Und als dritte Entscheidung „kocht“ im heutigen „Kessel Buntes“ dann der LG Magdeburg, Beschl. v. 08.08.2017 – 25 Qs 51/17, den ich vom Kollegen T. Reulecke aus Wernigerode erhalten habe. Gegenstand des Beschlusses ist ein – in meinen Augen – Dauerbrenner aus dem Pflichtverteidigungsrecht, nämlich die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers aus Gründen der Waffengleichheit. Im zugrunde liegenden Verfahren geht es um einen Fahrraddiebstahl. Die Angeklagte hatte hier geltend gemacht, dass einem der Mitangeklagten – wegen der Schwere der Tat – ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei. Der verteidigte Mitangeklagte habe durch das Recht seines Verteidigers zur Akteneinsicht die Möglichkeit, seine Einlassung hieran auszurichten, eine Möglichkeit, die der unverteidigten Angeklagten verwehrt sei. Nach Aktenlage bestehe somit zumindest die Gefahr bestehe, dass der verteidigte Mitangeklagte in einer gemeinsamen Hauptverhandlung die nicht verteidigte Angeklagte belaste. Das AG hat die Beiordnung abgelehnt. Das LG hat das „gehalten“:
„Die zulässige Beschwerde ist im Ergebnis unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht Wernigerode den allein hier in Betracht kommenden und zu diskutierenden Beiordnungsgrund der Waffengleichheit verneint. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Falle der anwaltlichen Vertretung durch einen Mitangeklagten nicht ausdrücklich durch den Gesetzgeber geregelt wurde, anders als der Fall der Beiordnung eines Rechtsanwaltes für den Verletzten. Dies lässt den generellen Rückschluss zu, dass auch der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, dass allein durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei einem Mitangeklagten die Waffengleichheit derart verletzt ist, dass auch dem anderen Mitangeklagten unabhängig von dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist. Es handelt sich somit um eine Einzelfallentscheidung, die unter Berücksichtigung der nach Aktenlage ersichtlichen Umstände zu beurteilen ist. Allein der Umstand, dass es sich um Mitangeklagte derselben Tat handelt und dem Mitangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, reicht insofern nicht aus, um allein deshalb die Gefahr der Belastung des nicht verteidigten Angeklagten durch den verteidigten Angeklagten zu begründen. Vielmehr kommt es maßgeblich auf die konkrete Beweislage sowie das Verhältnis der Angeklagten untereinander an. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Angeklagte offenbar schon Kontakt zum Mitangeklagten pp. aufgenommen hat und ihn im Hinblick auf die Angaben der sie belastenden Zeugen zur Rede gestellt hat. Dies ergibt sich jedenfalls aus ihrer Einlassung, die sie über ihren Anwalt mit Schriftsatz vom 27.05.2016 abgegeben hat. Darüber hinaus hat sich die Angeklagte hinsichtlich einer möglichen Motivlage, sie fälschlicherweise zu belasten, dahingehend eingelassen, dass sie und die Zeugin pp. verfeindet seien. Allein diese Verteidigungsstrategie, auch wenn sie im anwaltlichen Schriftsatz enthalten ist, dessen Inhalt im Hinblick auf die tatsächlichen Angaben jedoch nur von ihr stammen kann, zeigt, dass die Angeklagte durchaus in der Lage ist, sich angesichts der Beweissituation selbst zu verteidigen.
Auch die Möglichkeit der Akteneinsicht und daraus resultierender besserer Erkenntnis eines verteidigten Mitangeklagten rechtfertigt nicht zwangsläufig die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass jeder, der Beschuldigter in einem Strafverfahren ist, noch vor Abschluss der Ermittlungen als Beschuldigter zu vernehmen ist. Im Rahmen dieser Beschuldigtenvernehmung müssen ihm der Tatvorwurf und die wesentlichen Verdachtsgründe mitgeteilt werden. In einfach gelagerten Fällen, wie dem vorliegenden, reicht dies aus, sich auch ohne Anwalt hiergegen zu verteidigen.“
M.E. unterliegt das LG einem Zirkelschluss, wenn es auf die Verteidigungsstrategie der Angeklagten abstellt.