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Porsche versus Mercedes beim Rückwärtsausparken, oder: Schadensteilung ist gerecht

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Autor: Lord of the Wings© from Toronto, Canada

Und heute im „Kessel Buntes“ zwei AG-Urteil zum Verkehrszivilrecht.

Zunächst stelle ich das AG Pfaffenhofen, Urt. v. 23.09.2022 – 1 C 427/21 – vor. Es geht um die Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall. Ereignet hat sich der Verkehrsunfall am 31.03.2021 um 10.45 Uhr auf der B-Straße in R-Stadt auf Höhe der Hausnummer 12 bzw. 17. Die Klägerin parkte ihren Pkw Porsche vor dem Parkplatz des dortigen Geschäfts „Haarkunst“ in der B-Straße in R-Stadt. Zur gleichen Zeit parkte die Beklagte zu 2. mit ihrem Pkw Mercedes auf einer Fläche vor dem Anwesen der B-Straße 12 leicht schräg im Bereich der dortigen Volks- und Raiffeisenbank, etwa gegenüber der Klägerin auf der gegenüberliegenden Seite. Die Klägerin parkte sodann rückwärtsfahrend über die Gegenfahrbahn auf die B-Straße aus. Auch die Beklagte zu 2. parkte rückwärts auf die B-Straße aus allerdings auf die ihr nächstgelegene Fahrbahnseite. Im Bereich der Fahrbahn der Beklagten zu 2. kam es sodann zur Kollision beider Fahrzeuge. Der Unfallhergang war zwischen den Parteien streitig.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) hat auf den Schaden 50 % gezahlt. Die Klägerin macht mit der Klage die restlichen 50 % geltend. Das AG sagt: Gibt es nicht. Halbe/halbe ist ok, denn der Unfall war für keinen Unfallbeteiligten unabwendbar..

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Ein jeweils anderer Verkehrsteilnehmer im Sinne von §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 1 StVO ist nicht nur der fließende Verkehr, sondern jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Hierzu gehören auch diejenigen, die auf der jeweils anderen Straßenseite selbst ein Fahrmanöver durchführen, um in die Fahrbahn einzufahren.
  2. Kommt es in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren in den fließenden Verkehr zu einer Kollision, spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Einfahrenden.
  3. Die der Rückwärtsfahrt innewohnende besondere Gefährlichkeit kann auch beim rückwärts Ausparken auf die Gegenfahrbahn leicht erhöht werden, da dieser den längeren Fahrweg hat und zusätzlich noch die Gegenfahrbahn überqueren muss.

Lachen oder weinen?, oder: Verteidiger braucht man nicht, man kann der StA vertrauen

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Auf eine interessante Entscheidung aus Bayern hat mich vor einigen Tagen mein Sozius aufmerksam gemacht, nachdem sie in der Mailiung-Liste der ARGE Strafrecht gelaufen ist. Fazit aus dem AG Pfaffenhofen, Urt. v. 07.12.2015 – 1 C 764/15:  Wer sich gegen eine gegen ihn erstattete Strafanzeige durch Einschaltung eines Verteidigers verteidigt, bleibt, wenn das Verfahren eingestellt wird, i.d.R. auf den dadurch entstandenen Kosten sitzen.

Nach dem Sachverhalt hatte der Beklagte gegen den Kläger Strafanzeige wegen des Verdachts eines Diebstahls von Dieselkraftstoff aus Fahrzeugen des Arbeitgebers des Klägers erstattet. Vorausgegangen war eine Pressenotiz der Polizei. Der Kläger nahm sich einen Verteidiger. Nachdem der für den Kläger im Ermittlungsverfahren eine Äußerung abgegeben hatte, wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Kläger machte dann gegen den Beklagten die bei seinem Verteidiger entstanden Gebühren als Schadenersatz gemäß § 164 StGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 249 BGB geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Das AG verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGh. Danach verstößt die Anwendung des Schadensersatzrechts, die den gutgläubigen Strafanzeigenerstatter mit dem Risiko des Schadensersatzes für den Fall belastet, dass seine Anzeige nicht zum Erweis behaupteten Vorwurfs führt, gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG NJW 1987,1929). Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (BGHZ 74, 9). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Strafanzeige wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet worden ist (BVerfG, a.a.O.). Das war aber nicht der Fall.

Auf den ersten Blick dann vielleicht doch überraschend. Ist aber eben die Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung. Und das gilt nicht nur, wenn es um die Abwehr einer Strafanzeige geht, sondern auch, wenn es die Kosten der Erstattung einer Strafanzeige im Rahmen eines ggf. entstehenden Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger über § 823 BGB im Spiel sind (vgl. dazu BGH NJW 2011, 2966; OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 33).

Was mich an der Entscheidung des AG stört sind weitere Ausführungen des AG, die m.E. neben der Sache liegen und zudem auch so nicht zutreffend sind. Da heißt es:

„Darüber hinaus bestand für den Kläger überhaupt keine Notwendigkeit, zu seiner Verteidigung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, seine Sachverhaltsversion selbst gegenüber der Polizei schriftlich oder im Rahmen einer Vernehmung, zu der er geladen wurde, zu schildern. Dass es hierfür der Einschaltung einer Rechtsanwältin bedurfte, ist nicht ersichtlich……

„Darüber hinaus hätte der Kläger auch auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als staatliche Ermittlungsbehörde vertrauen könne, da diese nicht zur zulasten, sondern auch zugunsten des Beschuldigten ermittelt.“

Also:

  • Diese Ausführungen wären bei dem vom AG eingenommenen Rechtsstandpunkt überhaupt nicht erforderlich gewesen, da das AG schon einen Schadensersatzanspruch verneint hat. Was soll das also?
  • Zudem sind sie m.E. auch falsch. Denn offenbar will das AG damit ggf. einen Verstoß gegen § 254 BGB begründen. Dem dürfte aber wohl § 137 StPO entgegenstehen. Der erlaubt es dem Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen.
  • Und: Zu dem „Vertrauen“ in die Staatsanwaltschaft verkneife ich mir einen weiteren Kommentar, außer: Mit dem Argument könnte man die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers immer verneinen. Da war wahrscheinlich ein reiner Zivilst am Werk. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.