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Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren, oder: Mal wieder falsch – AG Charlottenburg

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem AG Charlottenburg, Urt. v. 17.01.2020 – 220 C 85/19 – aus Berlin. Das AG hat über die anwaltlichen Gebühren in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren entschieden. M.E. falsch:

Ein weitergehender Zahlungsanspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten aus der streitgegenständlichen Bußgeldverfahren steht dem Kläger nicht zu.

In Bezug auf die vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers ist die von diesem abgerechnete Rahmengebühr unbillig hoch und rechtfertigt über den bereits von der Beklagten vorgerichtlich bezahlten Betrag keine weitere Forderung. Angemessen ist hier vorliegend lediglich eine Gebühr im unteren Bereich des Gebührenrahmens und damit höchstens so viel, wie von der Beklagten bereits bezahlt wurde:

Nach § 14 RVG hat der Rechtsanwalt seine Gebühren im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeitseiner Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-. und Vermögensverhältnisse seines Auftraggebers zu bestimmen. Dabei ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung im Verhältnis zu einem zur Zahlung verpflichteten Dritten nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist hier der Fall.

Die Tätigkeit des Klägervertreters rechtfertigt nicht die von diesem abgerechnete Mittelgebühr. Die Abweichung des angemessenen Betrages zu dem in Rechnung gestellten liegt bei rund 25 % und ist damit unbillig. Vorliegend führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen ein standardmäßiges Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht, was keinerlei Schwierigkeiten aufwies. Generell ist nach weitverbreiteter Rechtsprechung der Ansatz einer Mittelgebühr für durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten in Abgrenzung zu anderen Ordnungswidrigkeiten nicht gerechtfertigt. Die Mittelgebühr ist der Richtwert für die Abrechnung einer durchschnittlichen anwaltlichen Tätigkeit. Sie ist demnach angemessen für Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Umfang im Bereich der Ordnungswidrigkeiten. Zu beachten ist, dass die Bedeutung, Schwierigkeit und der Umfang der Angelegenheiten im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten im Vergleich dazu regelmäßig unterdurchschnittlich ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass es Fachanwälte für Verkehrsrecht gibt. Zum einen bilden die Verkehrsordnungswidrigkeiten nur einen Teil der fachanwaltlichen Tätigkeit. Ein weiterer, weitaus schwieriger Bereich, sind beispielsweise Verkehrsunfälle. Zum anderen treten Verkehrsordnungswidrigkeiten im Alltag sehr häufig auf und betreffen eine Vielzahl von Menschen. Es handelt sich in der Regel um standardisierte Verfahrensabläufe mit immer gleicher bzw. ähnlichem Ablaufmuster. Die rechtlichen oder tatsächlichen Probleme sind meist ähnlich gelagert und erschöpfen sich in einem bestimmten Problemkreis. Eine neuartige Problemstellung, die eine gesteigerte Eigenleistung des Rechtsanwalts erfordert, ist regelmäßig nicht gegeben, sodass die Mittelgebühr in der Regel nicht angemessen ist (vgl. Landgericht Cottbus, Beschluss vom 29.05.2007, 24 Os 77/07; Landgericht Kassel, Beschluss vom 20.05.2019, 8 Os 18/19 mit weiteren Nachweisen). Die Prüfung des hier vorliegenden Einzelfalls kommt dabei zu keinem, anderen Ergebnis. Der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit beschränkt sich vorliegend auf das Einlegen des Einspruchs: ohne Begründung; die Einsichtnahme in die verfahrensrelevanten Unterlagen, die Wahrnehmung des Gerichtstermins und den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ohne Begründung und dessen Rücknahme. Der Klägervertreter hat keine weiteren Schriftsätze verfasst. Der Umfang der Ermittlungsakten mit 32 Seiten ist durchschnittlich. Die Kontrolle der Funktionsfähigkeit des Messgerätes einschließlich der Bedienungsanleitung und des Ausbildungsnachweises des ausführenden Polizisten ist in solchen Verfahren ein standardisiertes Vorgehen und erfordert eher geringen Aufwand. Auch wenn die einzelnen Unterlagen hierzu mehrere Seiten lang sind, deutet dies nicht auf einen gesteigerten Umfang hin. Die entscheidenden Dokumente entsprechen standardmäßiger Lektüre in solchen Bußgeld-verfahren und allein ihre Bearbeitung rechtfertigt nicht die Annahme eines auch nur durchschnittlichen Aufwandes für den Rechtsanwalt. Auch die mündliche Verhandlung war mit 45 Minuten von durchschnittlicher Länge. Die Ladung eines Zeugen steigert nicht den Umfang und die Schwierigkeit in einem solchen Verfahren. Vielmehr ist auch dies in einem üblichen Bußgeldverfahren regelmäßig der Fall. Das Verfahren wies überdies keinerlei Schwierigkeiten auf. Es gab ein Frontfoto des Klägers, auf dem er einwandfrei erkennbar war. Die Aufgabe bestand demnach in diesem Fall allein darin, die Richtigkeit der Messung anhand der Unterlagen und hinsichtlich typischer Fehlerquellen zu kontrollieren. Die Behauptung des Klägers, er sei im Pulk gefahren, wodurch Messungen besonders fehlerträchtig seien, wird durch das von ihm vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in seiner Bußgeldsache widerlegt Hier führt die Richterin aus, es werde durch das Messbild widerlegt, dass der Betroffene im Pulk gefahren sei. Das Messbild lag dem Rechtsanwalt schon bei Einsichtnahme in die Akte vor. Auch die Höhe des Bußgeldes. mit 100,00 € liegt im untersten Bereich des Bußgeldrahmens. Es stellt für den Kläger, der als IT-Manager tätig ist, keine empfindliche Geldbuße dar. Auch durch die Eintragung des Punktes drohen dem Kläger keine weiteren Folgen wie etwa den Entzug der Fahrerlaubnis. Das schon jetzt jeder Punkt bedeutsam sein soll, weil er „eine Stufe auf der Leiter zum Entzug der Fahrerlaubnis darstelle“ und nun höhere Bußgelder im Falle weiterer Geschwindigkeitsüberschreitung verhängt würden, ist nicht überzeugend. Es ist schon nicht zu berücksichtigen, inwieweit der Kläger durch eventuell in der Zukunft begangene Rechtsverstöße dieser Art höher belastet werden wird. Er kann es immerhin selbst vermeiden, weitere Verstöße in der Zukunft zu begehen.“

