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„ACAB“, oder: Stoffbeutelparade mit „All CATS are BEAUTIFUL“

entnommen wikimedia.org Autor: MZaplotnik

Ich habe hier ja schon häufiger über „ACAB“-Entscheidungen berichtet, die sich mit der Frage befassen: Ist das Tragen eines T-Shirts oder eines anderen Gegenstandes mit dieser Aufschrift als Beleidigung strafbar ja oder nein? Zu der Problematik gibt es jetzt eine neue BVerfG-Entscheidung, nämlich den BVerfG, Beschl. v. 13.06.2017 – 1 BvR 2832/15.

Ausgangspunkt waren folgende Feststellungen des AG Erfurt:

„A.C.A.B.“ – das ist nicht automatisch eine Beleidigung

entnommen wikimedia.org Autor: MZaplotnik

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Das zweite Posting, das sich mit Beleidigungsfragen befasst, betrifft zwei Entscheidungen von „ganz oben“. Es sind die BVerfG, Beschl. v.  17.05.2016- 1 BvR 257/14  und 1 BvR 2150/14, die sich mit der Frage der Beleidigung befassen, wenn der Schriftzugs „A.C.A.B.“ – „All Cops Are Bastards“ – auf der Kleidung getragen wird. Die Rechtsprechung hat ja seit einiger Zeit mit dieser Frage zu tun. Dazu gibt es Entscheidungen des OLG Nürnberg und des OLG Karlsruhe und auch den OLG München, Beschl. v. 18.12.2013 – 4 OLG 13 Ss 571/13, und nun eben die BVerfG-Entscheidungen, eine davon betrifft den OLG-München, Beschluss. Und ich mache es mir damit einfach – sind beide doch recht umfangreich – und nehme dann heute mal die PM des BVerfG zu den Entscheidungen, in der es dann u.a. heißt:

„Die Kundgabe der Buchstabenkombination „ACAB“ im öffentlichen Raum ist vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats in zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden. Die Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht; ansonsten ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.

Sachverhalt:

Beim Besuch eines Fußballspiels trug der Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 257/14 eine schwarze Hose, die im Gesäßbereich großflächig mit dem gut sicht- und lesbaren Schriftzug „ACAB“ bedruckt war. Nach dem Spiel verließ er das Stadion auf einem Weg, der an einigen dort eingesetzten Bereitschaftspolizisten vorbeiführte. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB. Die Berufung zum Landgericht und die Revision zum Oberlandesgericht blieben erfolglos.

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2150/14 hielt während eines Fußballspiels gemeinsam mit anderen Personen verschiedene großflächige Banner hoch. Ein Transparent trug die Aufschrift „Stuttgart 21 – Polizeigewalt kann jeden treffen“, ein weiteres war mit der Aufschrift „BFE ABSCHAFFEN“ versehen, wobei „BFE“ für die Beweis- und Festnahmeeinheiten der Polizei steht. Der Beschwerdeführer und vier weitere Personen trennten vier Buchstaben aus diesem Transparent heraus und hielten diese dann in der Formation „A C A B !“ hoch. Das Landgericht sprach den Beschwerdeführer der Beleidigung schuldig und verwarnte ihn, nachdem ein den Beschwerdeführer freisprechendes Urteil durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden war. Die erneute Revision des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Verurteilungen und rügen die Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Die Parole „ACAB“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die strafrechtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführer greifen in dieses Grundrecht ein.

Die Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Die angegriffenen Entscheidungen sind vorliegend jedoch nicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung vereinbar. Sie tragen die Annahme einer hinreichenden Individualisierung des negativen Werturteils nicht.

a) Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann zwar unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet.

b) Diesen Vorgaben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Es fehlt an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen, die die Beurteilung tragen könnten, dass sich die Äußerungen jeweils auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe beziehen. Nach den dargelegten Maßstäben reicht es nicht aus, dass die Polizeikräfte, die die Parole „ACAB“ wahrnehmen, eine Teilgruppe aller Polizistinnen und Polizisten bilden. Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Adressierung dieser Parole, für die hier nichts ersichtlich ist. Das Wissen der Beschwerdeführer, dass Polizei im Stadion ist und die Parole wahrnehmen würde, reicht hierfür nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht.

aa) Im Verfahren 1 BvR 257/14 fehlen insbesondere Feststellungen dazu, dass sich der Beschwerdeführer bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte der Polizei begeben hat, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren.

