dass der Amtsrichter ja einen Verfahrensfehler – Nichtübersetzung der Anklage – schon gemacht hat und daher ggf. weitere zu befürchten sind. Mir ist bei der Entscheidung „unwohl“.