Und:

Hinsichtlich der Rücknahme des Antrages auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nur der von dieser anerkannte Betrag von 214,20 € zu.

Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers abgerechnete zusätzliche Gebühr gemäß Nummer 5115, 5113 VV RVG kann hier nicht abgerechnet werden, da diese nicht angefallen ist.

Eine solche Gebühr fällt nur an, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt oder die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Hier käme nur eine Hauptverhandlung in 2. Instanz infrage. Für die Anberaumung einer solchen Hauptverhandlung müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen (vgl. für die Revision OLG Hamm, Beschluss vorn 20.06.2006, 4 Ws 144/06). Sinn und Zweck der zusätzlichen Gebühr ist es, die Mithilfe an der Verkürzung und Vereinfachung des gerichtlichen Verfahrens und die damit verbundene Entlastung des Gerichts zu belohnen (Landgericht Cottbus, Beschluss vom 29.05.2007, 24 Os 77/07). Vorliegend war die Rechtsbeschwerde schon nicht nach § 79 OWIG, zulässig, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, warum der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde Erfolg haben sollte. Somit war es kaum im Bereich des Möglichen, dass es überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung in 2. Instanz gekommen wäre, insbesondere da der Antrag vor der Rücknahme noch nicht einmal begründet wurde. In einem solchen Fall, wo ein kaum erfolgsversprechender Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und noch vor der Begründung zurückgenommen wird, hat der Rechtsanwalt nicht durch sein Verhalten dazu beigetragen, dass eine Hauptverhandlung. verhindert wird.“

Folgen kann ich dem AG vielleicht noch bei der Nr. 5115 VV RVG. Aber die Ausführungen zu § 14 RVG sind m.E. falsch. Und jetzt muss ich wieder vorsichtig sein, sonst heißt es: Er pöbelt. Aber, was man erwarten können sollte, ist, dass sich ein AG mit der umfangreich vorliegenden Rechtsprechung zu der von ihm entschiedenen Frage auseinander setzt und nicht nur auf “ weitverbreitete Rechtsprechung“ verweist und dann eine LG-Entscheidung aus 2007 (!) und eine aus 2019 zitiert, die übrige Rechtsprechung aber völlig außen vorlässt. Dass solche Entscheidungen dann bei den RSV große Freude auslösen, ist klar. Und die werden dann als „h.M.“ dem Verteidiger gern entgegen gehalten. Obwohl die „h.M.“ m.E. anders lautet.

Abschleppfall der besonderen Art, oder: Geladen werden muss das Elektrofahrzeug, sonst ist es weg.

entnommen wikimedia.org Urheber Hiddenhauser

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Urheber Hiddenhauser

Einen Abschleppfall der besonderen Art hat das AG Charlottenburg im AG Charlottenburg, Urt. v. 16.11.2016 – 227 C 76/16 – entschieden. Gestritten wurde um die Rückzahlung von 150 EUR, die der Kläger an ein Abschleppunternehmen hatte zahlen müssen, um sein Elektrofahrzeug wieder zu bekommen. Das hatte er gegen 15:00 Uhr in einem Straßenabschnitt in Berlin, der zur Privatstraße umgewidmet worden und entsprechend als solche ausgeschildert war, abgestellt. In dem Straßenabschnitt hatte die Eigentümerin ein Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ anbringen lassen; darunter war ein weiteres Schild mit dem Zusatz „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs frei“ befestigt. Dort befanden sich zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Eine der beiden Ladestationen war bereits durch ein Fahrzeug belegt, das sich im Aufladevorgang befand; bei der zweiten – freien – Ladestation war das Kabel nicht für das von dem Kläger genutzte Fahrzeug des Typs BMW i3 geeignet. Der Kläger stellte dennoch sein Fahrzeug auf den entsprechend markierten Stellplatz. Als er gegen 18:30 Uhr zurückkehrte, war sein Fahrzeug abgeschleppt worden war. Er erhielt es vom Abschleppunternehmen nur gegen Zahlung von 150,00 € zurück. Das AG hat seine Rückzahlungsklage abgewiesen:

„Der Anspruch der Zedentin ergibt sich hier aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB.

Hiernach kann Schadensersatz verlangen, wer durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitzrecht gestört wird.

Das Abstellen eines Fahrzeuges im Bereich eine Privatstraße stellt grundsätzlich eine Beeinträchtigung im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar (BGH, Urteil vom 05. Juni 2009 – V ZR 144/08 -, BGHZ 181, 233-242; BGH, Urteil vom 02. Dezember 2011 – V ZR 30/11 -, Rn. 6, juris).

Ein Schadensersatzanspruch scheidet jedoch aus, wenn die Besitzstörung nicht rechtswidrig war. Hierzu ist erforderlich, dass die Beeinträchtigung gegen den Willen des Berechtigten – hier der Zedentin – erfolgte.

Dies ist hier der Fall. Durch die Kennzeichnung der Privatstraße mit den als Anlage K3 vorgelegten Schildern brachte die Zedentin eine antizipierte, aber inhaltlich beschränkte Einwilligung in eine Inanspruchnahme des Besitzes dahingehend zum Ausdruck, dass Elektrofahrzeuge während des Ladevorganges auf dem Gelände innerhalb der gekennzeichneten Flächen geduldet werden.

