Über den BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18 – hatte ich ja vor ein paar Tagen schon berichtet (s. Das Inbrandsetzen einer Hütte, oder: Urteilsanforderungen). Ich komme heute auf den Beschluss wegen der Ausführungen des BGH zur Strafzumessung noch einmal zurück.
Ich erinnere: Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der BGh hat teilweise im Schuldspruch aufgehoben.
Im Rechtsfolgenausspruch hat der bGh insgesamt aufgehoben:
2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.
„a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale – Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.
aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 – 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 – 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht – Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).
bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba. , während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.
In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer – hiervon abweichend – aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.
Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen Anhalt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K. , reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine – über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende – Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.
b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungserwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 mwN).
c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwägung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.“
schlichte Mehrfachtötung … das hat er fein gesagt, der BGH