Die 34. KW. eröffne ich mit zwei BVerfG-Entscheidungen.
Die erste, der BVerfG, Beschl. v. 23.03.2020 – 2 BvR 1615/16 – betrifft das Klageerzwingungsverfahren. Dort war eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einstellung von Ermittlungen wegen des Todes eines Kindes nach einer Operation erfolgreich. Das BVerfG „beanstandet“ die Beweiswürdigung:
„Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. Mai 2016 verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausformung als Willkürverbot (a), da die Beweiswürdigung wesentliche Aspekte der zur Verfügung stehenden Beweismittel unberücksichtigt lässt und hierfür ein vernünftiger Grund nicht erkennbar ist (b).
a) Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den konkreten Fall sind zwar Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt jedoch unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht (vgl. BVerfGE 74, 102 <127>; stRspr). Ein solcher Verstoß gegen das Willkürverbot liegt bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 <7>; 74, 102 <127>; 83, 82 <84>; 87, 273 <278 f.>). Dieser Maßstab gilt auch für die verfassungsrechtliche Überprüfung der von den Fachgerichten vorgenommenen Beweiswürdigung und der von ihnen getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. BVerfGE 4, 294 <297>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. August 1996 – 2 BvR 1304/96 -, NJW 1997, S. 999 <1000>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2017 – 2 BvR 2584/12 -, Rn. 27).
b) Ein solcher Verstoß gegen Art. 31 GG liegt dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. Mai 2016 zugrunde. Soweit das Oberlandesgericht zu der Annahme gelangt ist, dass allein die Anästhesistin für die postoperative Überwachung verantwortlich und damit nur sie verpflichtet war, im Vorfeld der Operation über die sich hieraus ergebenden Risiken aufzuklären, ist die Beweiswürdigung nicht mehr nachvollziehbar und willkürlich.“
„Nicht mehr nachvollziehbar und willkürlich“ liest sich nicht so schön für das OLG. 🙂 .
Man fragt sich wieso der Weg von der objektiv festgestellten Willkür hin zur Rechtsbeugung immer so weit ist. Wenn man Mist schreibt, merkt man das doch als Senat? Die sind ja nicht doof. Meistens.
Oder sie sind so doof, dass sie es nicht besser wissen. Aber dann haben sie doch an der Stelle einfach nix mehr zu suchen?
Beide Optionen sind erschreckend.