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OWi III: Unzulässige Anforderung des Passfotos, oder: Datenschutzverstoß ==> Einstellung

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Und als dritte Entscheidung zum Tagesschluss dann der AG Landstuhl, Beschl. v. 08.01.2020 – 2 OWi 4211 Js 12883/19. Nichts Neues, aber erfreulich, weil das AG seine frühere Rechtsprechnung bestätig, nach der Passfotos von einem Betroffefen, dem eine OWi zur Last gelegt wird, nicht zum Abgleich mit einem Messfoto von der Passbehörde angefordert werden dürfen, bevor der Betroffene erstmals durch die Bußgeldbehörde mit dem Vorwurf konfrontiert wird.Das AG stellt in solchen Fällen das Verfahren ein:

„Das Verfahren war hier aus Gesichtspunkten des Opportunitätsgrundsatzes einzustellen. Denn vorliegend liegt ein erheblicher Verfahrensverstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, der zwar den staatlichen Strafanspruch im konkreten Fall nicht an sich beseitigt, jedoch so erheblich im Sinne vorsätzlichen Vorgehens ist, dass vorliegend eine Sanktionierung mittels der Rechts- und Regelfolgen der BKatV nicht vereinbar wäre.

Hier wurde das Passbild des potentiellen Betroffenen durch die vor Ort ermittelnde Polizei angefordert, bevor der Betroffene erstmals mit dem Vorwurf durch die Bußgeldbehörde konfrontiert worden war (Bl. 27 und 29/30 d.A.). Dies verstößt gegen §§ 22 Abs. 2 und 3 PassG bzw. § 24 Abs. 2 und 3 PAuswG (AG Schleswig, Beschluss vom 19.11.2018 – 53 OWi 107 Js 24000/18 – BeckRS 2018, 41318; AG Landstuhl, Beschluss vom 26. Oktober 2015 – 2 OWi 4286 Js 7129/15 –, juris).

Angesichts der Vielzahl von Fällen besteht die Befürchtung, dass die beauftragten Polizeidienststellen im Saarland die datenschutzrechtliche Problematik ihres Vorgehens nicht einmal kennen oder verstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Der Betroffene hat für das behördliche Fehlverhalten keine Veranlassung gegeben.“

Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale

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An meinem „Gebührentatg“ merke ich immer, wie schnell eine Woche dahinfliget, denn, wenn es dann wieder Freitag ist, meine ich immer, dass ich doch gerade erst Gebühren- und/oder Kostenrechtsentscheidungen vorgestellt habe. So auch heute wieder.

Heute eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale (AVP) nach Nr. 9003 KV GKG. Auf die bin ich beim Kollegen Gratz vom VerkehrsRechtsBlog gestoßen. Es geht um die Frage, ob die AVP geltend gemacht werden kann, wenn es um den Ausdruck einer elektonisch geführten (Bußgeld)Akte (§ 110a OWiG) geht. Grds. ist diese Art der Aktenführung zwar zulässig, allerdings bedarf es dazu nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG einer Rechtsverordnung. Und die gibt es in Rheinland-Pflaz (noch) nicht, dennoch werden die Akten aber elektronisch geführt. In dem Fall darf, das hatte u.a. auch schon der AG Pirmasens, Beschl. v. 14.04.2017 – 1 OWi 424/16 – entschieden, die AVP nicht erhoben werden.

Und dem haben sich nun das AG Trier im AG Trier, Beschl. v. 02.02.2020 – 35a OWi 1/20 – und das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 OWi 189/19 – angeschlossen. Aus den Gründen des AG Trier, Beschlusses:

„Der Antrag ist auch begründet, da es im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung fehlt.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Trotz fehlender Rechtsgrundlage werden die Akten bei der Bußgeldstelle elektronisch geführt (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (AG Pirmasens, Beschluss vom 14.04.2017 – 1 OWi 424/16; AG Landstuhl, Beschluss vom 29.11 .2019 – 2 OWi 157/19).“

Risse in den Bremsscheiben, oder: Die Polizeibeamten haben „Schulungsbedarf“ für die Sichtkontrolle

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Urheber Erkaha

Und zum Abschluss des heutigen Tages stelle ich dann noch das AG Landstuhl, Urt. v. 31.05.2017 – 2 OWi 4286 Js 1481/17 – vor Ergangen ist das Urteil in einem Bußgeldverfahren, in dem dem betroffenen Lkw-Fahrer das Mitführen einer nicht betriebsbereiten Warnleuchte  vorgeworfen wurde und zudem, sein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war.