bb) Im Verfahren 1 BvR 2150/14 setzen sich die Fachgerichte darüber hinaus nicht sachhaltig damit auseinander, dass unmittelbar vor der Verwendung des Akronyms „ACAB“ Kritik an den Beweis- und Festnahmeeinheiten „(BFE)“ sowie an den Polizeieinsätzen im Rahmen des Projekts „Stuttgart 21“ geäußert und damit eine in der Öffentlichkeit viel diskutierte Frage aufgenommen worden war. Insoweit kann die strafgerichtliche Entscheidung nicht darauf gestützt werden, dass es sich bei der Aktion des Beschwerdeführers um eine unzulässige Schmähung gehandelt habe. Zum einen setzt auch die Annahme einer Schmähung eine personalisierte Zuordnung der Äußerungen voraus. Zum anderen ist der Begriff der Schmähung, der keine Abwägung mehr mit der Meinungsfreiheit verlangt, von Verfassungs wegen eng zu definieren und erfasst nur Fälle, in denen es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Aus den Feststellungen des Gerichts ist nicht ersichtlich, dass die Äußerung sich individualisiert gegen bestimmte Beamte richtete.

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden.“

Die Beschlüsse machen es das Umgehen mit „ACAB“ in der Praxis sicherlich nicht einfacher.

„ACAB“ auf der Hose – Beleidigung?

entnommen wikimedi.org Autor:  MZaplotnik

entnommen wikimedi.org Autor: MZaplotnik

Die Bedeutung des Schriftzuges „ACAB“ ist inzwischen allgemein bekannt. Er steht für „All Cops Are Bastards“. Die Rechtsprechung befasst sich seit einiger Zeit mit der Frage, ob und wann das Tragen/Führen dieses Schriftzuges auf der Kleidung eine Beleidigung von Polizeibeamten darstellt. Dazu gibt es Entscheidungen des OLG Nürnberg und des OLG Karlsruhe und nun den OLG München, Beschl. v. 18.12.2013 – 4 OLG 13 Ss 571/13 – mit folgendem Leitsatz:

Der „All Cops Are Bastards“ bedeutende Schriftzug „ACAB“ auf der Hose des Angeklagten erfüllt den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB, wenn er gegen-über einem zahlenmäßig überschaubaren und gegenüber der Gesamtgruppe klar umgrenzbaren Kreis von zum Kollektiv gehörenden Personen gezeigt wird. Dies ist bei Polizeibeamten, die an einem konkreten Einsatz teilnehmen, der Fall.

Dazu aus den Gründen:

„b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Schriftzug nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles objektiv den Sinngehalt hat „All cops are bastards“, d.h. alle Polizisten sind Bastarde. Das Landgericht ist vom objektiven Sinngehalt ausgegangen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter versteht (BayOLG aaO Rdn. 21). Ausgehend von den Buchstaben „ACAB“ hat es sich mit den in Frage kommenden aufdrängenden Deutungsmöglichkeiten (Seite 6 bis 8 BU) auseinandergesetzt und in rechtsfehlerfreier Weise unter Berücksichtigung der konkreten Situation diejenigen ausgeschieden, die nicht zur Bestrafung führen können (BayOLG aaO Rdn. 21).

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte den Schrift-zug ACAB gegenüber dem Geschädigten kundgetan hat durch das Tragen der Hose mit dem deutlich sichtbaren Schriftzug.

 d) Das Landgericht hat zudem ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der Geschädigte als Angehöriger einer Personengemeinschaft unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt worden ist.

Voraussetzung der Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung ist, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder überschaubaren Kreis handelt, d.h. der fragliche Personenkreis muss zahlenmäßig überschaubar sein und die bezeichnete Personengruppe muss sich auf Grund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit hervorheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt ist (Lenck-ner/Eisele aaO vor § 185 Rdn. 7, 7a, 7b; OLG München 5. Strafsenat Beschluss vom 19.10.2010 Az.: 5 StRR (II) 315/10). Da sich die herabsetzende Äußerung nach den Feststellungen des Gerichts vorliegend auf die Polizeibeamten, die als solche an dem konkreten Einsatz teilgenommen haben, bezieht, hebt sie diese Teilnahme in Verbindung mit ihrer Eigenschaft als Polizeibeamte eindeutig aus der Allgemeinheit heraus. Der Angeklagte hat die mit dem Schriftzug versehene Kleidung am Tattag nach den Feststellungen des Landgerichts in Kenntnis dessen Be-deutung und des Bewusstseins, bei dem Besuch des Fußballspiels auf Polizeibe-amte zu treffen, getragen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die in ihr verkörperte Äußerung gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten richtet.“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft