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A.C.A.B., oder: Beleidigung/Belästigung der Allgemeinheit

entnommen wikimedia.org Autor: MZaplotnik

Länger nichts mehr von „A.C.A.B.“ gehört. Daher starte ich in die 41. KW. mit einer OLG-Entscheidung, die sich dazu (noch einmal) äußert und zugleich auch zum Verhältnis des § 185 StGB zu § 118 OWiG Stellung nimmt. Es handelt sich um den OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.05.2018 – 2 Ss-OWi 506/17.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Gegen den Betroffenen ist wegen Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG) eine Geldbuße in Höhe von 220 € festgesetzt worden. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen vorsätzlicher Belästigung der Allgemeinheit zu einer Geldbuße in Höhe von 150,00 € verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das OLG hat das Verfahren eingestellt.

Das Verfahren wird eingestellt, weil eine Verurteilung wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ gem. § 118 OWiG wegen einer möglichen Verurteilung wegen § 185 StGB gem. § 118 Abs. 2 OWiG ausgeschlossen ist.

Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die vorliegend in die Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ gekleidete Unwertäußerung durch den Betroffenen eine grob ungehörige Handlung, die unter bestimmten Umständen geeignet ist, die Allgemeinheit zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Beleidigende Aussagen wie „A.C.A.B.“ und alle damit einhergehenden Synonyme sind, da diese Aussagen auch „grob ungehörige Handlungen“ darstellen, grundsätzlich über § 118 OWiG sanktionierbar.

§ 118 OWiG, der dem Schutz der allgemeinen öffentlichen Ordnung dient, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG Beschluss v. 14.05.1969 – 2 BvR 238/68).

……

Der Ahndung der vom Betroffenen begangenen Unwertäußerung steht vorliegend allerdings § 118 Abs. 2 OWiG entgegen.

Die vorliegend festgestellte Tathandlung ist nämlich auch gleichzeitig geeignet, zumindest den Polizeibeamten A konkret zu beleidigen. Erfüllt eine Tathandlung neben dem § 118 OWiG vom Grundsatz her auch eine andere Vorschrift, tritt die Anwendung von § 118 Abs. 1 OWiG nach der gesetzlich normierten Subsidiaritätsklausel des § 118 Abs. 2 OWiG zurück.

Der Anwendung des Subsidiaritätsklausel steht vorliegend nicht entgegen, dass der Schutz des § 118 OWiG zwar den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung betrifft und als Adressaten der Tathandlung die „Allgemeinheit“ (§ 118 Abs. 1 2. HS OWiG) benennt, während § 185 StGB eine Vorschrift des Individualrechtgüterschutzes ist. Die Subsidiaritätsklausel stellt nicht auf den Schutzbereich und den Adressaten, sondern alleine auf die Tathandlung ab. Insoweit ist es auch ohne Belang, ob sich der Beleidigte beleidigt fühlt. Dieser Aspekt wird über das Strafantragserfordernis geregelt. Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn das Amtsgericht die Anwendbarkeit des § 185 StGB vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kollektivbeleidigung deswegen verneint hätte, weil es eine Individualbeleidigung geprüft und vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hätte. Dann wäre der Anwendungsbereich von § 185 StGB nicht eröffnet. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Nach dem festgestellten Sachverhalt erfolgte die „Unwertäußerung“ durch den Betroffenen, indem der auf die in unmittelbarer Nähe stehende Gruppe von Polizeibeamten zuging und mit provozierendem „Gruß“ auf sich aufmerksam macht und dabei zumindest mit dem Polizeibeamte A im Blickkontakt gestanden hat. Dieser Sachverhalt steht der Annahme des Amtsgerichts, die „notwendige Individualisierung des Beleidigungsadressaten sei nicht nachweisbar“, entgegen (vgl. zum insoweit vergleichbaren Sachverhalt BVerfG NJW 2017, 2607 [BVerfG 13.06.2017 – 1 BvR 2832/15]). Ist nämlich wie vorliegend eine personalisierte Zuordnung der Beleidigungshandlung festgestellt, tritt § 118 Abs. 1 OWiG kraft Gesetzes zurück. Erst wenn dies ausgeschlossen ist, und (nur) eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung vorliegt, kann eine Ahndung nach § 118 OWiG in Betracht kommen. Dies hat das Amtsgericht vorliegend nicht beachtet.

Eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht zur Neuverhandlung und Entscheidung über den Beleidigungsvorwurf kommt gleichwohl nicht in Betracht. Zwar würde das Verschlechterungsverbot gem. § 331 StPO einer Verurteilung wegen Beleidigung nicht im Wege stehen (vgl. Meyer-Goßner StPO 58. Aufl. § 331 Rn. 8). Eine Verurteilung wegen Beleidigung ist vorliegend aber wegen des Verfahrenshindernisses des fehlenden Strafantrags nach § 197 StGB nicht (mehr) möglich. Das Verfahrenshindernis führt auch nicht dazu, dass § 118 OWiG als Nachrangsvorschrift wieder auflebt. § 118 Abs. 2 OWiG verlangt die vorrangige Ahndungsmöglichkeit („geahndet werden kann“). Damit wird die rein abstrakte Vorrangigkeit einer anderen Vorschrift (hier des § 185 StGB) normiert und nicht das Ergebnis einer konkrete Sanktionierung als Maßstab genannt.“

Die Kostenentscheidung des OLG ist m.E. falsch.

A.C.A.B. auf der Weste, oder: Kollektivbeleidigung?

entnommen wikimedia.org Autor: MZaplotnik

Schon etwas länger wartet in meinem Blogordner der BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 – 1 BvR 1593/16 – auf die „Veröffentlichung“. Heute eröffne ich damit dann. Es handelt sich noch einmal um einen Entscheidung, die zur Frage der Kollektivbeleidigung durch die Buchstabenkombination A.C.A.B. Stellung nimmt.

Der ehemalige Angeklagten war in Bayern wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt worden. Er hatte über einen Versandhandelt einen Aufnäher mit den Buchstaben A.C.A.B. sowie zwei Aufnäher mit den Zahlen 13 und 12 bestellt. Die befestigte er auf einer Weste links vorne auf der Brustseite; den Aufnäher A.C.A.B. mittig, die beiden Zahlenaufnäher darunter. Im März 2015 besuchte er mit dieser Weste ein Fußballspiel der zweiten Bundesliga. Als einer der dort auch kontrollierenden Polizeibeamten den Aufnäher A.C.A.B. sah, veranlasste er die Kontrolle und Durchsuchung des ehemaligen durch eine Kollegin und zwei Kollegen. Alle nahmen den Aufnäher ebenfalls wahr. Das AG hat den den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilt, das LG seine Berufung verworfen und das OLG München die Revision. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg:

Das BVerfG nimmt einen Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung an. Meinungsäußerungen genießen aber den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werde:

c) Der in der Verurteilung liegende Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind. ……