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Durchschnittliches straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren, oder: Mittelgebühr angemessen

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Die zweite Gebührenentscheidung stammt aus dem Süden, und zwar handelt es sich um den AG  Biberach, Beschl. v. 03.04.2019 – 10 OWI 25 Js 7783/18, den mir der Kollege Kabus aus Bad Saulgau geschickt hat. Thematik: Noch einmal die Bemessung der Rahmengebühren im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Das AG setzt in Höhe der Mittelgebühren fest:

„Bei den Ziffern Nr. 5100, 5103, 5109 und 5115 VV-RVG handelt es sich um Rahmengebühren. Nach § 14 RVG ist es grundsätzlich Sache des Rechtsanwalts selbst, die im Einzelfall anzuset-zende Gebühr aus dem vorgegebenen Gebührenrahmen zu bestimmen. Der Rechtsanwalt hat hierbei im Einzelfall nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung aller Umstände, insbe-sondere der Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten, des Umfangs der anwaltlichen Tä-tigkeit, des Schwierigkeitsgrades der anwaltlichen Tätigkeit, sowie der Vermögens- und Einkom-mensverhältnisse des Auftraggebers zu verfahren. Der Gebührenrahmen der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV-RVG beträgt 30,00 bis 170,00 €. Die Mittelgebühr beträgt damit 100,00 €. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV-RVG beträgt 30,00 € bis 290,00 €. Die Mittelgebühr beträgt damit 160,00 €. Der Gebührenrahmen der Gebühr Nr. 5109 beträgt 30,00 € bis 290,00 €. Die Mittelgebühr beträgt 160,00 €. Der Gebührenrahmen für die Gebühr Nr. 5115 VV-RVG ist in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr anzusetzen. Somit der Gebührenrahmen der Nr. 5103 VV-RVG, der von 30,00 € bis 290,00 € geht. Die Mittelgebühr beträgt 160,00 €. Der Verteidiger hat jeweils Mittelgebühren in Ansatz gebracht. Daran ist nach Auffassung des Gerichts nichts auszusetzen. Die Tätigkeit des Anwalts im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren war durchschnittlich, nicht unterdurchschnittlich. Die aus der Bußgeldakte hervorgehende anwaltliche Tätigkeit entspricht einer durchschnittlichen Tätigkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Es handelt sich um eine durchschnittlich schwierige Rechtsmaterie. Da ein Punkt im Fahreignungsregister eingetragen werden sollte, war die Angelegenheit für den Betroffenen zumindest nicht von untergeordneter Bedeutung. Auch die Tätigkeit des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren ist als durchschnittlich einzuschätzen. Der Verteidiger hat dem Gericht telefonisch mitgeteilt, dass der vorliegende Fall mit dem Fall vergleichbar sei, bei dem es aufgrund von Bedienungsfehlern des Messgerätes zu einem Freispruch gekommen war. Aufgrund dessen wurde seitens des Gerichts eine Verfahrenseinstellung vorgeschlagen. Diese Möglichkeit musste der Verteidiger mit dem Mandanten besprechen. Weiter hat der Verteidiger einen Schriftsatz mit der Erklärung an das Gericht übersandt, dass der vorgeschlagenen Vorgehensweise zugestimmt wird. Der Verteidiger hat sich demnach mit dem vorliegenden Fall eingehend beschäftigt und auch die notwendigen Parallelen zu dem Fall mit dem erfolgten Freispruch gezogen. Angesichts dessen und des vom Verteidiger erfolgten Aufwandes hält das Gericht die angesetzte Mittelgebühr auch für das gerichtliche Verfahren für angemessen. Insoweit steht dem Verteidiger bei der Bemessung der konkreten Rahmengebühr zudem ein durch das Gericht nicht überprüfbarer Ermessenspielraum zu (BGH, NJW 2012, 2813).“

Einstellung a la AG Biberach: Geschwindigkeitsmessung – Selbstbindung der Polizei

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Ich hatte ja bereits schon im Frühjahr über eine Entscheidung des AG Biberach bericht (vgl. hier: Einstellung á la AG Biberach – Kein ordnungsgemäßer Visiertest, Messung unverwertbar?), dass ein Bußgeldverfahren eingestellt hatte, weil bei der Messung mit dem Lasermessgerät Riegel FG21-P die polizeiliche Dienstanweisung für Baden-Württemberg nicht beachtet worden war.

Zu der Entscheidung kann ich jetzt nachliefern, und zwar den AG Biberach, Beschl. v. 23.08.2013 – 5 OWi 25 Js 9661/13, in dem das AG ebenfalls nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hat:

Das Verfahren war gern. § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG einzustellen, da die Geschwindigkeitsmessung nicht in einem standardisierten Messverfahren erfolgte und daher für das Messergebnis keine Vermutung der Genauigkeit und Richtigkeit spricht. Die Messperson hat neben den Vorgaben der Bedienungsanleitung des Herstellers auch die internen polizeilichen Vorgaben zu beachten. In der von der Akademie der Polizei Baden Württemberg verfassten „Information Laser 01/2012″ ist ein dreieckiges Verkehrszeichen wie auch das hier anvisierte VZ 301 als ungeeignetes Objekt aufgeführt. Dieser Umstand hat das Gericht veranlasst, im Bußgeldverfahren 5 Owi 21 Js 13428/12 ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Sachverständige Dipl. Ing. P. hat in diesem Verfahren festgestellt, dass aufgrund der vorgenannten Lehrmeinung der Polizei die Zulässigkeit des Visiertests ausgeschlossen werden könne. Der Visiertest soll es der Messperson ermöglichen, festzustellen, ob das Visier korrekt justiert ist, damit Mess- und Sehbereich nicht divergieren. Da dies im Nachhinein nicht ohne weitere Prüfung der Messeinrichtung feststellbar ist, kann auch nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit von einer fehler-freien Messung ausgegangen werden, jedenfalls stehen weitere sachverständige Feststellungen zu dieser Problematik in einem krassen Missverhältnis zum verfahrensgegenständlichen Vorwurf. Die Kosten einer detaillierten sachverständigen Prüfung wären derart hoch, dass sie angesichts der nunmehr ausreichend kommunizierten Problematik unverhältnismäßig wären.

Es war daher nicht von Belang, dass auch Ziff. 1.4 der Dienstanweisung nicht beachtet wurde. Das Technische Einsatzhandbuch sieht in Ziff. 1.4 der im Abschnitt Ziff. 1 formulierten (verbindlichen) Dienstanweisungen vor, dass für die Messgeräte bei den Polizeidienststellen Gerätebeauftragte zu bestimmen sind, die monatlich mindestens eine Funktions- und Zustandsprüfung der Geräte durchführen und aktenkundig machen. Hierfür ist zwingend der amtliche Vordruck zu verwenden. Derlei erfolgte vorliegend nicht.“

Das wird den Messbeamten, Verwaltungsbehörden und der Polizei nicht gefallen und man wird (wieder) einwenden: Der Fehler ändert nichts daran, dass es sich nach wie vor um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Wirklich? Aber lassen wir das dahingestellt. Man kann nämlich auch anders argumentieren: Wenn die Polizei schon „interne polizeiliche Vorgaben“ macht, dann mag sie sich auch daran halten (Selbstbindung :-)). Wenn nicht: Warum muss/soll ein Verstoß dann ohne Sanktionen sein/bleiben?