Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort, oder: Wenn Polizeibeamten einem Kollegen helfen

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Machen wir heute mal einen „Verkehrsrechtstag“. Den eröffnet dann das OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.07.2017 – 2 Rv 10 Ss 581/16, in dem es u.a. um die Beihilfe von zwei Polizeibeamten zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) eines Kollegen geht. Der Kollege, der inzwischen u.a. wegen § 315c StGB rechtskräftig verurteilt worden ist hatte am frühen Morgen auf der Autobahn in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Motorradfahrer getötet wurde. Der Kollege flüchtete zu Fuß in ein angrenzendes Gewerbegebiet, wo er sich versteckt hielt. Er informierte den Kollegen A telefonisch über den Unfall und die Umstände. A sicherte dem Kollegen Hilfe durch ihn und B zu, worauf B den Kollegen aus seinem Versteck abholte und bis zum Morgen bei sich beherbergte. Das AG hat die beiden Angeklagten A und B die Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort zugunsten des Kollegen freigesprochen. Die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Dazu das OLG:

„1. Die Annahme des Amtsgerichts, das unerlaubte Entfernen des gesondert verfolgten Haupttäters C sei bereits beendet gewesen, bevor die Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Handlungen begingen, und deshalb sei eine Beihilfe i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB nicht mehr in Betracht gekommen, beruht auf einer rechtlich unzutreffenden Beurteilung.

a) Nach § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Dabei entspricht es ganz herrschender Meinung, dass eine Beihilfe auch noch nach Vollendung der Haupttat möglich ist, jedenfalls wenn die Hilfe noch zu einem tatbestandsmäßigen Handeln geleistet wird (näher zum Meinungsstand Fischer, StGB, 64. Aufl., § 27 Rn. 6).

Der vorliegend die Haupttat bildende Verstoß gegen § 142 Abs. 1 StGB wird nach dem gesetzlichen Tatbestand dadurch verwirklicht, dass sich der Unfallbeteiligte vom Unfallort entfernt. Dem Begriff des „Sich-Entfernens“ wohnt bereits sprachlich eine räumliche Dynamik im Sinn des Prozesses einer Absatzbewegung vom Unfallort weg (BT-Drs. 7/2434 S. 7) inne. Mit dem Wortlaut des Gesetzes (vgl. dazu BVerfG NJW 2007, 1666) ist es daher ohne Weiteres vereinbar, die Bewegung des Unfallbeteiligten vom Unfallort weg als einheitlichen Vorgang zu begreifen, der insgesamt den Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB verwirklicht (dieses Verständnis liegt auch dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19.5.1993, BGHR StGB § 142 Konkurrenzen 1, zugrunde), auch wenn der Tatbestand bereits dann vollendet ist, wenn andere Unfallbeteiligte oder feststellungsbereite Dritte keinen Bezug mehr des wartepflichtigen Täters zum unmittelbaren Unfallgeschehen herstellen können (LK-Geppert, StGB, 12. Aufl., § 142 Rn. 54 m.w.N.). Ein dem entgegenstehender Wille des Gesetzgebers lässt sich nicht feststellen. Die amtliche Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – letztlich am 13.6.1975 als Dreizehntes Strafrechtsänderungsgesetz beschlossen (BGBl. I S. 1349) -, mit dem der Begriff des „Entfernens“ anstelle des vormaligen Tatbestandsmerkmals der „Flucht“ in § 142 StGB eingeführt wurde, verhält sich nur dazu, dass damit der Zeitpunkt der Vollendung der Tat wesentlich vorverlegt wird (BT-Drs. 7/2434 S. 7), nicht aber zu der umgekehrten Frage, wann die Tatbestandsverwirklichung endet. Da mit der Fortsetzung des Sich-Entfernens nach der Tatvollendung die Verletzung des geschützten Rechtsguts, das in erster Linie die Sicherung der zivilrechtlichen Interessen der Unfallbeteiligten und Geschädigten ist (BT-Drs. 7/2434 S. 5 f.), intensiviert wird, indem mit der zunehmenden Entfernung vom Unfallort die Möglichkeit von Feststellungen weiter erschwert wird, bedarf es einer teleologischen Einschränkung nur dahingehend, dass ein (weiteres) Sich-Entfernen nicht (mehr) vorliegt, wenn eine Zuordnung des Flüchtigen zu dem Unfallgeschehen aufgrund der äußeren Umstände ausgeschlossen ist. Der Senat schließt sich deshalb der vom Bayerischen Obersten Landesgericht im Urteil vom 20.7.1979 (BayObLGSt 1979, 108) vertretenen Auffassung an, dass das Sich-Entfernen erst endet, wenn der flüchtende Unfallbeteiligte sich durch das Absetzen vom Unfallort endgültig in Sicherheit – vor Feststellungen zugunsten Feststellungsberechtigter – gebracht hat (im Ergebnis auch OLG Zweibrücken VRS 71, 434). Dieser Zeitpunkt kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

