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OWi I: Neueres zur Einsicht in Messunterlagen, oder: Gesamte Messserie?, Datenschutz, Rechtsbeschwerde

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Heute dann ein Tag mit OWi-Entscheidungen. Da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt. Allen Kollegen, die mir Entscheidungen geschickt haben, an dieser Stelle (noch einmal) ein herzliches Dankeschön.

Dieses erste Posting enthält verschiedene Entscheidungen zur (Akten)Einsicht bzw. besser: Zur Einsicht in Messunterlagen. Dazu stelle ich folgende Entscheidungen – hier nur mit dem Leitsatz – vor:

  • KG, Beschl. v. 20.04.2021 – 3 Ws (B) 84/21 – in dem das KG zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, mit der geltend gemacht wird, die Hauptverhandlung hätte wegen bislang nicht gewährter Einsicht in Rohmessdaten ausgesetzt werden müssen, Stellung genommen hat, und zwar:
    1. Das Recht des Betroffenen auf Einsicht in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen hat seinen Ursprung im Recht auf Gewährleistung eines fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK.
    2. Die zulässige Verfahrensrüge erfordert insbesondere die Darlegung, dass der Betroffene den Zugang zu nicht zur Akte genommenen Unterlagen schon rechtzeitig im Bußgeldverfahren begehrt und im Verfahren nach § 62 OWiG weiterverfolgt hat.
    1. Die geltend gemachte Verweigerung des Zugangs zu dem Gericht nicht vorliegenden (Mess-)Unterlagen stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
    2. Eine ausdehnende Auslegung oder analoge Anwendung der Regelung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG auf Fälle von Verstößen gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens kommt nicht in Betracht.
    3. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Ablehnung eines Beweisantrages kann im Zulassungsverfahren nur dann vorliegen, wenn die Ablehnung willkürlich ist.
    4. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nicht allein deshalb, weil das amtsgerichtliche Urteil nicht mit Entscheidungsgründen versehen ist.

Aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren ergibt sich daher, dass auch ein privater Gutachter Einsicht in die gesamte Messreihe bekommen muss.

Für die Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung benötigt der Betroffene den Zugang zu den Messunterlagen, insbesondere zu den Rohmessdaten in Form des vollständigen Messfilms. Diese sind herauszugeben. Datenschutzrechtliche Belange stehen nicht entgegen.

Die Einschätzung, ob bestimmte Informationen für die Verteidigung von Bedeutung sein können, obliegt in erster Linie der Verteidigung. Ungeachtet der Bedenken, die hinsichtlich der Relevanz der gesamten Messreihe im Hinblick auf die konkrete Messung des Betroffenen bestehen, kann die Möglichkeit aus der gesamten Messreihe potentielle Entlastungsmomente abzuleiten nicht von vorneherein und pauschal verneint werden. Die Daten sind herauszugeben. Datenschutzrechtliche Belange stehen nicht entgegen.

„Ist das denn so schwer?“, oder: Absetzen des Urteils während des Verteidigerplädoyer ==> Befangen…

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Und auch die letzte Entscheidung stammt aus der Rubrik: „Ist das denn so schwer?“. Dieses Mal richtet sich die Frage an einen Richter, der im Bußgeldverfahren schon während des Plädoyers des Verteidigers die Urteilsformel geschrieben und unterschrieben hat. Das AG Fürth sagt im AG Fürth, Beschl. v. 24.07.20178 – 471 OWi 704 Js 105668/18: Der ist/war befangen.

„Dem zulässigen Ablehnungsgesuch war stattzugeben.

Zunächst ist festzuhalten, dass nach § 24 Abs. 2 StPO die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet ist, wenn ein Grund vorliegt, der, geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es kommt also weder darauf an, ob der Richter tatsächlich parteiisch ist oder sich für befangen hält, noch darauf, ob der Ablehnende subjektiv diesen Eindruck hat. ‚Maßgeblich ist allein, ob ein vernünftiger Betroffener nach dem ihm bekannten Sachverhalt bei verständiger Würdigung Grund zur Annahme hat, der Abgelehnte nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne (BGH1, 34, 39).

Das Verhalten des Richters während der Hauptverhandlung kann die Ablehnung begründen, wenn es besorgen lässt, dass er nicht unvoreingenommen an die Sache herangeht, insbesondere von der Schuld des Betroffenen bereits endgültig überzeugt ist. Ein Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich aus dessen Verhalten ergibt, dass das Ergebnis der Entscheidungsfindung bereits feststeht, obgleich dem Betroffenen noch rechtliches Gehör zu gewähren ist. Das ist hier der Fall; weil Richter am Amtsgericht pp. schon während des Plädoyers des Verteidigers das Urteil abgesetzt hat.“

Es kann doch nicht so schwer sein, zu warten, bis das Plädoyer zu Ende ist und der Betroffene ggf. das letzte Wort hatte……