Den letzteren Vorwurf hat die Hauptverhandlung nicht bestätigt. Vorgeworfen worden waren Risse in den Bremesscheiben, die durch Sichtkontrolle festgestellt worden sein sollten. Der Betroffene hat aber einen Werkstattbesuch nachgewiesen, bei dem zwar erhebliche Mängel festgestellt worden waren, jedoch nur die unverzügliche Beseitigung angeordnet worden ist, nicht aber die Weiterfahrt untersagt wurde. Zusätzlich hatte er ein Schreiben eine Prüfingenieurs zu den Akten gereicht, in welchem dieser die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs bestätigte. Dazu dann noch das AG:

„Der im Termin im Rahmen eines mündlichen Gutachtens gehörte Sachverständige Dipl.-Ing. pp. bestätigte die Einschätzung des Prüfingenieurs, dass die Risse in den Bremsscheiben, die durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder 1-10 auf As10-14 in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, zwar zu einem erheblichen Mangel, nicht aber zu einer Verkehrsunsicherheit führen. Bei dem hier vorliegenden LKW der Klasse N2 (bis 12t) gibt es zum einen konkrete Vorgaben zu Risslänge, -breite und -tiefe, die zur Beurteilung der Mangelqualität heranzuziehen sind (Werte zu finden z.B. unter http://grips.gtue.de). Diese wurden vorliegend schon nicht erhoben. Zum anderen fand durch die aufnehmenden Zeugen keine Bewertung des aufgefundenen Mangels nach der Richtlinie für die Durchführung von Hauptuntersuchungen (Vkbl. Heft 11 – 2012, S. 419 ff.) statt. Nach dieser besteht eine potentielle Verkehrsgefährdung bei erheblichen Mängeln, nicht aber eine Verkehrsunsicherheit. Diese liegt, ausweislich der Richtlinie, erst dann vor, wenn ein Mangel eine unmittelbare Verkehrsgefährdung darstellt. Diese jedoch konnte die Beweisaufnahme vorliegend, insbesondere mangels Vermessung der Risse und mangels Auseinandersetzung mit dem bei der Kontrolle vorliegenden Prüfgutachten nicht bestätigen.

Dass vorliegend bei der Kontrolle durch bloße Inaugenscheinnahme und Erfahrungswerte eine nur wenige Tage zuvor erfolgte technische Prüfung durch einen Sachverständigen gewissermaßen „überstimmt“ wurde, spricht für einen gewissen Schulungsbedarf in technischer Hinsicht bei einschlägigen Kontrollen, zumal es nicht das erste Mal in diesem Gerichtsbezirk ist, dass LKW als vermeintlich verbotswidrig fahrend klassifiziert wurden, ohne dass dies durch den Sachverständigen bestätigt werden konnte, sondern im Gegenteil die dort vorgenommene Ladungsart den Vorgaben entsprach (AG Landstuhl, Urt. v. 08.06.2015 – 2 OWi 4286 Js 300/15 – juris).“

Nach diesem „Schulungsaufruf“ hat es aber keinen Teilfreispruch gegeben. Es lag tateinheitliche Begehungsweise vor. Daher also auch keine Kostenquotelung. Aber das dürfte dem Betroffenen im Hinblick auf ersparte Punkte auch egal sein.

Brückenabstandstandsmessverfahren/VAMA ist standardisiert, oder: Welche Kamera , das ist egal.

