Und heute dann ein Strafzumessungstag. Den beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 14.11.2022 – 6 StR 412/22. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der BGH moniert die landgerichtliche Strafzumessung und hat insoweit aufgehoben:
„3. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung jedoch nicht stand.
Es kann insoweit dahinstehen, ob das Landgericht gegen das in § 46 Abs. 3 StGB normierte Doppelverwertungsverbot verstoßen hat, indem es dem Angeklagten sowohl bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9 Halbsatz 3 StGB vorliegt, als auch bei der konkreten Strafzumessung „die sich aus dem objektiven Tatbild ergebende erhebliche Aggressivität“ angelastet hat, obwohl diese Umstände die Qualifikation gemäß § 177 Abs. 8 Nr. 2 StGB zumindest (mit)begründet haben könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 5 StR 269/12; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 689, 691). Der Strafausspruch begegnet indes durchgreifenden Bedenken, weil das Landgericht strafschärfend gewertet hat, dass der Angeklagte „quasi im Sinne einer Gewaltorgie ganz massiv auf die Geschädigte eingewirkt“ habe, ohne dabei erkennbar zu bedenken, dass dessen Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit alkoholbedingt erheblich vermindert war.
Die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Berücksichtigung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1961 – 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364; vom 7. Juli 1993 – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschluss vom 14. September 2021 – 5 StR 186/21, NStZ-RR 2021, 336). In einem solchen Fall muss das Urteil erkennen lassen, dass sich das Tatgericht dieser Problematik bewusst war und ihr Rechnung getragen hat. Dies ergeben die Gründe des angefochtenen Urteils, in denen die Tatintensität als maßgeblicher Strafschärfungsgrund uneingeschränkt hervorgehoben wird, weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtschau. Der Senat vermag daher nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass die Strafkammer zum Nachteil des Angeklagten der konkreten Ausgestaltung der Tat ein zu großes Gewicht beigemessen hat.
Angesichts des bloßen Wertungsfehlers bedarf es keiner Aufhebung der getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.“