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StPO III: Zulässige/unzulässige Nebenklägerrevision, oder: Erhebung der allgemeinen Sachrüge

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Und dann haben ich noch den schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 08.10.2024 – 5 StR 358/24 – zur Nebenklägerrevision.

Das LG hat die Angeklagte, u.a.  vom Vorwurf des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Nebenklägerin greift das Urteil mit der unausgeführten Sachrüge umfassend an. Hinsichtlich der Angeklagten A. A. hat der BGH die mit der Sachrüge geführte Revision der Nebenklägerin als unzulässig, hinsichtlich der Angeklagten S.A. hingegen als zulässig angesehen:

„1. Die Revision der Nebenklägerin ist hinsichtlich der Angeklagten A.A.unzulässig.

Nach § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung seiner Revision muss daher erkennen lassen, dass er mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, welche die Berechtigung zum Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 – 5 StR 546/23 mwN).

So liegt der Fall hier. Die Nebenklägerin hat die Revision lediglich mit der unausgeführten Sachrüge begründet, obwohl die Angeklagte wegen eines Waffendelikts verurteilt und lediglich teilweise freigesprochen worden ist. Sie hat daher entgegen den Anforderungen des § 400 Abs. 1 StPO nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sie in ihrer Stellung als Nebenkläger durch das Urteil beschwert und welches ihre Anschlussbefugnis stützende Strafgesetz verletzt sein soll. Vielmehr kann angesichts ihrer unbeschränkt eingelegten Revision nicht ausgeschlossen werden, dass sie lediglich eine andere Rechtsfolge für das abgeurteilte Waffendelikt erstrebt. Die Erhebung der unausgeführten Sachrüge genügt den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Nebenklägerrevision daher nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2019 – 3 StR 400/18; vom 27. Februar 2018 – 4 StR 489/17). Mit Blick auf die strengen Formvorgaben des Rechtsmittelrechts und die Dispositionsbefugnis der – anwaltlich vertretenen – Beschwerdeführerin über die Weite ihres Rechtsmittelangriffs kommt eine eigenmächtige Reduktion auf den gesetzlich zulässigen Anfechtungsumfang nicht in Betracht (vgl. LK-Wenske, StPO, 27. Aufl., § 400 Rn. 19).

2. Die Revision der Nebenklägerin ist hinsichtlich der Angeklagten S.A. hingegen zulässig.

Zwar hat die Nebenklägerin auch insoweit lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Es ergibt sich aber in der Zusammenschau mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift unzweifelhaft, dass sie insofern ein berechtigtes Anfechtungsziel im Sinne des § 400 Abs. 1 StPO verfolgt:

Die Angeklagte ist umfassend freigesprochen worden. Bei den ihr zur Last gelegten Delikten handelt es sich ausschließlich um solche, die die Beschwerdeführerin zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen. Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) ist ein Nebenklagedelikt nach § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO; die Anschlussberechtigung ist daher schon durch die Anschlusserklärung im Sinne des § 396 Abs. 1 Satz 1 StPO begründet worden, ohne dass es hierfür eines gerichtlichen Zulassungsbeschlusses bedurft hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2024 – 6 StR 365/23 mwN). Im Übrigen hat die Strafkammer gemäß § 396 Abs. 2 StPO „beschlossen“, dass „die Nebenklägerin … berechtigt [ist], sich dem Verfahren anzuschließen“. Damit ist die Beschwerdeführerin (konstitutiv) auch hinsichtlich des der Angeklagten zur Last gelegten Nebenklagedelikts des besonders schweren Raubes nach § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (§ 395 Abs. 3 StPO) als Nebenklägerin zugelassen. Betrifft der Freispruch eines Angeklagten aber allein nebenklagefähige Delikte, für die – wie hier – die Nebenklagebefugnis nach § 395 Abs. 1, § 396 Abs. 1 StPO und § 359 Abs. 3, § 396 Abs. 2 StPO gegeben ist, genügt die unausgeführte Sachrüge ausnahmsweise den Anforderungen des § 400 Abs. 1 StPO, weil dann das (berechtigte) Anfechtungsziel keinem Zweifel unterliegt (vgl. LK-Wenske, aaO, Rn. 22; ebenso KK-StPO/Allgayer, 9. Aufl., § 400 Rn. 3).“

Revisionsrecht: Manchmal wäre ein Sätzchen mehr bei der allgemeinen Sachrüge doch sicherer?

