Einem auf die Glaubhaftigkeit des Hauptbelastungszeugen abzielender Beweisantrag auf Beiziehung einer (anderen) Ermittlungsakte ist grundsätzlich nachzukommen, so der BGH, Beschl. v. 09.11.2010 – 3 StR 290/10.
Der BGH führt aus, dass ein Beschluss, mit dem die Beiziehung einer Ermittlungsakte aus einem anderen Verfahren abgelehnt wird, dann rechtsfehlerhaft ist, wenn es das Ziel der Beiziehung ist zu beweisen, dass der Hauptbelastungszeuge in einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei zu einem Freispruch führende Falschbeschuldigungen getätigt hat und das Gericht die Beiziehung mit der Begründung ablehnt, dass dem weiteren Akteninhalt aus tatsächlichen Gründen keine verfahrensrelevante Behauptung zukomme, da es nicht möglich sei, in einem anderen Verfahren getätigte Angaben inzident zu überprüfen und zu verifizieren. Da es insoweit bei dem angebotenen Beweis um die Glaubhaftigkeit eines Zeugen geht, sieht der BGH grds. die Aufklärungspflicht tangiert. Das Beruhen des Urteils auf einem solchen Fehler sei indes ausgeschlossen, wenn sich die Beweisbehauptung bereits an zahlreichen verfahrensinzidenten Stellen selbst findet und so Gegenstand der Überzeugungsbildung geworden sei.
Wenn man in den Beschluss hineinschaut, sieht man zunächst einmal, dass hier die Beiziehung der Verfahrensakte gar nicht abgelehnt wurde (warum auch?). Es wurde sogar ein Teil – nämlich das Urteil – verlesen und dann die Auswertung der restlichen Akte abgelehnt.
Der Beweisantrag zielte auch nicht allein auf die Beiziehung der Akte, sondern benannte auch konkrete Teile dieser Akte (neben der Urteilsurkunde auch ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll), in denen für das Verfahren relevante Informationen enthalten sein sollten. Auf das Konkretisierungserfordernis weist der BGH in dem Beschluss ja auch ausdrücklich hin.
Der Antrag, dessen Bescheidung hier gerügt wurde, ist also schon etwas deutlich anderes als die immer mal wieder angebrachten pauschalen Aktenbeiziehungsverlangen der Art „Der Zeuge XY unglaubwürdig, weil er schon im Verfahren 123 Js 4711/12 gelogen hat. Beweis: Beiziehung der Akte“. So etwas ist a) alles Mögliche, nur kein Beweisantrag und löst b) auch unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nicht ohne weiteres die Verpflichtung aus, über die Beiziehung der Akte hinaus diese auf die Suche nach entsprechenden Anhaltspunkten zu durchforsten.