StGB II: Beihilfe zum Raub, oder: Gehilfenvorsatz?

In der zweiten vorgestellten BGH-Entscheidung geht es um eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Raub (§ 250 StGB). Das LG hatte folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„1. Am 16. Juni 2018 forderte eine dem Angeklagten bekannte, aber nicht identifizierte Person namens B. diesen auf, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, für ihn einen Pkw anzumieten. Auf diese Aufforderung hin fuhr der Angeklagte mit B. und zwei weiteren, ihm bekannten Perso- nen, zu einer Autovermietung. Auf die Frage des Angeklagten, wofür er den anzumietenden Pkw benötige, antwortete B. ihm, dass er und die zwei weiteren Personen einen Diebstahl begehen wollten. Man habe den Plan, eine Geldtasche aus dem stehenden Auto des Fleischgroßhändlers K. zu entwenden. Dass dieser über hohe Bargeldeinnahmen verfügte, war dem Angeklagten bekannt. Er hatte im Jahr 2017 selbst geplant, in das Privathaus des Geschädigten einzudringen, den Einbruchsplan aber damals wegen einer polizeilichen Kontrolle aufgegeben. Der Angeklagte ging zunächst davon aus, dass „die Täter an einer Ampel oder im Stau die Autotüre des Zeugen K. aufreißen, eine Tasche herausholen und wegrennen würden“ (UA S. 6). Er billigte diesen Plan, da keine Gewalt angewendet werden sollte, und mietete gegen 10.15 Uhr einen Pkw Opel Astra, den er B. überließ.

Gegen 12.00 Uhr baten die zwei namentlich unbekannten Personen den Angeklagten, ihnen zusätzlich seinen Pkw VW Polo zu überlassen. Sie würden „eventuell ein zweites Auto benötigen…, um dieses an einer Ampel vor das Auto des Zeugen K. zu stellen, aus dem die Tasche gestohlen werden solle, damit dieses nicht nach vorne wegfahren könne, bzw. um das Auto des Zeugen K. an einer Ampel abbremsen zu können“ (UA S. 6). Die beiden Personen versprachen dem Angeklagten einen Anteil an der Tatbeute in Höhe von 1.000 Euro. Auch dieser Bitte kam der Angeklagte nach und überließ den beiden zur Durchführung des geschilderten Tatplans sein Fahrzeug.

Tatsächlich entwendeten gegen 13.25 Uhr zwei Personen dem Geschädigten K. einen Koffer mit insgesamt 22.330 Euro Bargeld aus dem Koffer- raum, nachdem dieser seinen Pkw vor seinem Haus geparkt hatte. Um eine etwaige Gegenwehr des Zeugen K. zu unterbinden, sprühte ein Täter ihm Pfefferspray ins Gesicht, als er gerade aussteigen wollte. Der weitere Täter nahm in Ausführung des gemeinsamen Tatplans den Koffer mit dem Bargeld an sich. Anschließend flüchteten beide mit dem vom Angeklagten angemieteten Pkw Opel Astra.

2. Davon, dass es sich bei einem der zwei vor Ort handelnden Täter um den Angeklagten handelte oder dieser Kenntnis von dem geplanten Einsatz von Pfefferspray hatte, konnte sich das Landgericht nicht überzeugen. Es geht aber davon aus, dass der Angeklagte aufgrund des ihm geschilderten Tatplans billigend in Kauf nahm, dass bei der Tatausführung Gewalt gegenüber dem Geschädigten angewendet werden würde. Diese sei in dem „Versperren des Weges bzw. in dem Erzwingen des Anhaltens durch ein Abbremsen mit dem zweiten Fahrzeug zu sehen“. Der zweite Pkw hätte sich als „unüberwindliches physisches Hindernis“ für den Geschädigten dargestellt, der durch das Versperren der Fahrbahn an einer Weiterfahrt bzw. Flucht und damit an einem körperlichen Widerstand gehindert gewesen sei. Eine Gegenwehr in Form des nach vorne Wegfahrens sei so „zumindest erschwert, wenn nicht gar ausgeschlossen gewesen“ (UA S. 28).

Der BGH hebt im BGH, Urt. v. 18.09.2019 – 1 StR 129/19 – auf:

„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die unbekannt gebliebenen Haupttäter sich gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht und der Angeklagte diese dabei unterstützt hat, indem er ihnen zwei Autos zur Verfügung stellte. Indes tragen die Feststellungen des Landgerichts nicht die Annahme, der Gehilfenvorsatz des Angeklagten sei auf eine Haupttat in Form eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB gerichtet gewesen.

a) Gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist ein Raub gegeben, wenn der Täter mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB in Form der Gewalt gegen eine Person unterliegt in Abgrenzung zur einfachen Gewalt im Sinne der §§ 240, 253 StGB erhöhten Anforderungen (vgl. etwa NK/Toepel, StGB, 5. Aufl., § 240 Rn. 75; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 7). Gewalt im Sinne des Tatbestandes des Raubs setzt eine unmittelbar oder mittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung voraus. Erforderlich ist, dass der Einsatz auch nur geringer Körperkraft durch den Täter eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer zur Folge hat. Lediglich psychisch vermittelter Zwang reicht dagegen nicht aus (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 4 StR 116/19 Rn. 5 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen lag in dem – nach der Vorstellung des Angeklagten – von den Haupttätern beabsichtigten Vorgehen keine Gewalt gegen die Person des Geschädigten vor.

aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts sollte sich der zweite eingesetzte Pkw im Bereich einer Ampel vor dessen Auto setzen und dieses entweder abbremsen oder bei Grünlicht stehen bleiben, so dass dem Geschädigten eine Weiterfahrt nach vorne nicht möglich sein würde. Auf Grundlage dieser Urteilsfeststellungen fehlt es bei der vom Angeklagten vorgestellten Verkehrssituation jedenfalls an einem körperlich wirkenden Zwang bei dem Geschädigten. Durch das langsame Abbremsen an einer Ampel oder das schlichte Stehenbleiben des Fahrzeugs bei „grün“ mangelt es jedenfalls an einer körperlichen Auswirkung bei dem Geschädigten. Eine Vollbremsung oder ein abruptes, starkes Abbremsen des Geschädigten, das gegebenenfalls eine körperliche Reaktion hätte auslösen können, war nach den Feststellungen nicht von dem Vorstellungsbild des Angeklagten umfasst. Die von dem vorliegenden Abbremsvorgang ausgehende Zwangswirkung geht mithin über einen lediglich psychisch vermittelten Zwang nicht hinaus.

bb) Darüber hinaus ist das von dem Angeklagten vorgestellte Tatbild – so wie es das Landgericht festgestellt hat – nicht durch körperliche Kraftentfaltung in Form der Blockade geprägt, sondern maßgeblich durch List, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit, um einen etwaigen Widerstand von vorneherein zu verhindern (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Dezember 1989 – 1 StR 613/89 Rn. 6 mwN).“

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