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Das LG hat eine das Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO).  Das LG hatte den Angeklagten verurteilt. Dagegen hat der mit einem per Fax übermittelten Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt und diese damit begründet, dass er die allgemeine Sachrüge erhebe. Seine Verwerfungsentscheidung hat das LG damit begründet, dass weder die Einlegungsschrift noch die Revisionsbegründung den nach § 344 Abs. 1 StPO erforderlichen Revisionsantrag enthalte, durch den der Umfang der Urteilsanfechtung bezeichnet werde. Zwar könne das Fehlen eines solchen ausdrücklichen Antrags dann unschädlich sein, wenn sich der  Umfang der Anfechtung aus dem Inhalt der Revisionsbegründung ergebe, was zum Beispiel dann angenommen werde, wenn – wie hier – die uneingeschränkte allgemeine Sachrüge erhoben werde. Das bei fehlendem Revisionsantrag zu berücksichtigende Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers im Verlauf des Verfahrens führten vorliegend aber dazu, dass es eines Revisionsantrages bedurft hätte: Der Angeklagte habe ein umfassendes Geständnis bezüglich aller zur Aburteilung gelangten Taten abgegeben und sich im letzten Wort für sein Fehlverhalten entschuldigt. Sein Verteidiger – „Fachanwalt für Strafrecht“ – habe im Schlussvortrag die Verurteilung seines Mandanten in allen Fällen beantragt, wenn auch teilweise mit anderer rechtlicher Würdigung und niedrigeren Strafen. Zudem habe er im Revisionseinlegungsschriftsatz ausdrücklich mitgeteilt, „Anträge und Begründungen“ blieben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Bei dieser Sachlage bleibe allein aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge völlig unklar, inwieweit der Angeklagte das Urteil anfechten wolle. Dies führe zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

Der BGH sieht das im BGH, Beschl. v. 25.07.2013 – 3 StR 76/13, mit dem er über den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisonsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) entschieden hat, anders:

„…Die vom Landgericht herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, ein Abweichen von der für Angeklagtenrevisionen geltenden, oben dargelegten Regel zu begründen. Die vom Landgericht für seine Rechtsauffassung zitierte Entscheidung des Senats (Beschluss vom 31. Ok-tober 1989 – 3 StR 381/89, NStZ 1990, 96) besagt nichts anderes: Auch in dieser Sache hatte der Angeklagte innerhalb der Begründungsfrist allgemein die Verletzung materiellen Rechts gerügt und keinen ausdrücklichen Antrag im Sinne der § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO gestellt. Der Senat hat entschieden, dass dies unter den gegebenen Umständen unschädlich sei; eines besonders hervorgehobenen Antrags bedürfe es dann nicht, wenn sich das Begehren des Beschwerdeführers sicher aus der Revisionsbegründung – auch unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrens – ergebe. Er hat dies näher damit begründet, dass der Angeklagte die mehreren selbständigen Taten, derentwegen er verurteilt worden war, insgesamt bestritten hat. Der vom Landgericht hieraus gezogene Umkehrschluss, der im vorliegenden Verfahren umfassend geständige Angeklagte, dessen Verteidiger nur teilweise von der Verurteilung abweichende Schlussanträge gestellt hat, müsse einen solchen Antrag ausdrücklich stellen, um seine Revision zulässig zu begründen, ist rechtlich nicht zutreffend. Auch unter diesen Umständen ergibt sich hier aus der Erhebung der un-eingeschränkten allgemeinen Sachrüge hinreichend sicher, dass der Angeklagte das Urteil umfassend anfechten will. Die Mitteilung im Einlegungsschriftsatz, dass „Anträge und Begründungen“ einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben, stellt eine den Angeklagten nicht bindende Ankündigung dar und vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Die vom Generalbundesanwalt zitierte Entscheidung (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288) und der dort seinerseits zitierte Beschluss des Bundes-gerichtshofes (Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) betreffen jeweils eine Revision der Staatsanwaltschaft, für deren zulässige Begründung hinsichtlich der Erforderlichkeit eines ausdrücklichen Antrags gemäß § 344 Abs. 1, § 352 Abs. 1 StPO unter den in diesen Entscheidungen dargelegten Umständen etwas anderes gelten kann.“

Man kann m.E. dem BGH folgen. Aber: Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen. Will heißen: Ggf. kann die allgemeine Sachrüge dann doch zu knapp sein. Ein Sätzchen mehr wäre dann sicherer.