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Vor einiger Zeit/einigen Jahren ist bei den Abstandsverstößen die Diskussion um die Zuverlässigkeit der Messung mit dem Brückenabstandsmessverfahren mit dem Charaktergenerator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50-E geführt. Einige Gerichte habe, Messungen mit dem Messverfahren (damals) als nicht standardisiert angesehen, wenn nicht die „richtige“ Kamera verwendet worden ist. Zu der Diskussion musste jetzt noch einmal das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Urt. v.06.02.2017 – 2 OWi 4286 Js 12911/16 – Stellung nehmen. Das AG sagt dazu:

Die Messung mit dem Brückenabstandsmesssystem mit dem Charaktergenerator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50-E ist ein sog. standardisiertes Messverfahren. Und zur Kamera:

„Der Betroffene hat vorgerichtlich und im Termin unter Berufung auf die Entscheidung OLG Bamberg (DAR 2008, 98) die Eignung der Messung als standardisiert angezweifelt, da vorliegend keine JVC, sondern eine Sanyo-Kamera zum Einsatz kam. Der zugehörige Schriftsatz As77 wurde nach entsprechendem Beschluss verlesen.

Dieser Einwand verfängt nicht. Zum einen beruht die Standardisierung des Messsystems einzig auf dem Charaktergenerator (OLG Bamberg, zfs 2013, 290), der im Zusammenspiel mit einer Kamera geeicht sein muss, was vorliegend der Fall war. Zum anderen beruhte die im Jahr 2007/2008 geführte Diskussion ausschließlich auf dem Problem, ob so genannte PAL-Kameras zum Einsatz kamen oder nicht (vgl. Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., Rn. 489 m.w.N.). Nachdem hier eine solche Kamera zum Einsatz kam (vgl. Auswerteprotokoll As9), stellt sich die Frage nach möglichen Messabweichungen gar nicht.“

Thema also erledigt.

Hohe THC-Konzentration = vorsätzliche Drogenfahrt, oder: Teurer Joint

Und dann habe ich noch eine AG-Entscheidung, nämlich den AG Landstuhl, Urt v. 13.03.2017 – 2 OWi 4286 Js 809/17 – betreffend eine Drogenfahrt anch § 24a Abs .2 OWiG. Das AG hat den Betroffenen wegen Vorsatz verurteilt. Angetreoffen wurde der Betroffen am 16.07.2016 um 00:50 Uhr. In einer um 02:28 Uhr entnommenen Blutprobe wurde THC in einer Höhe von 10 ng/ml nachgewiesen, wobei die THC-Carbonsäure mit 45 ng/ml gemessen wurde. Zum Vorsatz führt das AG aus:

„Nachdem der Betroffene vor der Hauptverhandlung die vorsätzliche Begehensweise, die bereits im Bußgeldbescheid vorgeworfen wurde, bestritten hat, hat das Gericht in der Hauptverhandlung noch eine ergänzende mündliche Erläuterung des Gutachtens durch die Sachverständige Dr. pp.. in Auftrag gegeben. Diese erläuterte, dass – nachdem allgemeines und konkretes Konsumverhalten des Betroffenen nicht bekannt sind – die gemessenen Werte auf die wahrscheinlichste und auch im Gutachten festgehaltene Interpretation hinauslaufen, nämlich einen zeitlich engfristigen Konsum von Cannabisprodukten, d.h. ca. ein bis zwei Stunden vor der Blutabnahme. Weder seien der genaue Zeitpunkt noch die Menge dogmatisch bestimmbar. Die gemessenen Werte enthielten zudem keinen Hinweis auf regelmäßigen Konsum. Bei solchem Konsum würden die Werte der THC-Carbonsäure über die Zeit akkumuliert werden und wären mit dem hier gemessenen Wert nicht vereinbar. Vielmehr spreche die höchste Wahrscheinlichkeit für eine bewusste, aktive Aufnahme von Cannabisprodukten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Autofahrt. Andere Konstellationen könnten aus medizinischer Sicht zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht als wahrscheinlich bewertet werden. Bei regelmäßigem Konsum und hohen Dosen wäre zudem ein niedrigerer THC-Wert zu erwarten gewesen. Das Gericht hat sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung angeschlossen, nachdem das bereits verlesene schriftliche Gutachten bereits die wesentlichen Informationen enthalten hatte.

Ergebnis: Geldbuße ist nach § 3 Abs. 4a BKatV verdoppelt worden. Teurer Joint.