Die zweite Entscheidung des Tages kommt aus Berlin. Es handelt sich um einen sog. „Raser-Fall“, zu dem das KG im KG, Beschl. v. 15.04.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19) – Stellung genommen hat.
Die Problematik der Entscheidung liegt erneut bei der Frage des so. Alleinrennens i.S. von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, das Hauptproblem bei der Anwendung dieser Neuregelung. Man merkt an der Stelle deutlich, dass das Eingreifen des Rechtsausschusses im Gesetzgebungsverfahren besser unterblieben wäre.
Das LG hatte den Angeklagten wegen eines Alleinrennens verurteilt. Dagegen die Revision, die das KG nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen hat. Nun ja, so „offensichtlich“ kann es nicht gewesen sein, denn dann müsste man nicht noch einiges „anmerken“. Und zwar:
„Die Stellungnahme des Verteidigers vom 9. April 2019 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Insbesondere folgt der Senat nicht der darin vertretenen Auffassung, der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und namentlich das subjektive Merkmal der „höchstmöglichen Geschwindigkeit“ erfordere ein „volles Ausreizen“ eines Kraftfahrzeugs. Ein solches Erfordernis würde den Täter, der ein hochmotorisiertes Fahrzeug führt und sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht, ohne an das Limit der technischen Leistungsfähigkeit zu gehen, unangemessen und sinnwidrig begünstigen. Das Gesetz stellt hier auf die „relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit“ ab (vgl. BeckOK/Kulhanek, 41. Ed. 1.2.2019, StGB § 315d Rn. 42; MüKo/Pegel, StGB 3. Aufl., § 315d Rn. 26; vgl. auch BT-Drs. 18/12964, 5). Dies fasst insbes. die fahrzeugspezifische Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit (wobei diese nicht erreicht sein muss), das subjektive Geschwindigkeitsempfinden, die Verkehrslage und die Witterungsbedingungen zusammen (BT-Drs. 18/12964, 5). Auf diese Weise sollen der nachgestellte Renncharakter manifestiert, bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen hingegen nicht von der Strafbarkeit umfasst werden, auch wenn sie erheblich sind (BT-Drs. 18/12964, 6). Gerade nicht erforderlich ist demnach, dass der Täter tatsächlich mit der fahrzeugspezifisch höchstmöglichen Geschwindigkeit gefahren ist (vgl. Schönke/Schröder/ Hecker, StGB 30. Aufl., § 315d Rn. 9).
Ergänzend merkt der Senat noch an:
Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) ist eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB angezeigt. Angesichts des außergewöhnlichen Tatgeschehens ist die Verwirklichung des objektiven („nicht angepasste Geschwindigkeit“) und subjektiven („um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“) Tatbestands der Vorschrift hier jedoch manifest. Denn nach den durch eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung getragenen Feststellungen – insoweit wird ausdrücklich auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bezug genommen – wollte der Angeklagte, „um sich zu profilieren“ und seinen Beifahrern „zu imponieren“ (UA S. 8), einen mit 605 PS motorisierten Mietwagen „einmal austesten“ (UA S. 8) und raste hierzu über eine Strecke von zumindest 3,8 km durch das innerstädtische Berlin, wobei er eine Geschwindigkeit von „mindestens 150 km/h“ (UA S. 7) erreichte. Es galt durchgehend die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Durch aggressivruckartiges Lückenspringen zwang der Angeklagte andere Verkehrsteilnehmer immer wieder dazu abzubremsen. Diese und weitere im Urteil anschaulich geschilderte Feststellungen zeigen, dass die Tat über eine bloße Geschwindigkeitsüberschreitung hinausgeht (vgl. BT-Drs. 18/12964, 6). Sie tragen auch bei zurückhaltender Auslegung die Anwendung der neuen Strafvorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.“