b) Davon ausgehend hatte der gesondert verfolgte C den Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB zwar bereits verwirklicht, als er sich außerhalb der Sicht- und Rufweite der Unfallstelle auf der Autobahn begeben hatte. Die übrigen dazu vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen aber nicht, dass die Tathandlung des „Sich-Entfernens“ damit bereits zum Abschluss gekommen war. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass C nach dem Unfall, der sich kurz vor 2:03 Uhr ereignet haben muss, über Wald- und Wiesengelände in ein Gewerbegebiet floh, wo er sich in einem Gebüsch versteckte, bevor er zu einem zeitlich nicht näher festgestellten Zeitpunkt nach 3:08 Uhr von dem Angeklagten B abgeholt und in dessen Wohnung verbracht wurde. Zudem lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass C die Umgebung, in der er sich bei seiner Flucht bewegte, nicht vertraut war. Auch wenn zu weiteren für die Beurteilung maßgeblichen Umständen – etwa der genauen Lage und räumlichen Entfernung des Gewerbegebiets und insbesondere der Niederlassung der „D GmbH“, vor der C von dem Angeklagten B abgeholt wurde, zu der Unfallstelle sowie zu dem Vorhandensein äußerlich sichtbarer Zeichen für eine Unfallbeteiligung Cs (z.B. Verletzungen) – keine Feststellungen getroffen wurden, sprechen die gesamten Umstände dafür, dass die Absatzbewegung Cs vom Unfallort erst zum Ende kam, als er von dem Angeklagten B in dem Gewerbegebiet im Freiburger Norden aufgenommen und in die Wohnung von B verbracht worden war. Aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen liegt es äußerst nahe, dass zwischen C, der mitten in der Nacht in einem Gebiet unterwegs war, das – im Hinblick auf den Umstand, dass C zu Fuß floh, und dem zeitlichen Abstand zum Unfall – nicht allzu weit von der Unfallstelle entfernt gewesen sein kann, und in dem wegen seines Charakters als Gewerbegebiet zu dieser Zeit nicht mit Menschen auf der Straße zu rechnen war, und dem Unfallgeschehen auf der Autobahn noch ein Zusammenhang herzustellen war.

Das Amtsgericht hätte sich danach bei der Prüfung, ob sich die beiden Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort schuldig gemacht haben, nicht – wie geschehen – auf die telefonisch gegebene Hilfezusage an C und die Zusage, ihn abzuholen und für die Nacht aufzunehmen, beschränken dürfen, sondern das gesamte Handeln der beiden Angeklagten bis nach der Abholung Cs aus dem Gewerbegebiet, in dem er sich versteckt hatte, in den Blick nehmen müssen. Damit hat sich das Amtsgericht zugleich den Blick dafür verstellt, dass das Handeln der Angeklagten nicht nur – wie geschehen – unter dem Gesichtspunkt der psychischen Beihilfe, sondern auch dahin zu prüfen war, ob damit die vom Willen, sich den gebotenen Feststellungen zu seiner Unfallbeteiligung zu entziehen, getragene Absatzbewegung Cs vom Unfallort weg objektiv unterstützt wurde. Dies gilt insbesondere auch für die bewusst wahrheitswidrigen Angaben des Angeklagten A gegenüber ermittelnden Polizeibeamten im Hinblick auf den Aufenthaltsort Cs und Kontakte zu ihm, die nach dem Zusammenhang der Feststellungen noch vor der Abholung Cs durch B erfolgt sein dürften und wodurch das Bemühen Cs, sich den Feststellungen zu entziehen, ersichtlich gefördert wurde. Darauf, dass der Haupttäter von der Unterstützung durch den Gehilfen keine Kenntnis hat, kommt es bei der physischen Beihilfe nicht an (BGH StV 1981, 72; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8; LK-Schünemann a.a.O., § 27 Rn. 10).