Ich machen heute dann mal wieder einen Strafzumessungstag, allerdings beschränkt auf Bewährungsfragen. Dazu hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt.
Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 09.05.2019 – 1 StR 19/19. Verurteilt worden ist der Angeklagte vom LG Leipzig wegen Beihilfe zur Steuerhehlerei in sechs Fällen, wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und wegen Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Insoweit hat der BGH das LG-Urteil aufgehoben:
- „b) Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 2, 1 StGB) begegnet durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat besondere Umstände in der Tat und der Täterpersönlichkeit, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten, verneint. Dabei hat es ausgeführt, die Haftung des (nicht vorbestraften) Angeklagten für die verkürzten Steuern nach § 71 AO lasse befürchten, er werde zur Begleichung der Steuer- und Zollschäden „wieder in die Kriminalität abrutschen“. Dies ist aus zwei Gesichtspunkten rechtsfehlerhaft: Zum einen wäre dies bereits bei der Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) zu erörtern gewesen, die das Tatgericht mit Blick auf das bisher straffreie Leben und die familiäre Bindung zunächst bejaht hat. Zum anderen gibt es keinen Erfahrungssatz, dass ein Angeklagter allein deswegen, weil er Vermögensstraftaten verübte, die regelmäßig entsprechende Schadensersatzansprüche auslösen, zur Begleichung dieser Schulden erneute Taten begeht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 1993 – 3 StR 586/92, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozialprognose 2). Insgesamt ist diese Wertung nicht durch Feststellungen belegt. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht darf neue Umstände der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde legen, sofern sie den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.“