Heute dann drei Entscheidungen zu Einziehungsfragen (§§ 73 ff. StGB).
Ich beginne mit dem OLG Celle, Beschl. v. 18.08.2022 – 3 Ss 18/22. Das AG hatte den Angeklagten u.a. auch wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und des Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig gesprochen. Es hatte die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 113,77 EUR sowie eines PC-Towers und zweier Smartphones angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision. Die hatte teilweise Erfolg.
„2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zu einem Teilerfolg der Revision.
a) Die Überprüfung der Anwendung von Jugendstrafrecht und der Festsetzung der verhängten Erziehungsmaßregeln gemäß § 10 JGG (Betreuungsweisung und Teilnahme an Projekt „Strecke machen“) und Zuchtmittel gemäß 13 Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 3 JGG (Arbeitsauflage) deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, so dass die Revision insoweit ebenfalls als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen war.
b) Bedenken begegnet jedoch Einziehungsentscheidung, soweit sie die Einziehung des PCs und der beiden Smartphones betrifft. Die Nachprüfung der Anordnung der Einziehung des Wertes des durch die Taterlangten (Taten 11 und 12) deckt hingegen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
aa) Keine Bedenken bestehen dahingehend, dass das Amtsgericht bei seiner Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Smartphones nicht auf § 74a StGB, Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen, abgestellt hat. Soweit der Angeklagte vorträgt, die Smartphones hätten nicht in seinem (Allein-)eigentum gestanden, sondern diese stünden im Eigentum der Mutter, findet dies keine Stütze in den Feststellungen des Urteils. Ausweislich der Feststellungen handelte es sich bei dem bei der Tat zu Ziffer 1 genutzten Mobiltelefon um „sein“ Mobiltelefon, mithin dem Telefon des Angeklagten. Hinsichtlich der Tat zu Ziffer 2 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich „mit Hilfe seines PC-Towers und Mobiltelefons R. (..)“ aus dem Internet die fraglichen Dateien heruntergeladen hat und auf diesen gespeichert hat. Die Ausführungen im Urteil, dass die Smartphones ihm (den Angeklagten) von seiner Mutter bezahlt worden seien, stehen nicht im Widerspruch zu diesen Feststellungen. Der Einsatz von fremden Geldmitteln steht einem Eigentumserwerb durch den Angeklagten nicht entgegen.
bb) Die auf §§ 184b Abs. 6, 184c Abs. 6 (in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung), § 74 StGB gestützte Einziehung des PC-Towers und der beiden Smartphones begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken. Gemäß §§ 184b Abs. 6 StGB a.F. bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. (entspricht Absatz 7 der aktuellen Fassung) sind Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach – wie vorliegend Taten 1 und 2 – Abs. 3 bezieht, einzuziehen. Dies betrifft mithin nur Beziehungsgegenstände, also nur das Speichermedium auf dem sich die inkriminierten Dateien befinden, z.B. die Festplatte des zum Herunterladen verwendeten Computers (vgl. BeckOK StGB/Ziegler StGB § 184b Rn. 33), nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör. Eine solche Einziehung des für den Speichervorgang genutzten Computers bzw. Handys nebst Zubehör kommt vorliegend allenfalls nach § 74 Absatz 1 2. Alt. StGB als Tatmittel in Betracht, welcher ein Ermessen des Tatrichters einräumt und durch §§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. ergänzt wird.
Soweit – über die Speichermedien – hinaus die Gegenstände als solche eingezogen worden sind, hat das Tatgericht offenbar verkannt, dass ihm insoweit ein pflichtgemäßes Ermessen zukommt, so dass die Einziehungsentscheidung bereits insoweit keinen Bestand haben kann.
Sowohl für die Einziehung von Beziehungsgegenständen (§§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F.) als auch hinsichtlich der Tatmittel (§ 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB/vormals § 74 b StGB aF) (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster StGB § 74f Rn. 1, 2; BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919). Es ist daher zu prüfen, ob von der Möglichkeit des § 74f Abs. 1 S.2 StGB Gebrauch gemacht werden kann, wonach die Einziehungsanordnung vorbehalten bleiben kann, wenn ihr Zweck auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. In Fällen von Speicherung inkriminierter Bilddateien kann insbesondere deren endgültige Löschung eine solche andere, mildere Maßnahme darstellen (vgl. BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919 mwN). Soweit mit der Einziehung auch Strafzwecke verfolgt werden, ist insoweit auch abzuwägen, ob die die mit dem Verlust des Eigentums angestrebte Spezial- bzw. Generalprävention auch mit milderen Mitteln zu erreichen ist (vgl. MK-StGB, 4. Auflage, Joecks/Meißner, § 74 f Rn 12; LK-StGB,13. Aufl., Lohse, § 74f Rn 9).
Die Feststellungen des Urteils lassen befürchten, dass sich das Tatgericht dieser Möglichkeit nicht bewusst gewesen ist, da diese allein den – nicht konkret bezifferten Wert – der eingezogenen Gegenstände sowie die verhängten jugendrichterlichen Maßnahmen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt hat.
Dies vorausgeschickt erweisen sich die Feststellungen des angefochtenen Urteils als lückenhaft. Es fehlt an Feststellungen dazu, ob es – insbesondere hinsichtlich der Smartphones – technisch möglich ist, das genutzte Speichermedium auszubauen, sowie weiter dazu, ob und mit welchem Aufwand die – konkret zu bezeichnenden – Dateien von den jeweils genutzten Speichermedien in einer Weise zu löschen sind, dass diese nicht wiederhergestellt werden können (nicht rekonstruierbare Löschung) oder ggf. allein die Formatierung der gesamten Festplatte bzw. des gesamten Speichers ein geeignetes Mittel darstellen kann, die von dem Datenträger ausgehende Gefahr zu beseitigen.
Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das neue Tatgericht wird zugleich die Möglichkeit haben, konkretere Feststellungen zu dem Wert der – dann ggf. – eingezogenen Gegenstände zu treffen.
Für den Fall, dass die nach den Treffen der erforderlichen Feststellungen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass ein milderes Mittel in Betracht kommt, wird das Tatgericht den Vorbehalt der Einziehung unter Anordnung der konkreten Maßnahme zu erklären haben. Werden diese Anweisungen nicht erfüllt, ordnet das Gericht – nach erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit – nachträglich die Einziehung mittels Beschluss an. Der Senat weist insoweit vorsorglich auf § 462 Abs. 1S. 2 StPO hin.
Zudem erlaubt sich der Senat folgenden Hinweis: Grundsätzlich legt § 74f StGB dem Einziehungsbetroffenen die Durchführung der Anweisung auf, welchem es überlassen bleibt, ob er die Maßnahme innerhalb der gesetzten Frist selbst durchführt oder auf seine Kosten durchführen lässt (vgl. LK-StGB, aaO, § 74f Rn 11). Die Kostentragungspflicht fällt mithin dem Einziehungsbetroffenen zu. Vorliegend kommt jedoch eine Herausgabe der mit kinder- und jugendpornographischen Dateien inkriminierten Speichermedien offensichtlich nicht in Betracht, so dass – unter Vorbehalt der Einziehung – nur eine Unbrauchbarmachung der Dateien durch staatliche Stellen von Amts wegen in Betracht kommen kann. Es wäre insoweit nicht zu beanstanden, die durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnende Löschung von der vorherigen Zahlung der Kosten abhängig zu machen. Für den Fall wird das Tatgericht ebenfalls Feststellungen zu den zu erwartenden Kosten zu treffen haben.“