Die mit der Beschilderung zum Ausdruck gebrachte partielle Einwilligung in die Besitzbeeinträchtigung lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahingehend auslegen, dass jegliche Elektrofahrzeuge, oder Elektrofahrzeuge, für die momentan keine freie Ladedosen verfügbar sind, auf unbegrenzte Zeit auf den speziell für den Ladevorgang gekennzeichneten Flächen stehen dürfen.

Die Auslegung führt im hiesigen Fall vielmehr dazu, dass ein Fahrzeug nur dann nicht rechtswidrig und gegen den Willen der Zedentin abgestellt wird, wenn durch Verbindung mit der Ladestation entweder der Akkustand geladen oder gehalten wird. Für die Auslegung spricht zunächst der eindeutige Wortlaut, welcher den Ladevorgang als Einwilligungsvoraussetzung beinhaltet. Wenn es auf dem Schild heißt: „während des Ladevorgangs“, so bedeutet dies grundsätzlich, dass ein Elektrofahrzeug tatsächlich Strom beziehen muss, oder durch den Anschluss an der Ladesäule den gegenwärtigen Akkustand jedenfalls hält.

Ob die Einwilligung auch für den Fall gilt, dass ein Elektrofahrzeug geladen wurde und nach dem Ladevorgang noch mit der Ladesäule verbunden ist, muss hier nicht entschieden werden, da der Kläger den Ladevorgang zu keinem Zeitpunkt begann.

Für eine erweiternde Auslegung der antizipierten Einwilligung besteht insofern schon nach dem Wortlaut kein Raum.

Auch Sinn und Zweck der Einwilligung widersprechen hier der Auslegung, auf die sich der Kläger berufen möchte. Denn es ist erkennbar nicht das Ziel der Regelung, kostenlosen Parkraum für Elektrofahrzeuge an sich anzubieten, sondern nur für den Zweck des Ladevorgangs.

Das Ziel der Regelung würde untergraben werden, wenn jedes Elektroauto, für welches keine Ladebuchse vorhanden ist, den Parkraum dauerhaft nutzen könnte und somit aufladebedürftige Fahrzeuge an der Inanspruchnahme der Ladesäule gehindert werden. Dies leuchtet insbesondere ein, da Elektrofahrzeuge für den Ladevorgang besonders viel Zeit benötigen und damit ein besonderes Bedürfnis besteht, Plätze für eben diese zeitintensive Ladetätigkeit zur Verfügung zu stellen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger – was unbestritten blieb – jedenfalls ursprünglich vorhatte, das Fahrzeug zu laden, es aber mangels freier Ladebuchse für einen i3 nicht laden konnte und dann führ mehrere Stunden an der Ladesäule stehen ließ. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ergibt sich hier kein anderes Ergebnis. Sonst würde der für die Ladung von Elektrofahrzeugen bestimmte Parkraum von jeglichen Elektrofahrzeugen, die keinen passenden Anschluss für die dort befindliche Ladesäule haben, dauerhaft in Anspruch genommen werden können und ladewillige Halter von aufladebedürftigen Elektrofahrzeugen hätten das Nachsehen.

Die Elektroladesäule und der davor befindliche Parkraum ist insofern mit einer Zapfsäule für Verbrennungsfahrzeuge auf einem Tankstellengelände zu vergleichen. Es leuchtet ein, dass derjenige, der auf einem Tankstellengelände nicht den für ihn richtigen Kraftstoff oder eine freie Zapfsäule finden kann, sein Fahrzeug nicht für mehrere Stunden auf dem Gelände des Tankstellenpächters in Erwartung des Freiwerdens einer Zapfsäule stehen lassen kann. Selbst ohne Beschilderung des Tankstellengeländes muss jedem klar sein, dass der Verbleib von Fahrzeugen auf dem Privatgelände nur für die Inanspruchnahme der dort angebotenen Leistungen, vor allem den Betankungsvorgang und dessen Abwicklung geduldet wird.

Nichts anderes kann auch für privat zur Verfügung gestellte Elektroladesäulen angenommen werden.“

M.E. auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung zutreffend gelöst.